„Pünktlich wie die Bundesbahn“ war vor 1994 ein ernst gemeinter Vergleich. Bevor die Deutsche Bundesbahn mit der Deutschen Reichsbahn fusionierte und daraus die Deutsche Bahn AG wurde. Dass mit Pünktlichkeit im selben (Atem-)Zug mit der Deutschen Bahn nicht zu rechnen ist, daran haben wir uns gewöhnt. Sobald in Deutschland die Temperaturen unter Null fallen, und sei es auch nur auf -1 Grad Celsius, scheint bei der Verkehrsgesellschaft gar nichts mehr zu laufen. Außer die Fahrgäste. Es ist Winter, wenn du von der Deutschen Bahn sitzengelassen wirst. Wenn die Anzeigetafeln mit dir um deinen Nachhauseweg  Russisch Roulette spielen und nach der ersten Dezemberwoche dann doch klar wird, dass dahinter ein Algorithmus stecken muss: Zeigt die Anzeigetafel zehn Minuten Verspätung an, verdoppelst du. Zeigt sie an, dass der Zug pünktlich kommt, gehst du und nimmst den Bus. Zeigt sie an, dass der Zug ausfällt, wartest du auf den Zug. Entweder geschieht genau das Gegenteil von dem, was sie dir versprechen oder es wird einfach noch ein bisschen schlimmer als vorhergesagt

Meine Beziehung zur Deutschen Bahn zeichnet sich vor allem durch Dependenz meinerseits und Unzuverlässigkeit ihrerseits aus. Eine richtige Drecksbeziehung. Man mag es kaum glauben, aber selbst mit den ganz elementaren Dingen einer Zugfahrt, wie zum Beispiel dem Aus- und Einsteigen, wird der Fahrgast zwischen Dezember und März nicht mehr bedient. Jedenfalls kann ich das aus eigener Erfahrung berichten, als ich zwischen Kiel und Bordesholm zum Schwarzfahren gezwungen wurde, weil der Zug zwar gehalten, aber die Türen nicht geöffnet hat. Warum kann sowas nicht im Sommer passieren?

In der kalten Jahreszeit solltet ihr euch nicht mal mehr darauf verlassen, dass der Lokführer pünktlich zur Arbeit erscheint. Vor nicht allzu langer Zeit saß ich das letzte Mal in einem Zugabteil der Deutschen Bahn: Als dreißig Minuten nach der wohlbekannten Durchsage „Die Abfahrt dieses Zuges verzögert sich um wenige Minuten“ immer noch keine Bewegung in den Regionalexpress gekommen war, wurde ich inmitten einer Gruppe von sturzbetrunkenen Mittvierzigern langsam richtig wütend. Nicht schon wieder! Die Anzahl an genannten Minuten hatte sich bereits verdoppelt, als die zweite Durchsage ertönte und wir darüber informiert wurden, dass es gar keinen Lokführer für die Fahrt Richtung Neumünster gab. Nach weiteren zehn Minuten Wartezeit auf irgendein Zeichen der Fortbewegung verließ ich in Vorfreude auf den bald abfahrenden Schienenersatzverkehr das Abteil. Ich warf noch einen wehleidigen Blick auf meine betrunkenen Mitwartenden, die nicht das Geringste davon mitbekommen hatten, dass der Zug sich seit über einer Stunde nicht in Gang gesetzt hatte und kehrte der Bahn entschieden den Rücken. Während meines Abgangs quietschte Metall, ein vertrautes Zischen huschte an mir vorbei und der Zug, aus dem ich entnervt gestiegen war, verließ den Kieler Hauptbahnhof. In sieben Minuten würde dieser bei mir zuhause halten, ohne mich, aber immerhin mit Lokführer. Ich wartete mit böser Miene auf den Bus und schwor mir: Nie wieder! Jedenfalls nicht bevor es Sommer oder ich vierzig und sturzbetrunken sein würde. Oder bevor es Sommer und ich sturzbetrunken sein würde. Oder bevor ich sturzbetrunken sein würde.

Autor*in

Maxi ist 20 Jahre alt und studiert Deutsch und Philosophie an der CAU. Sie ist seit dem Wintersemester 2016/17 Redakteurin beim ALBRECHT und schreibt vor allem für die Ressorts Gesellschaft und Hochschule.

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