Weltweit setzen sich Frauen dafür ein, dass alle Geschlechter gleichgestellt sind. Sie haben damit schon einiges erreicht, für vieles wird immer noch gekämpft. Wer heute noch anzweifelt, ob sie in allen Bereichen dasselbe leisten können wie Männer, ist rückständig. Und trotzdem gibt es da noch eine Gruppe von Menschen, die das mit der Gleichberechtigung nicht zu hundert Prozent verinnerlicht haben: Frauen. 

Nicht alle Frauen, das vorneweg. Aber es gibt sie, die Frauen, die sich in der einen Minute über den Kollegen aufregen, der ihre Kleidung unpassend kommentiert hat und in der nächsten mit ihrer besten Freundin darüber sprechen, dass das letzte Tinder-Date nichts geworden ist – weil der Typ zu klein war. Nett ja, aber 1,85 Meter müssten schon sein. 

Entgegen dem, was viele denken, funktioniert Feminismus nicht nur in eine Richtung. Es geht eben nicht darum, dass die Herrschaft der Männer beendet und dann gleichzeitig diese Männer auch unterdrückt werden sollen. Der moderne Feminismus steht für Gleichberechtigung und damit sind alle gemeint. 

Deswegen ist es wichtig, dass wir Frauen auch unser eigenes Verhalten überprüfen. Wir müssen ebenfalls jeden Menschen respektieren. Es ist gut, dass wir uns immer lauter und stärker gegen beispielsweise Sexismus wehren, dürfen dabei aber nicht vergessen, dass auch Männer sexistischen Vorurteilen ausgesetzt sein können. Nicht nur Frauen sind genauso viel wert wie Männer, Männer mit stereotypisch femininen Zügen sind genauso viel wert wie die mit typischen Männlichkeitsidealen. Dieser Männlichkeitsbegriff ist es nämlich, der den Sexismus hervorbringt. Und die Erwartungen, die wir aufgrund dessen an die Männer haben. Natürlich haben sie nicht die Probleme, mit denen Frauen bis heute noch zu kämpfen haben: sie werden selten objektifiziert und hatten schon immer Privilegien. Aber, wenn wir von Männlichkeit sprechen, dann drücken wir Individuen einen Stempel auf, der sie wahrscheinlich nicht nur unglücklich machen kann, sondern auch gefährlich ist. 

Genau wie ich als Frau wegen meines Aussehens nicht anders behandelt werden möchte, geht es auch vielen Männern. Ehrlich gesagt glaube ich auch nicht, dass die Mehrheit der Männer überhaupt den verbreiteten Idealen entspricht. Denn es gibt gar nicht so viele Supermänner mit Holzfällerhemd und Vollbart, die mit stoischer Kühle und mit verschränkten muskulösen Armen Richtung Horizont starren. In Wahrheit haben die meisten vielleicht nur ein Merkmal des Stereotyps, andere gar keines. Und das ist gut so. Einen Mann wegen seiner fehlenden Männlichkeit schlecht zu machen, ist von gestern. Doch das ist immer noch nicht bei den meisten Männern angekommen, aber auch nicht bei uns Frauen. 

Wie ihr uns, so wir euch?

So hat sich zum Beispiel Carolin Kebekus, eine Galionsfigur des modernen Feminismus, 2015 leider in ihrer ersten Folge von Pussy Terror TV ganz schön sexistisch verhalten. Jede Folge kürt sie die „Pussy des Monats“, meist für sexistisches oder frauenfeindliches oder generell peinliches Verhalten. Nominiert sind dann Personen des öffentlichen Lebens, aber auch Fußballvereine oder Zeitungen. Sieger der ersten „Pussy des Monats“ war aber überraschenderweise der Schauspieler Jamie Dornan für seine Rolle in Fifty Shades Of Grey. Begründung: Er sei einfach nicht männlich genug für BDSM-Spiele und niemand würde ihm abkaufen, dass er einer Frau den Hintern versohlt, weil er einfach zu „süß“ sei. Zitat Kebekus: „Ich kann mir zwei, drei bessere Sachen vorstellen, als mich von diesem Milchbubi verhauen zu lassen. […] Was ist der Typ für ein Lappen. Der fängt doch schon an zu heulen, wenn er sein eigenes Haarspray in die Augen bekommt! Was für ’ne Wurst, oder? Ich ficke den (und nicht er mich) und deshalb: PUSSY!“ 

Obwohl die Komikerin feministische Themen mit Witz auf den Punkt bringt, ist es doch etwas heuchlerisch, sich dann über einen Mann auf diese Art lustig zu machen. Klar, ich hätte mir für diese Rolle auch Matthew McConaughey gewünscht, aber das sind persönliche Präferenzen. Es ist deswegen nicht in Ordnung, über andere Männer herzuziehen, die diesen Präferenzen nicht entsprechen. Wir wollen zwar alle liebend gerne ab und zu den Spieß einmal umdrehen – aber das ist nicht die Lösung. 

Wenn wir zurückdenken, haben wir alle wahrscheinlich schon Ähnliches getan. Zum Beispiel beim Dating. Nicht umsonst schreiben viele bei Tinder ihre Größe in das Profil, denn „echte Männer“ sind groß und sportlich. Sie sollen die Initiative ergreifen und uns zuerst nach einer Verabredung fragen, halten dann alle Türen auf und bezahlen natürlich das Essen. Klischee-Bad-Boys sind aufregender und sexuell interessanter als der nette Typ von nebenan. Was übrigens voll der Widerspruch zum Gentleman ist, den wir ja auch gleichzeitig haben wollen! (Da sehen wir mal, wie unsinnig diese Ideale sein können.) Und gleichzeitig schütteln wir empört den Kopf, wenn ein Mann so etwas über Frauen sagt. Wir sollten Menschen immer als die Personen kennenlernen, die sie sind und nicht eine Liste mit Stereotypen im Kopf haben und versuchen, diese während eines Dates abzuhaken.  

Feminismus ist keine Einbahnstraße. Auch wenn es ursprünglich um die Befreiung der Frauen aus der männlichen Unterdrückung ging, geht es heute um mehr. Denn es gibt auch Männer, die sich von der gängigen Vorstellung der Männlichkeit unterdrückt fühlen und sich befreien wollen. Daran müssen wir denken und dabei müssen wir alle helfen, damit wir in einer Gesellschaft leben können, in der sich jeder Mensch nach eigenen Maßstäben frei entfalten kann. 

Autor*in

Eileen studiert Soziologie/Philosophie und war von Januar 2022 bis Anfang 2024 Chefredakteurin. Sie leitete von Februar 2019 bis Anfang 2020 das Ressort für Gesellschaft. Danach war sie stellvertretende Chefredakteurin. Außerdem werden viele der Illustrationen im Albrecht von ihr gezeichnet.

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