Manchmal gibt es Probleme, über die man mit niemandem reden kann. Dann hilft weder der Rat der Eltern noch der besten Freunde. Genau für diese Fälle gibt es die Nummer gegen Kummer, deren Träger der Verein Nummer gegen Kummer e.V. ist und der bundesweit mit unterschiedlichen Trägern kooperiert. Unter der Nummer 116111 können die Anrufer kostenlos und anonym über ihre Probleme sprechen. Das Besondere am Telefon ist die Möglichkeit, ganz offen zu sein. Für einige ist es das erste Mal, dass sie ihre Sorgen loswerden. Deswegen ist es wichtig, geschulte Berater am anderen Ende der Leitung zu wissen. Zwei dieser Berater sind Nina und Lena*. Beide engagieren sich seit über fünf Jahren ehrenamtlich am Telefon. Dort nehmen sie die Anrufe von Kindern und Jugendlichen entgegen. Das Telefon ist Montag bis Samstag von 14 bis 20 Uhr in ganz Deutschland besetzt und bietet damit eine dauerhafte Anlaufstelle. Alle Berater müssen eine Ausbildung durchlaufen, in der sie lernen, auf die verschiedenen Anrufer einzugehen. Dabei lernen sie die Grundlagen der Beratung. Auch das humanistische Menschenbild und die sogenannte Ressourcenorientierung stehen im Fokus. Dabei werden die Berater nach dem Ansatz der ‚Hilfe zur Selbsthilfe‘ geschult. „Hauptbestandteil von diesem Konzept ist die Annahme, dass jeder Mensch, der ein Problem hat, schon die Lösung dazu in sich trägt“, sagt Lena. Ein Patentrezept zur Problemlösung wird also nicht geliefert. Vielmehr steht der Gedanke im Vordergrund, der Anrufer wisse bereits einen Weg zur Hilfe. Die Berater unterstützen ihn, diesen Weg für sich zu finden. Zu diesem Zweck werden Ressourcen abgefragt und beispielsweise ergründet, was der Anrufer in vergleichbaren Situationen unternimmt. Wichtig ist dabei, den Auftrag zu klären. „Man muss gucken, wo es überhaupt hingeht“, meint Lena dazu. Für
Nina ist die Besonderheit der Telefonberatung die Niedrigschwelligkeit, welche durch die Anonymität begünstigt wird. Jeder kann anrufen und seine Fragen oder einfach sein Herz ausschütten.

Kinder und Jugendliche rufen aus den verschiedensten Gründen an. Die häufigsten Themen sind Mobbing, Liebe und Sexualität. Aber auch Süchte und familiäre Probleme sowie Streit im Freundeskreis tauchen immer wieder auf. Die Themen können an die Substanz der Berater gehen. In einigen Fällen können sich die Anrufe um Missbrauch, Suizid oder Gewalterfahrung drehen. Deshalb sei es, so Nina, von Bedeutung, sich abgrenzen zu können. „Am Anfang habe ich viel mit anderen Beratern oder unserem Supervisor geredet. Es hilft auf jeden Fall, wenn man nochmal jemandem davon erzählt“, ergänzt Lena. Bei ihrem ersten Gespräch hätte sie direkt mit einem Mädchen telefoniert, das von seinem Vater missbraucht wurde. „Das war echt hart und es ist mir auch sehr in Erinnerung geblieben“, erinnert sie sich. Bei Gesprächen mit Gewaltproblematik sei es vor allem die Hilflosigkeit, die schwer zu verarbeiten sei, erzählt Nina. Die Berater unterliegen der Schweigepflicht und können auch solche Themen nicht an andere Stellen weitergeben.

Während der Supervision, die einmal im Monat stattfindet, unterhalten sich die Berater untereinander über belastende Anrufe. Nina betont, sie nähme die Anrufe nicht mit nach Hause. Wenn sie aus dem Raum gehe, dann bleibe der Anruf für sie dort. Weitere Fähigkeiten, die ein Berater haben sollte, sind Frustrationstoleranz und Empathie. Erstere ist vor allem für Testanrufe wichtig. Bei diesen Anrufen kann es passieren, dass die Berater beleidigt werden – oder Kay One einen Song rappt.

Mittlerweile existiert neben der Telefon- auch eine Email-Beratung. Für diese mussten die Berater eine weitere Schulung durchlaufen. Lena und Nina arbeiten mittlerweile beide in der MailBeratung. Dabei gibt es große Unterschiede zum Telefon. Durch die Textbasiertheit haben sich die Ratsuchenden bereits intensiver mit ihren Problemen befasst. Während die Berater nach dem Telefonat meistens nie wieder Kontakt zu dem Anrufer haben, begleiten sie in der Mailberatung häufig die Hilfesuchenden über einen längeren Zeitraum. „Man ist über Tage, manchmal Wochen hinweg mit jemandem in Kontakt“, berichtet Nina. Dadurch sind die Berater viel näher an der Entwicklung der Hilfesuchenden. „Die Einstellung der Hilfesuchenden verändert sich mit der Zeit. Am Anfang mit der ersten E-Mail ist die Einstellung zu dem Problem noch ganz anders als dann zwischendurch“, fasst Lena ihre Erfahrungen zusammen.

Wer sich als Berater engagieren möchte, kann sich unter www.nummergegenkummer.de informieren. Die zuständige Koordinatorin für Kiel ist Kerstin Höcker, die unter der Nummer 0431/1221817 oder per Mail über kerstinhoecker@kinderschutz-zentrum-kiel.de erreichbar ist. Gerade angehende Studierende der Soziologie, Pädagogik oder aus einem ähnlichen Fachbereich können als Berater in einem kleineren Rahmen viel dazulernen und auch schon praktische Erfahrung sammeln.

*Namen von der Redaktion geändert.

Autor*in

Maline ist 25 und studiert Deutsch und Politikwissenschaft im Master an der CAU. Sie ist seit Mai 2015 Mitglied beim Albrecht.

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