Wer an einem Dienstagabend oder Sonntagvormittag auf dem Professor-Peters-Platz vorbeischaut, kann ein sonderbares Phänomen beobachten: eine Gruppe von Menschen, die mit PVC-Rohren zwischen den Beinen über den Platz rennen und sich dabei mit Bällen bewerfen. Gegen den ersten Impuls, dieses Verhalten auf eine geistige Verwirrtheit zurückzuführen, stellt sich dann die Erkenntnis ein: Bei dieser Menschengruppe handelt es sich um die Kiel Kelpies, die erste Quidditch-Mannschaft Schleswig-Holsteins.
Eingefleischten Harry Potter-Fans sollte der Begriff bekannt vorkommen, denn der Sport ist an das Quidditch aus den Büchern der britischen Autorin Joanne K. Rowling angelehnt. Allerdings handelt es sich bei den Kiel Kelpies nicht um einen Harry Potter-Fanclub. „Wir wollen Harry Potter nicht nachspielen“, erklärt Trainerin Jul, „im Mittelpunkt steht für uns der Sport“.

Quidditch ist ein Vollkontaktsport, der Elemente aus Handball, Rugby und Völkerball miteinander verbindet. Auf dem Feld stehen sich zwei Teams mit jeweils sieben Personen gegenüber. Jede Person spielt in einer bestimmten Position, die mit verschiedenfarbigen Stirnbändern gekennzeichnet wird. Die Jäger versuchen, mit dem sogenannten Quaffel (einem Volleyball) Punkte zu erzielen, indem dieser durch einen der drei Ringe des gegnerischen Teams geworfen wird. Der Hüter verteidigt die eigenen Ringe vor den Angriffen des Gegners und kann auch zusammen mit den Jägern in den Angriff ziehen. Gestört wird der Spielfluss der gegnerischen Mannschaft dabei von den Treibern, die mit den drei Klatschern (Dodgebälle) diese ab- und bei einem Treffer vom Besen werfen. In der 18. Spielminute kommt der Snitch-Runner als neutrale Person ins Spiel, der ganz in Gelb gekleidet und mit dem Schnatz im Hosenbund über das Feld läuft. Dabei wird er von den Suchern gejagt. Sie versuchen, die Socke mit dem Schnatz aus seinem Hosenbund zu ziehen, um somit das Spiel zu beenden und Punkte für das eigene Team zu ergattern. Es kann vorkommen, dass beim Spiel ein Besen zu Bruch geht und zahlreiche blaue Flecken sind zu erwarten. Um ernsthaften Verletzungen vorzubeugen, muss unter anderem ein Mundschutz getragen werden.

Quidditch ist ein sehr offener und moderner Sport. Es gibt eine Gender-Regelung, nach der in jeder Mannschaft maximal vier Menschen des gleichen Geschlechts auf dem Platz stehen dürfen. „Ich finde es immer gut, wenn man die Geschlechter nicht trennt, sondern in gemischten Teams spielt, die geben sich gegenseitig etwas“, beschreibt Jessica, die seit Sommer letzten Jahres als Jägerin versucht, Tore zu erzielen.

Vor einem Jahr hat Jul zusammen mit Christin die Kiel Kelpies gegründet. Kennengelernt hat Jul den Sport an ihrer damaligen Uni in Freiburg. „Ich habe einen Aushang gesehen, auf dem stand, dass eine Quidditch-Mannschaft neue Mitglieder sucht. Ich bin dann zu einem Training gegangen und habe es ausprobiert.“ Die Jura-Studentin war sofort begeistert und beschloss zusammen mit Harry Potter-Fan Christin in Kiel selbst eine Mannschaft zu gründen. Am 28. Mai 2017 fand das erste Training statt, damals noch zu fünft. Da Jul aus Freiburg Quidditch-Erfahrungen mitbrachte, wurde sie zur Trainerin gewählt. Seitdem hat sich vieles getan. Das Team gestaltete seine eigenen Trikots und wurde Mitglied beim Deutschen Quidditch Bund sowie im Verein FT Adler. Seit Kurzem sind sie auch beim Hochschulsport. „Dadurch sind immer mehr Studierende zu uns gekommen, wir gehen auf die 30 Mitglieder in unserer Mannschaft zu, das freut uns total“, erzählt Jessica begeistert.

Da Jul momentan mitten im Jura-Referendariat steckt, wird die Trainerrolle in einem Trainerstab abgewechselt. Auch gibt es eine Quidditch-Akademie (kurz: QuAk), wo sich Quidditch-Mannschaften aus ganz Deutschland treffen, Ideen austauschen und voneinander lernen. Zurück in Kiel kann das neugewonnene Wissen dann in unterschiedlichen internationalen Meisterschaften erprobt werden. So spielte das Team erst vor kurzen auf einem Turnier in Belgien im Schneesturm. „Am Anfang haben wir bei jedem Wind und Wetter gespielt. Jetzt sind wir vernünftiger geworden und spielen nächsten Winter in einer Halle“, erzählt Jessica. Die Kiel Kelpies sind darüber hinaus noch Teil der Nordliga, in der sie neben ihrem Trainingspartner und Spitzenreiter Hamburg, noch gegen Niedersachsen, Bremen und Mecklenburg-Vorpommern antreten müssen.

Quidditch ist somit nicht nur etwas für Harry Potter-Fans und neue Mitglieder sind immer willkommen. „Das Miteinander im Team ist ganz anders. Zwar spielt man schon noch, um zu gewinnen. Aber dieser Gedanke steht nicht so ausgeprägt im Fokus wie bei anderen etablierten Sportarten, das finde ich richtig toll: Sich ohne Leistungsdruck mit anderen zu treffen, weil man Bock hat, sich zu bewegen“, berichtet Jul.


Titelbild: Jessica Dahlke

Autor*in

Johanna studiert seit dem Wintersemester 2016/17 Deutsch und Soziologie an der CAU. Sie ist seit Oktober 2016 Teil der ALBRECHT-Redaktion. Von Juli 2017 bis Januar 2019 war sie als Ressortleiterin für die Kultur verantwortlich. Sie war von Februar 2019 bis Januar 2022 Chefredakteurin des ALBRECHT.

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