Heutzutage ist das Getuschel über Klischees von Studiengängen groß. Doch welche dieser Stereotypen wirklich mit der Realität übereinstimmen und welche letztendlich nur Schubladendenken sind, wird nun versucht, auf den Grund zu gehen.  

Rund um Kunst- und Designstudent:innen brodelt die Gerüchteküche: Ist das Kunst oder kann das weg? Triffst du dich auch privat mit deinen Professor:innen? Welche Drogen hast du schon alle ausprobiert? Hängst du wirklich den ganzen Tag nur rum und ist dein Klamottenstyle auch so ausgefallen? Mit diesen und weiteren Stereotypen assoziieren viele die jungen Künstler:innen. Um zu sehen, was wirklich dran ist an den berüchtigten Vorurteilen haben wir vier Studenten:innen von der Muthesius Kunsthochschule aus den Studiengängen Industriedesign und Bildhauerei befragt. 

Alltagsgeschehen 

Ungeregelter Alltag und fehlende feste Arbeitszeiten? In einem Punkt waren sich alle vier jungen Künstler:innen jedenfalls einig: Es gibt keinen festen Alltag. Jeder Tag wirft neue Aufgaben auf und je nach derzeitigem Projekt wird mal bis mittags oder manchmal auch bis spät in die Nacht gearbeitet. Aber viel getan wird auf jeden Fall und das Bild von angehenden Künstlern:innen, die die ganze Zeit nur faul rumsitzen, stimmt definitiv nicht mit der Realität überein. 

Um die eigene Arbeit auch zu schaffen, ist das Zeitmanagement das Wichtigste und wie die Aufgaben eingeteilt werden. Das fällt nicht immer leicht und häufig braucht es, wie in anderen Studiengängen auch, ein paar Semester, um die Balance zwischen Studium und Freizeit zu finden. Denn in diesem Fall wird das Klischee auch bestätigt: Feste Arbeitszeiten gibt es in einem Kunst- oder Designstudium meistens nicht.  

Keine prototypischen Kunst- oder Designstudenten:innen   

Auf die Frage, wie die vier befragten Muthesianer:innen heutige typische Kunst- und Designstudenten:innen beschreiben würden und welche Merkmale und Eigenschaften auf sie zutreffen, wurde schnell klar, dass es auch hier keine prototypische Person gibt und keine:r der:dem Anderen gleicht. Erzählt wird von einer Studentin aus der Bildhauerei-Klasse: „Es gibt keinen genauen Typ Mensch, der an unserer Kunsthochschule rumläuft. Sondern wir sind alle einfach junge Leute, die sich mit Ästhetik, Formen und Materialität auseinandersetzen und den meisten ist bewusst, dass Kunst auch mit Arbeit verbunden ist.“ Dass die Muthesianer:innen sehr ehrgeizig sein sollen und sich alle mit viel Hingabe ihren Projekten widmen, verdeutlicht, dass ihre täglich konzipierte Arbeit für viele zur Lebensaufgabe geworden und es um mehr als einen später angestrebten Job geht. 

Auch als sehr offen und tolerant wurden ihre Kommiliton:innen von einer Studentin aus dem Kurs Industriedesign beschrieben. Auf die Aussage des Stereotypen, dass Kunst- und Designstudent:innen oftmals als sehr schrill, bunt und extravagant in Bezug auf ihren Klamottenstyle auffallen, antwortet sie: „Ich glaube einfach, dass wir bewusster leben, uns bewusster ausleben und das auch auf unseren Klamottenstyle beziehen. Beim Studium beschäftigst du dich oftmals intensiver mit Themen und bist gezwungen deine Komfortzone zu verlassen oder deinen Blickwinkel zu ändern und durch deinen Style trägst du deine inneren Gedanken auch nach außen und das, ohne zu viel darauf zu geben, was Andere jetzt von dir denken könnten.“ 

Hier spalten sich jedoch die Meinungen der Befragten und nach anderen Aussagen lässt es sich nicht für jede:n Kunst- oder Designstudent:in pauschalisieren. Natürlich gibt es Leute von der Muthesius, deren Klamottenstyle sich mehr als der von anderen abhebt, aber es gibt auch genügend Leute, die dort nur mit Jeans und weißem T-Shirt rumlaufen. 

Und das lässt sich auch übertragen auf das Vorurteil, dass jede:r der Künstler:innen viele Drogen zu sich nehmen soll. Denn auch das trifft nicht auf alle zu und die meisten der vier Muthesianer:innen erwähnten, dass sie glauben, der Drogenkonsum oder das Ausprobieren von Drogen sei nicht mehr oder weniger als in anderen Studiengängen auch. Nur der Umgang mit den Rauschmitteln sei möglicherweise entspannter und über das Thema wird offener geredet.  

Mein:e Dozent:in als Freund:in? 

Eine offene und entspannte Atmosphäre herrscht nicht nur bei den Studierenden untereinander, sondern auch die Beziehung zu den Dozenten:innen ist sehr familiär. Zu der Erwähnung des Klischees, dass dein Dozent oder deine Dozentin auch dein:e Freund:in sei, wurde gesagt, dass es zwar keine Freundschaft sei, aber durchaus ein lockerer Umgang herrscht. 

Neben der Möglichkeit, sich untereinander zu duzen, wird bei Zoom-Sitzungen auch rumgescherzt und jede:r hat die Möglichkeit, bei Fragen oder Problemen das Gespräch mit den Lehrkräften zu suchen. Es bleibt also nicht anonym, wie oft an Universitäten, sondern die Studierenden berichten, dass sich auch Mühe gegeben wird, sicherzustellen, dass jede:r in der Klasse miteinbezogen wird. So sagt ein Designer aus dem Studiengang Industriedesign: „Man kann die Dozent:innen auf WhatsApp anschreiben und sie auch abends um 23 Uhr nochmal anrufen, falls man Probleme mit einem Projekt hat und Hilfe braucht. Dabei merkt man, dass man für sie nicht nur ein Nachname ist und ich denke ohne würde es an der Kunsthochschule nicht funktionieren, denn wir arbeiten häufig emotional und Unterstützung ist dabei sehr wichtig.“ 

Mehr als nur ein Blick aufs Kunstwerk 

Ebenfalls wichtig ist vielen Student:innen der Muthesius Kunsthochschule, mehr Verständnis und Respekt für ihre Arbeit entgegengebracht zu bekommen. Denn oft wird den Künstler:innen als Klischee nachgesagt, das, was sie tun, könnte doch jede:r. Für Außenstehende sind ihre Werke manchmal schwer interpretierbar. 

Den meisten jungen Künstlern:innen geht es jedoch weniger darum, dass jede:r sofort ihre Werke richtig deuten kann, als vielmehr, sich Zeit dafür zu nehmen und mehr als nur einen kurzen Blick auf das gegenüberliegende Objekt zu werfen. Zu sehen, dass Mühe darin steckt, ein Mensch etwas damit ausdrücken möchte und das auch bereit ist mit anderen Leuten zu teilen. Eine Studentin aus der Bildhauerei-Klasse erwähnt dazu: „Kunst soll ja nicht leicht verständlich sein. Du sollst ja nicht ein Kunstwerk angucken, es sofort verstehen und dann weitergehen, sondern man soll sich damit auseinandersetzen und überlegen, was es vielleicht aussagen könnte. Und das ist genau das, was die Kunst ausmacht.“  

Networking für die Zukunft 

Nicht ganz leicht sollen es die Künstler:innen und Designer:innen auch nach dem Studium haben. Neben dem Vorurteil, später arbeitslos zu sein, wird auch häufig betont, dass ohne frühes Networking in der Berufswelt nur schwer Fuß gefasst werden kann. Ein angehender Designer aus der Industriedesign-Klasse berichtet: „Ohne Networking geht gar nichts, es ist super wichtig! Mein Professor hat einmal gesagt, dass wenn du etwas designst, was gut ist, dann sehen das die Leute. Aber das Schwierige ist erst einmal den Menschen zu zeigen, dass du existierst.“ Dem jungen Industriedesigner hat in seinem Studium vor allem geholfen, Kontakte auf Ausstellungen zu knüpfen oder seine Werke auf Instagram zu zeigen und somit auf sich aufmerksam zu machen. 

In Bezug auf die freie Kunst wurde dazu mehrfach von allen berichtet, dass nicht außer Acht gelassen werden darf, in Zukunft auch Geld damit verdienen zu müssen und eine Rente zu haben. Denn in diesem Fall stimmt das Klischee schon, dass die Gefahr besteht, später keinen Job zu finden.  Besonders wichtig soll dafür, neben dem Networking, auch sein, Kompromisse einzugehen und nicht davon auszugehen, genau in der Heimat einen Job zu finden. Denn wer offen für Veränderungen und ein größeres Spektrum ist und seine Nische gefunden hat, der hat gute Chancen, seinen oder ihren Traum als Künstler:in oder Designer:in im Beruf voll und ganz ausleben zu können.  

Am Ende bleibt auf jeden Fall zu sagen, dass jede:re Kunst- und Designstudent:in ein Individuum ist. Gemeinsamkeiten gibt es zwar und auch jeder Stereotyp kommt nicht von irgendwo her – aber ein Klischee bleibt am Ende auch nur ein Klischee.  

Autor*in

Sarah ist 23 Jahre alt und studiert seit dem Wintersemester 2019/20 Geographie an der CAU. Seit Januar 2021 ist sie Teil der ALBRECHT-Redaktion und schreibt für das Ressort Hochschule.

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