Für einen wahren Cineasten spielen die Jahreszeiten selbstverständlich keine Rolle. Ob Sommerblockbuster oder das Filmfestival im Winter, die Filme werden geschaut, wie sie ins Kino kommen. Dennoch existieren diese kalten, düsteren Monate, die eigentlich dafür prädestiniert sind, um ein Kino zu besuchen. Nie hat diese Aussage vermutlich mehr Sinn ergeben, als in Verbindung mit einer Vorführung vom FahrradKinoKombinat.

In der Reihe Cinéma, Mon Amour stelle ich Kieler Kinos sowie die Menschen dahinter vor. Für den dritten Teil (Teil 1 – Das Kommunale Kino in der Pumpe; Teil 2 – Das Traum-Kino) habe ich die Werkstätten der ehemaligen Muthesius Kunsthochschule (kurz Alte Mu) besucht, in denen unter anderem das FahrradKinoKombinat zuhause ist.

Im Sommer 2013 haben sich sechs Studierende aus unterschiedlichen Fachbereichen zusammengesetzt und das FahrradKinoKombinat gegründet. Sie war eines der frühen Projekte, das in der Alten Mu realisiert wurde. Im darauf folgenden Jahr fand die erste Vorstellung statt, damit ist es das jüngste Kino der Stadt.

Das Konzept des FahrradKinoKombinats steht unter dem Motto Nachhaltigkeit. Damit der Film beginnt und weiterläuft, müssen parallel mindestens sechs Waschmaschinenmotoren über das Hinterrad eines Fahrrads angetrieben werden. Mit der daraus erzeugten Energie wird eine Batterie gespeist, die über einen Transformator den Beamer mit Strom versorgt. Wird zu schwach in die Pedalen getreten, wechselt eine zwischengeschaltete Ampel von grün auf rot und warnt damit vor einem niedrigen Batteriestand. Vor dem Film erhält das Publikum eine kurze Einweisung, fast wie im Flugzeug. Die Ausgänge befinden sich zur Linken sowie dort hinten zu Eurer Rechten. Achtet auf die Ampelschaltung am Fahrrad. Möchte eine auf dem Fahrrad sitzende Person abgelöst werden, betätigt diese die am Lenker montierte Klingel oder Hupe, damit jemand neues aus dem Publikum in die Pedale tritt. Eine Nebenwirkung bei dieser Form der Energiegenerierung stellt die Geräuschentwicklung dar. Ein permanentes Surren, erzeugt durch die Gummireifen und Motoren, begleitet den Film. Dafür bestehen die Fahrräder sowie die Motoren ausschließlich aus gebrauchten Teilen, die die Gruppe selbst montiert. Trimmräder würden die Arbeit und Anwendung auf mehrerlei Ebenen erleichtern, jedoch würde dies konträr zum gedachten Konzept laufen. Darüber hinaus haben viele der dort vorgeführten Filme einen Bezug zu vergleichbaren regionalen sowie internationalen Projekten. Neben den regulären Filmabenden lädt das FahrradKinoKombinat häufig Gäste in die Werkstatt ein. In diesen Fällen wird das audiovisuelle Medium mit einem Konzert, Workshop oder Vortrag kombiniert.

Der Eintritt ist kostenfrei, denn das Team arbeitet ehrenamtlich. Seit der Gründung ist die Gruppe von sechs auf acht ‚feste‘ Mitglieder und einige Helfern*innen angewachsen. Zu den unregelmäßig stattfinden Vorstellungen laden sie über einen E-Mail-Newsletter, dessen Einschreibliste vor Ort aushängt, sowie facebook ein. Es existiert kein Wochen- oder Monatsprogramm im klassischen Sinne. Vielleicht macht das die Veranstaltung unter anderem so besonders.

Die knapp 40 Sitzplätze in der ehemaligen Metallwerkstatt der Alten Mu sind jedenfalls nahezu besetzt, denn der Film beginnt gleich. Da im Innenhof Besucher*innen rauchen und andere für frisches Popcorn oder ein Getränk anstehen, täuscht es darüber hinweg, dass vereinzelte Stühle frei erscheinen. Nur auf den Fahrradsatteln hat bisher niemand Platz genommen. Das Ambiente des Raums mit der hohen Decke erinnert an eine große WG-Küche. Von der ursprünglichen Werkstatt ist nur noch wenig vorhanden. Die lädierten Bodenfliesen lassen die Arbeit mit schweren Geräten erahnen, darüber hinaus hängen die Steckdosenboxen noch von der Decke. Heute Abend werden sie genutzt, um den Raum mit Lichterketten zu erhellen. Ursprünglich war der Raum nicht dafür konzipiert, ‚gemütlich‘ zu sein, sondern funktional. Gerade diese konsequente Komposition von heterogenen Objekten macht den Ort charmant. Das Bild des Beamers wird an eine weiß übergestrichene, ungefähr sieben Quadratmeter große Fläche projiziert. Fortgeführt wird der WG-Küchen-Look vom unterschiedlichen Mobiliar, welches im Halbkreis gegenüber dem bewegten Bild drapiert steht. Vom Sofa über den Schaukel- bis hin zum Küchenstuhl ist alles vertreten. Abgerundet wird ein gemütlicher Winterabend im FahrradKinoKombinat durch Kerzenschein, bunte Stoffgirlanden sowie Selbstgemachtes für das leibliche Wohl.

Im Moment arbeitet die Gruppe daran, einen effizienteren Generator zu verbauen, sie wollen die Waschmaschinenmotoren gegen Lichtmaschinen aus Kraftfahrzeugen tauschen. Sollte es funktionieren, ist für den Januar eine Wiedereröffnung mit neuer Technik geplant. Interessierte, engagierte Leute sind beim FahrradKinoKombinat jederzeit willkommen, besonders wenn diese darüber hinaus über Kenntnisse im  Bereich Ingenieurswesen verfügen.


Bildquellen: FahrradKinoKombinat, Marc Asmuß

 

 

Autor*in

Marc studierte Politik, Soziologie und Medienwissenschaft in Kiel. Für den ALBRECHT schreibt er seit 2015 insbesondere für das Kulturressort und dessen Filmsparte KinoKatze.

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