Verschwörungstheorien und die Menschen, die an sie glauben, werden oft als verrückt abgetan. Anhänger:innen von solchen Ideologien als unzurechnungsfähig abzustempeln kann allerdings ein großer Fehler sein. Von ihnen kann ein Gewaltpotenzial ausgehen, das nicht zu unterschätzen ist. In diesem Artikel erfahrt ihr von rechtsextremer Gewalt, die auf antisemitischen Verschwörungen beruht und was zur Verhinderung dieser getan werden kann. 

Wir sprechen hiermit eine Triggerwarnung aus: Der folgende Beitrag enthält Darstellungen von antisemitischer Gewalt und Tod. 

Warum Menschen sich verschwören 

Der Grund, warum es Verschwörungstheorien gibt, ist ziemlich schnell gefunden: Sie liefern einfache Erklärungen für komplexe Probleme. Deshalb gibt es solche Theorien schon genauso lange, wie es Konflikte gibt. Früher bezog sich das vielleicht auf einen Ernteausfall, heute auf den Tod von Staatsoberhäuptern, die Form der Erde oder bestimmte religiöse Orientierungen. Verschwörungstheorien gehen davon aus, dass eine kleine Gruppe von Menschen sich zusammengeschlossen hat, um die Welt zu ihren Gunsten zu manipulieren – „Die da oben gegen den kleinen Mann“. In der Regel ist die Annahme einer solchen Geheimgemeinschaft gegen Kritik oder gegenteilige Beweise immun. Und es handelt sich bei dieser Denkweise nicht um Einzelfälle. Sozialwissenschaftliche Untersuchungen der Amadeu Antonio Stiftung gehen davon aus, dass bei 30 bis 60 Prozent der deutschen Bevölkerung eine gewisse Verschwörungsmentalität besteht. Damit ist gemeint, dass diese Menschen besonders empfänglich für solche Theorien sind. 

Antisemitismus unter Verschwörungstheoretiker:innen 

Dass sich schon im Mittelalter Verschwörungsideologien gegen Jüdinnen und Juden richteten, ist allgemein bekannt. Angeblich sollten sie sich gegen die christliche Bevölkerung zusammengeschlossen haben, um sich so illegal Arbeit und Geld zu beschaffen. Auch während der Pest wurden sie beschuldigt, die Brunnen vergiftet zu haben. Es war ein Sündenbock nötig, um diese schwere Situation zu überstehen. Über die Jahrhunderte hielten sich diese Weltbilder aufrecht und spitzten sich während der NS-Zeit tragisch zu. Damals spielte die Erzählung von einer „jüdischen Weltverschwörung“ eine zentrale Rolle. Sie zeichnet sich durch den Glauben aus, dass das fiktive Kollektiv „Die Juden“ die Weltherrschaft anstrebt oder besitzt. Auch heute existiert diese Verschwörungsideologie noch hartnäckig in entsprechenden Kreisen.  

Eine wichtige Instanz ist QAnon, oder kurz Q. Dabei handelt es sich ursprünglich um eine mutmaßliche US-amerikanische Person, die rechtsextremistische und antisemitische Verschwörungstheorien im Internet verbreitet. In den USA ist eine gewaltige Community entstanden, die sich gegenseitig mit diesem Gedankengut füttert. Diese war auch an der Stürmung des Capitols im Januar 2021 nicht ganz unbeteiligt. Auch in Deutschland hat Q mittlerweile viele Anhänger gefunden, die sich beispielsweise zahlreich den sogenannten Querdenkern anschließen, um gegen die Corona-Maßnahmen zu demonstrieren. Viele von ihnen glauben ebenfalls an die „jüdische Weltverschwörung“. Eine Erzählung, die durch das Netzwerk von Q angefeuert wird. 

Wenn Verschwörung zu Gewalt ausartet 

Was passieren kann, wenn antisemitische Verschwörungstheoretiker:innen Gebrauch von ihrem Gewaltpotenzial machen, zeigt der Anschlag von Halle am 09. Oktober 2019. Der Rechtsextremist Stephan B. versuchte an diesem Tag, einen Massenmord an Jüdinnen und Juden zu begehen. Er wählte dafür Jom Kippur, den höchsten jüdischen Feiertag. Er tötete zwei Menschen und verletzte drei weitere. Nach seiner Festnahme wurde der Attentäter psychologisch untersucht und es wurde festgestellt, dass die Hauptmotivation für seine Tat der Glaube an die „jüdische Weltverschwörung“ war.  

Diese grausame Tat, die von einem antisemitischen Weltbild angetrieben wurde, ist kein Einzelfall. Auch bei dem Anschlag von Hanau am 19. Februar 2020 vermutete man einen antisemitischen Hintergrund und einen Hang zu Verschwörungstheorien bei dem Attentäter Tobias R. Er tötete neun Menschen mit Migrationshintergrund und danach seine Mutter und sich selbst. 

Das Ziel solcher Gewalttaten ist vor allem eins: Angst machen. Betroffene sollen möglichst persönlich angegriffen und in Panik versetzt werden. Stephan B. zielte mit seinem Attentat in Halle beispielsweise darauf ab, dass möglichst viele Jüdinnen und Juden aus Angst vor weiteren antisemitischen Taten Deutschland verlassen. Er versprach sich so, die „jüdische Weltverschwörung“ zumindest in seinem Heimatland aufzulösen. 

Wie kann mit Verschwörungstheorien umgegangen werden? 

Es ist wichtig, Verschwörungstheoretiker:innen nicht sofort als unzurechnungsfähig oder verrückt abzustempeln. Das würde ein vereinfachtes, dualistisches Weltbild erzeugen und Feindbilder erschaffen. So kann nicht konstruktiv auf das Problem eingegangen werden. Außerdem wird durch solch eine Degradierung dieser Menschen die Gewaltbereitschaft unterschätzt, die von vielen ausgeht. Wie kann also stattdessen auf solche fragwürdigen Weltbilder reagiert werden? Auf der Seite der Amadeu Antonio Stiftung gibt es einige Tipps. Es ist schwierig, etwas mit Fakten zu widerlegen, was selbst nicht auf Fakten basiert. Ein Gespräch kann sich aber dennoch lohnen, wenn die Person noch offen für Erklärungsansätze ist, die ihrer Überzeugung widersprechen. Ist das nicht mehr möglich, sollte wenig auf die Verschwörungstheorie eingegangen werden, sondern eher auf die Person an sich, auf ihre Gedanken und Gefühle. Dann dreht sich das Gespräch eher um die Beweggründe, weshalb die Person in Theorien eine Erklärung für Probleme sucht. In diesem Fall handelt es sich um schwierige Gespräche, für die viel Geduld gebraucht wird. Es ist immer wichtig, auf die eigenen Grenzen zu achten. Wenn klar ist, dass der oder die Gegenüber gar nicht mehr mit sich reden lässt, dann sollte das Gespräch auch nicht weiter gesucht werden. Die eigene Sicherheit geht immer vor. 

Wer sich weiter zu dem Thema Antisemitismus im Zusammenhang mit Verschwörungsideologien informieren möchte, kann sich auf der Website der Amadeu Antonio Stiftung und der Plattform der belltower news umsehen. Dort gibt es fundierte Berichte und zahlreiche Ressourcen, die über antisemitische Verschwörungstheorien aufklären und Tipps für einen bestmöglichen Umgang mit der Angelegenheit geben. 

Autor*in
stellvertretende Chefredakteurin

Mira ist 22 Jahre alt und studiert seit dem WiSe 2020/21 Soziologie und Deutsch an der CAU. Sie ist seit November 2020 Teil der ALBRECHT-Redaktion und leitete ab Februar 2021 für ein Jahr das Ressort Hochschule. Ab Februar 2022 war sie für ein Jahr die stellvertretende Chefredakteurin.

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