Auf den Straßen Berlins wachsen Zeltdörfer, wo einst wohlgeordnete Vorgärten des bürgerlichen Mittelstandes das Stadtbild regierten. Im Tierpark sieht man improvisierte Gasküchen und zusammen gepferchte Flüchtlinge – Szenarien wie aus den Slums Indiens oder während des Zusammenbruchs des Immobilienmarktes in den USA. Aber sie ist ganz nah, die dunkle Zukunftsweisung, die Regisseur Lars Kraume in seinem Science-Fiction- Drama „Die KOMMENDEN TAGE“ vorzeichnet.

Bis ins Jahr 2020 wird die Inszenierung einer Wohlstandsverwahrlosung gestrickt, die ihre Anfänge acht Jahre zuvor erfährt: Ein weiterer Golfkrieg bricht aus, deutsche Bundeswehrsoldaten werden in den Krieg geschickt, um zu verhindern, dass die Bundesrepublik von Öllieferungen abgeschnitten wird. Die EU gibt es nicht mehr. Ganze Teile der Welt versinken im Chaos. Ein eskalierter Konflikt, der die Studenten zu Demonstrationen zwingt und Deutschland einen Schutzwall um die Alpen aufbauen lässt.

In der Hauptstadt gehören Personenkontrollen nun zum Alltag. Denn wo die Ressourcen und die Lebensmittel knapp werden, wird jeder zum Einzelkämpfer: Im doch so wohlhabenden Deutschland wird die Schere zwischen arm und reich immer größer, die Spanne zwischen sozialem Mitgefühl und progressiver Egozentrik scheint kaum mehr aufhaltbar.

Liebe in Zeiten des Aufruhrs foto: Universal pictures
Liebe in Zeiten des Aufruhrs foto: Universal pictures

Auf eindrucksvolle Weise fädelt der Regisseur von „Keine Lieder über Liebe“ und „KDD-Kriminaldauerdienst“ – fast nebensächlich – durchaus realistische politische Ereignisse in das Alltagsleben seiner Protagonisten ein. Im Vordergrund dieser Negativ-Utopie stehen zwei Schwestern aus einer bürgerlich wohlsituierten Familie. Laura (Bernadette Heerwagen) sehnt sich nach Abschluss ihres Studiums nach Kindern und Familienglück. Dabei ist sie hinund hergerissen zwischen diesem Wunsch und ihrer großen Liebe, Öko-Aussteiger Hans (Daniel Brühl), der keine Kinder bekommen kann.

Ihre kleine Schwester Cecilia (Johanna Wokalek) wird durch eine unerfüllte Liebe zu Konstantin (August Diehl) in die Schlinge einer neu aufwallenden Terrororganisation getrieben. Das jüngste Kind eben dieser zerrütteten Familie, Philip, (Vincent Redetzki) flüchtet vor allen inneren Missständen in einen verzweifelten Kampf Deutschlands um die letzten Ölfelder Asiens. Und über den Kindern thront der Vater, der sich als juristischer Vertreter eines großen Öl-Multis an die Umstände nivelliert. Eigentlich sei er ja auch gegen Krieg, heißt es, aber gewisse politische Umstände erforderten nun einmal eine gewisse Anpassungsfähigkeit.

„DIE KOMMENDEN TAGE“ hat nichts gemeinsam mit anderen Science-Fiction-Streifen vergangener Kinogeschichte, weil er ohne specialeffects auskommt. Wo in apokalyptischen Filmen wie „Matrix“ (1999) oder „The day after tomorrow“ (2004) das spektakuläre Ende der Welt durch unvorstellbare Riesenwellen oder nicht mehr kontrollierbare Computerwelten proklamiert wird, kommt Kraume seinen Zuschauern viel näher. Der Regisseur spielt förmlich mit den Ängsten der modernen Gesellschaft und zeigt auf, was passieren könnte, wenn alles so weiter läuft wie bisher.

Was passiert, wenn das Gewohnte und von jedem Geschätzte nicht mehr verfügbar ist? Sei es die selbstverständliche Wärme der Heizung im Winter, der Sprit für unsere Autos oder der Überfluss in den vielen Supermärkten um die Ecke. Die Folgen politischer Unvernunft, Verschwendung wertvoller Ressourcen und globaler Machthabe landen direkt in unseren Kinosesseln. „Die Zukunft gehört denen, die um sie kämpfen“, lautet das Motto des Regisseurs. Eine Frage bleibt unangenehm offen: Werden wir sie erleben, die kommenden Tage?

Zu sehen gibt es den Film am 30. Juni im Unikino „Filmriss“ im Audimax.

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