Klempner, Dachdecker und Elektriker – das sind wohl die ersten drei Berufe, die uns beim Gedanken an Handwerker in den Kopf schießen. Doch wer denkt, dass sich der Handwerksberuf auf Tischlerei und Automechanik reduziert, weit gefehlt. Neben Orthopädietechnik, Mediengestaltung und Geigenbau sind noch 130 weitere Berufe bei der Handwerkskammer Lübeck als Ausbildungsberufe registriert. Eine große Vielfalt, mitunter mit vielen – Achtung, Wortwitz – Lee(h)rstellen. Denn während in diesem Jahr zum ersten Mal mehr als 2,7 Millionen Studierende an die deutschen Unis drängen, hat die Zahl der Auszubildenden im deutschen Handwerk einen historischen Tiefstand von weniger als 500 000 erreicht.

Die Gründe sind vielfältig. Zum einen fehlen die Bewerber, weil es jedes Jahr mehr Abiturienten gibt, von denen viele ihre Hochschulzugangsberechtigung als solche nutzen wollen, statt eine Ausbildung zu machen. Andererseits fehlen in einigen Branchen auch geeignete Bewerber. „Viele Berufe sind durch den digitalen Wandel derart komplex geworden, dass das Handwerk hier verstärkt nach Auszubildenden mit Abitur sucht“, sagt Jörg Ahrens von der Handwerkskammer Lübeck. Ein Beispiel dafür sei der Beruf des Elektronikers, der sich durch immer kompliziertere elektrische Systeme im Haushalt in den letzten Jahren stark erweitert habe.

Ahrens ist ursprünglich selbst Zimmermeister und bietet an der CAU die Sprechstunde des JOBSTARTER-Projekts Kursänderung ins Handwerk an. Seit 2015 beraten er und seine Kollegin Iris Mainusch jeden Dienstag von 10 bis 13 Uhr Studierende, die darüber nachdenken, ihr Studium zu beenden und stattdessen eine Ausbildung anzufangen. Wer zum Gespräch kommt, kann sich in gemütlicher Atmosphäre über die unterschiedlichen Möglichkeiten im Handwerk aufklären lassen und die persönliche Situation erst einmal sondieren. Entscheidet sich jemand dann tatsächlich für den Wechsel in einen handwerklichen Beruf, stellt das Projektteam Kontakt zu möglichen Arbeitgebern her und unterstützt die Betreffenden bei der Bewerbung. Dabei ist der Studienabbruch laut Ahrens nicht unbedingt ein Makel im Lebenslauf. „Einige Firmen fragen bei uns direkt nach älteren Lehrlingen, die schon etwas mehr Lebenserfahrung gesammelt haben als ein typischer Ausbildungsanfänger mit 16 oder 17 Jahren.“ Die meisten Studierenden in der Beratung seien zwischen 23 und 24 Jahren alt und seien schon seit einiger Zeit von ihrem Fach frustriert, bis sie sich entschieden, ihr Berufsziel zu verändern. Wenn Zweifelnde dann ihr Studium abbrechen, kann die Beratung sehr schnell handeln. Da Lehrstellen im Allgemeinen nur im August oder September beginnen, empfiehlt Ahrens, zu anderen Terminen erst einmal Praktika in den näher ins Auge gefassten Handwerksberufen zu machen. So können die Bewerber Betriebe kennen lernen, sich bei ihrer Berufaswahl sicher sein und müssen nicht noch mehr Zeit in ein unbefriedigendes Studium stecken. Mit Hilfe der Berater können Studierende auf unkomplizierte Art und Weise direkt mit Firmen in Kontakt treten und so zeitnah mit einem Praktikum beginnen.

Eine Ausbildung dauert meist drei Jahre, Abiturienten können die Lehrzeit bei guten Leistungen aber um ein halbes oder sogar ganzes Jahr verkürzen, und gerade Studierende aus den technischen Fächern mit ihren traditionell hohen Abbruchquoten, können von ihrem Vorwissen profitieren und mitunter noch schneller zum Berufsabschluss gelangen. Die beliebtesten Ausbildungsberufe sind Tischler, Zimmermann oder auch Bootsbauer – in letzter Zeit erleben aber auch traditionelle Berufe wie der Bierbrauer eine Renaissance, der aufstrebenden Bierszene sei Dank.

Gerade aus den Studiengängen mit hohen Abbruchquoten gibt es in ähnlichen Bereichen viele Ausbildungsmöglichkeiten
Gerade aus den Studiengängen mit hohen Abbruchquoten gibt es in ähnlichen Bereichen viele Ausbildungsmöglichkeiten

Die nächste Infoveranstaltung des Projekts findet am 28. November von 16 bis 18 Uhr im Berufsinformationszentrum der Agentur für Arbeit Kiel (Adolf-Westphal-Str. 2) statt. Eine Anmeldung wird unter www.kursänderung-ins-handwerk.de/termine erbeten. Dort finden sich auch weitere Informationen zu den regelmäßigen Sprechstunden in der Mensa II.

Bildquellen: HWK Lübeck, ZDH, DZHW, BMWi, BfA

Autor*in

Eva ist seit November 2015 in der Redaktion. Sie studiert Biochemie und Molekularbiologie an der CAU. Als Ressortleiterin hat sie sich bis Anfang 2019 um den Hochschulteil der Zeitung gekümmert, mittlerweile schlägt ihr Herz für Online.

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