„Time, it goes so fast (when you’re having fun)“ – die Bangles, oder vielmehr Prince, hatten ja so Recht. Zwei Jahre sind vergangen seit ich den Chefposten für den ALBRECHT antrat, zwei Jahre, an die hundert Redaktionssitzungen, fehlende Artikel und dutzende Deadlines, Visionstreffen, Umstrukturierungen, neues Layout, Renovierung, viel Rotstift an meinen Fingern (in Wahrheit waren es meistens schwarzer Kuli und Textmarker) und ein unglaubliches Team, das ich manchmal verflucht, meistens sehr geliebt habe – ein Bruchteil dessen, was hinter den acht Seiten Druckerschwärze, die ihr auf dünnem Papier in den Händen haltet, steckt.

Ich gebe das Boss-Sein nun ab an zwei neue Chefinnen und blicke zurück auf teils turbulente Zeiten. Zweimal kam es vor, dass ich nicht nur allgemeine, sondern explizite Kritik an universitären Einrichtungen und deren Prozedere übte, zweimal bekam ich böse Briefe und Rückmeldung seitens im jeweiligen Institut angestellter Personen. Ich war hin- und hergerissen. Ging ich zu weit? Habe ich Benjamin von Stuckrad-Barre ein bisschen zu lange zugehört und mir einreden lassen, dass es die Pflicht Zwanzigjähriger sei, sich lustig zu machen? Waren meine Glossen zu harsch? War ich vielleicht sogar respektlos, ein Millennial-Klischee aus dem Buche, weil ich nach dem Sinn fragte?

Es ist nicht einfach, sich aufzulehnen, erst recht nicht, wenn noch ein Abschluss vor einem liegt, den man sicherlich nicht durch geübte Kritik potentiell aufs Spiel setzen will.

Ich habe lange darüber nachgedacht und kam zu einer definiten Antwort: Nein. Ich habe ernsthafte Kritik geübt. Und Kritik – das ist das Dilemma – wird nun mal eher weniger gern gehört. Kurz nach den Beschwerden, kam Zuspruch anderer Studierender. Dank dafür, dass ich im ALBRECHT schrieb, was auch sie so sehen und somit Ermutigung für mich, weiterzumachen. Natürlich spreche ich nicht für alle, wenn ich meine Meinung äußere – deswegen ist es Meinung(!). Doch was mir immer unklar blieb, ist warum es Menschen so schwer fällt, Kritik nicht als Chance für einen Dialog und Veränderung zu sehen, sondern lediglich als böse Absicht. Es ist nicht einfach, sich aufzulehnen, erst recht nicht, wenn noch ein Abschluss vor einem liegt, den man sicherlich nicht durch geübte Kritik potentiell aufs Spiel setzen will. Ich glaube aber nicht an Schweigen, Stillsitzen und Hinnehmen. Es gibt an der Universität vielleicht nichts Schlimmeres, als dass alle abnicken, was nur wenige gutheißen. Stéphane Hessel hat mich gelehrt, mich zu empören, denn auf die Fähigkeit zur Empörung folge die zum Engagement. Ich will also in Frage stellen, nicht nur, wenn man mich dazu auffordert, sondern ganz von alleine. Wer lediglich hinnimmt, maximal aufstöhnt, läuft Gefahr dauerhaft passiv zu werden, ein Instrument derer, die dirigieren.

Journalismus kann berichten, informieren, loben, anprangern, aber ganz besonders auch anregen. Und genau darum ging es mir in meinem Chefposten sehr vehement. Was bewegt uns an unserer Universität, in unserer Stadt, in unserem Land und in unseren Leben? Was ist wichtig für uns? Worüber denken wir nach? Zu viel? Zu wenig? Mehr Bestandsanalysen dessen, was ist und was werden könnte, mehr Vision – nur so entsteht Veränderung. Vor ihr kann man Angst haben – oder sie hinnehmen und gestalten.

Was mir also zum Ende zu sagen bleibt, ist zum einen Dank und zum anderen Ermutigung. Dank an euch Leserinnen und Leser, die ihr uns unbezahlt beschäftigt und uns Freude macht, mit jedem Mal, dass wir euch den ALBRECHT in der Hand haltend in der Mensa sitzen sehen; großer Dank an die Redaktion des ALBRECHT, ohne die es diese Zeitung gar nicht gäbe – ihr seid mir in dieser Stadt mit die Liebsten geworden; sowie Dankbarkeit für und Bewusstsein über die Pressefreiheit und das Privileg, frei und unverfolgt Meinung äußern zu können. Ermutigung für die neue Chefredaktion, die Redaktion sowie alle, die das hier lesen: Steht ein für das, was ihr für gut und richtig haltet, übt Kritik, empört euch, auch wenn die Antworten unangenehm sind. Es kann keinen Konsens geben, wo nie ein Dialog entsteht, kein Weiterentwickeln stattfinden, wo Einseitigkeit regiert.

Demnach wünsche ich dem ALBRECHT, dass all seine Redakteurinnen und Redakteure, Leserinnen und Leser, Kritikerinnen und Kritiker, weitermachen mit dem Schreiben, Lesen und Kritisieren. Für mich war es genau deswegen eine Zeit, in der ich unfassbar viel gelernt habe und die ich gerade wegen der Herausforderungen nicht missen möchte.

Ich wünsche den neuen Chefredakteurinnen von Herzen alles Gute und verbleibe mit Wehmut in der Seele. Möge der ALBRECHT auch noch den nächsten schreibwütigen Millennials ein Zuhause geben und weitere Menschen prägen, wie er mich geprägt hat.

Autor*in

Leona ist seit Juni 2014 Teil der Redaktion und war von Dezember 2014 bis Februar 2017 Chefredakteurin der Print-Ausgabe des ALBRECHT. Anschließend leitete sie die Online-Redaktion bis Mitte 2018. Leona studiert Englisch und Französisch an der CAU, schreibt für verschiedene Ressorts der Zeitung und kritisiert Land, Leute, Uni und den Status Quo ebenso gerne wie Platten.

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