Ein Kommentar

Darüber scheinen sich die Angeklagten und der klagende Supermarkt Tegut in Hessen jedenfalls einig zu sein. Andernfalls hätten die drei Agrar- Studenten wohl die Finger von den Containern des besagten Supermarkts gelassen, der ironischerweise auf seiner Internetseite für Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein wirbt – und nun Anklage wegen Einbruchdiebstahls erhoben hat.

Ein paar Laibe hartes Brot, abgelaufene Joghurts, überreifes Gemüse. Für wahlweise nur 4 500 Euro oder drei Monate Haft. Dieses Angebot gilt anscheinend ab sofort in allen teilnehmenden Supermärkten. Was in den meisten Privathaushalten im Abfall landet, war drei Studenten der ökologischen Landwirtschaft in Witzenhausen letzten Sommer noch einen Griff in die Container der Supermarktkette Tegut wert. Diese versucht sich zwar als Supermarkt der Nachhaltigkeit zu profilieren, hat aber trotzdem Anzeige gegen die Studenten erstattet.

Oder nicht? Nach einem gehörigen Shitstorm auf der Facebook-Seite von Tegut, wo sonst mit Hashtags wie #nachhaltigkeit um sich geworfen wird, hieß es seitens des Unternehmens, man habe keine Anzeige erhoben. Beruhigt hat das die Gemüter nicht, da man kein Detektiv sein muss, um zu sehen, dass außer Tegut oder Oskar aus der Mülltonne niemand diese Anzeige gestellt haben kann. Also, natürlich, wurde auch von dieser Stellungnahme wieder Abstand genommen. Aus Versehen sei es zu der Strafanzeige gekommen. Kann passieren!

So lächerlich dieser Fall daherkommt, so klare Einblicke gibt er auch darin, wie verzahnt sich die Verantwortung zwischen Rechtslage und Gesellschaft aufteilt, was Containern betrifft. Lebensmittel, die bald ablaufen oder bereits abgelaufen sind, kauft keiner. Dass der Markt sie daher aus dem Sortiment nimmt, ist nicht weiter verwerflich, sondern logisch. Nebenbei: Der Verkauf von Produkten mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum ist erlaubt, sofern der Verkäufer sich vergewissert hat, dass das Produkt noch einwandfrei ist. Es ist also eher der Konsumneigung der Abnehmer zuzuschreiben, dass so viel auf dem Müll landet, die Rechtslage gibt einem weniger verschwenderischen Umgang mit Lebensmitteln Raum.

Nun landen die Lebensmittel zum Teil bei Tafeln, in Refood- Tonnen oder aber im normalen Abfall. Wie man die Verwertung essbarer Lebensmittel zur Energiegewinnung, wie es bei den Refood-Tonnen gehandhabt wird, bewertet, ist jedem selbst überlassen.

Gilt ab sofort bei allen teilnehmenden Supermarkthinterhöfen. Foto: sporkist / flickr.com
Gilt ab sofort bei allen teilnehmenden Supermarkthinterhöfen. Foto: sporkist / flickr.com

Wenn nun Menschen entgegen dieser vom Hygienewahn geleiteten und zur Wegwerfgesellschaft führenden, ausgearteten Konsumneigung Lebensmittel aus dem Abfall entwenden und verzehren, hat das für den Markt höchstens die Konsequenz, dass ihm diese Menschen als zahlende Abnehmer derselben Lebensmittel verloren gehen. Solange man kein angereichertes Uran in seine Refood-Tonnen schmeißt, muss man nicht damit rechnen und schon gar nicht dafür haften, dass Dritte durch Verzehr des Inhalts über gesundheitliche Beschwerden klagen. Außerdem hat der Anbieter auch nicht die Entwendung seines Eigentums zu beanstanden. Sein Abfall ist zwar sein Besitz, das ist richtig. Allerdings fußt dieser auf dem Umweltrecht und dient der Regelung von Erzeuger- und Entsorgerpflichten. Mein Abfall ist also mein Eigentum, damit ich – und nicht die Müllabfuhr – beispielsweise dafür hafte, falls ich den Deckel auflasse und der Müll durch Kiel fliegt. Eine Strafanzeige wegen Diebstahls stellt hier sogar einen unzulässigen Rechtsmissbrauch dar.

Warum mussten die drei Studenten nun also vor Gericht? Der Abfallerzeuger, in diesem Falle der Markt, kann zwar in der Regel kein ernsthaftes Interesse an seinem Abfall haben und somit keinen Diebstahl zur Anklage bringen, allerdings kann er einen Zaun oder eine Mauer um seine Mülltonnen ziehen. Damit hat sich die Notwendigkeit des Interesses erledigt und es geht, wie im Witzenhäuser Prozess, um Einbruchdiebstahl sobald sich jemand am Abfall vergreift. Hier finde ich, muss man die Rechtslage in Schutz nehmen. Wenn man eine Mauer um sein Grundstück zieht, muss man entweder sie so bauen dürfen, dass das Überqueren unmöglich wird – dies ist zum Glück nicht der Fall – oder aber sich darauf verlassen können, dass man das Überqueren wenigstens zur Anzeige bringen kann. Generell.

Dass dieser vermeintlich grüne Supermarkt von diesem Recht Gebrauch gemacht hat, mag vielleicht keinen Rechtsmissbrauch darstellen, ist meiner Meinung nach aber trotzdem daneben. Jedoch ist es folgerichtig, wenn man im ersten Schritt einen Zaun um Abfall baut, da man dessen Diebstahl sonst aufgrund mangelnden Interesses nicht zur Anklage bringen kann. Das Interesse des Supermarkts besteht natürlich darin, Menschen mit diesem Zaun am Containern zu hindern, um sie als Kunden zu behalten. Generell nachvollziehbar. In diesem Fall stinkt meiner Nase nach die Heuchlerei jedoch mit jeder Mülltonne um die Wette. Übrigens weiß ich nicht, wie viele Zentimeter so ein Zaun hoch sein muss – also das nächste Mal besser Augen auf.

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