Seit dem Beginn der Lesben-und Schwulenbewegung vor mehr als 40 Jahren hat sich im Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung und Akzeptanz von Homosexuellen viel getan. Nahezu alle Gesetze, die Lesben und Schwule diskriminieren, sind aus den Gesetzesbüchern der westlichen Welt verschwunden. Aktuell stehen Ehe-Öffnung und Adoptionsrechte von Homosexuellen in der Debatte. Diskussionen, die vor einigen Jahren noch gar nicht denkbar waren. Es scheint, als sei ein völlig neues Zeitalter für die LGBT-Gemeinde (Lesbian, Gay, Bisexual, Trans) angebrochen. Der vierte Buchstabe dieser queeren Abkürzung fällt dabei jedoch meist unter den Tisch, denn Transpersonen haben noch immer mit schwerer Diskriminierung zu kämpfen.

Doch was ist Transsexualität eigentlich? Der Begriff Transsexualität bezeichnet die Nichtübereinstimmung des körperlichen Geschlechts und der Geschlechtsidentität eines Individuums. Ein Mensch beispielsweise, der die weiblichen Geschlechtsmerkmale besitzt und deshalb bei der Geburt dem weiblichen Geschlecht zugeordnet wird, sich jedoch mit den ihm zugewiesenen Geschlechtsmerkmalen nicht identifizieren kann, ist also transgender. Demgegenüber steht der Begriff ‚cisgender‘, der in den 90-er Jahren von der Sexualwissenschaft eingeführt wurde und die Übereinstimmung von Geschlechtsidentität und körperlichem Geschlecht bezeichnet. Cisgender soll ausdrücken, dass das Zusammenfallen von ‚sex‘ und ‚gender‘ nicht selbstverständlich ist. Wenn es Transsexuelle gibt, muss es logischerweise auch Zissexuelle geben.

Die gesellschaftliche Akzeptanz von Transsexualität lässt noch stark zu wünschen übrig. Da die meisten Menschen cisgender sind, wird das soziale Geschlecht meist nicht als eigenständige Einheit wahrgenommen, die vom biologischen Geschlecht abweichen könnte. Für viele Menschen gilt also „Du bist als Mann geboren worden, also bist du auch im Kopf ein Mann!“ Diese Norm, mit der Beleidigungen wie ‚Mannsweib‘ oder ‚Transe‘ einhergehen, führt bei Betroffenen häufig zu Depressionen oder anderen schweren psychischen Problemen. Es ist also essentiell, dass die Allgemeinheit für Transsexualität sensibilisert wird, denn wie sollte jemand sich mit diesem Thema auseinandersetzen, wenn er nie damit in Berührung kommt? Die Einbindung von sexueller Identität in den Sexualunterricht könnte schon hilfreich sein.

Für Transsexuelle gibt es geschlechtsangleichende Maßnahmen, welche helfen, das körperliche Geschlecht an das soziale Geschlecht anzupassen. Diese sind einerseits Hormonersatztherapien und hormonblockierende Medikamente, mit denen unter anderem sekundäre Geschlechtsmerkmale ausgebildet werden. Auf Hormontherapien folgen meist geschlechtsangleichende Operationen. Dazu gehören unter anderem die Entfernung der Brust oder diverse genitalangleichende Eingriffe.

Im öffentlichen Leben gibt es nur wenige prominente Vorbilder, die zu einem positiven Verständnis führen. 2010 veröffentlichte der ehemalige Profi-Sportler Balian Buschbaum seine Biografie Blaue Augen bleiben blau, in der er über seine Transsexualität spricht und Aufklärungsarbeit zu diesem Thema leistet. Lana Wachowski, Regisseurin der Matrix-Filme, outete sich 2012 öffentlich als transsexuell, lebte aber bereits seit Ende der 1990er Jahre als Frau. Das jüngste prominente Beispiel ist Chelsea Manning, besser bekannt unter ihrem früheren Namen Bradley Manning, die als Whistleblower vertrauliche militärische Dokumente an WikiLeaks übermittelte und sich outete, nachdem sie zu 35 Jahren Haft verurteilt wurde.

Von Transsexualität abzugrenzen ist Intersexualität. Intersexuell sind Menschen, die auf Grund mehrerer Geschlechtsmerkmale nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können. Häufig leiden Intersexuelle darunter, dass ihnen bei der Geburt das falsche Geschlecht in den Pass geschrieben wird, sie sich jedoch in die andere Geschlechterrolle hinein entwickeln. Oft verschreiben Ärzte daraufhin gefährliche Hormonbehandlungen, um diesen Fehler zu ‚korrigieren‘. In Deutschland wurde deshalb ein neues Gesetz eingeführt: Seit dem 1. November darf einem intersexuellen Kind bei der Geburt kein explizites Geschlecht mehr zugeordnet werden. Das Kind erhält nun also selbst die Chance, sich für das ihm richtige Geschlecht zu entscheiden.

Da dieses Gesetz bislang jedoch nur für intersexuelle Kinder gilt, werden transsexuelle Kinder auch in Zukunft mit einem fälschlich zugeschriebenen Geschlecht zu kämpfen haben. Eine Erweiterung des Gesetzes auf alle neugeborenen Kinder wäre also ein erster Schritt in die richtige Richtung. Denn Geschlecht ist mehr als schwarz und weiß, sondern eher ein ganzes Farbspektrum – wie ein Regenbogen.

Anzeigefoto: Ludovic Bertron

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Ein Kommentar

  1. Ein wirklich super geschriebener Artikel zu einem komplexen und sensiblen Thema! Davon könnte sich manch namhafte Zeitung mal ne Scheibe abschneiden, viele Artikel zu dem Thema strotzen häufig von Halbwahrheiten, inhaltlicher Fehler und unsensibler Ausdrücke, wie erst kürzlich wieder einer vom Spiegel. Da setzt dieser hier echt Maßstäbe. 🙂

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