Ein Deutscher im Alter zwischen 14 und 30 verbringt durchschnittlich etwa 3,2 Stunden pro Tag im Internet. Hochgerechnet wandelt er oder sie also in diesem Zeitraum bereits über zwei Jahre auf den unergründlichen Pfaden des Cyber- Dschungels, unter digitalen Datenwolken und über virtuelle Marktplätze.

Besonders in den Datenwolken – Clouds – scheint sich enormes Potential zu verbergen: Weg vom eigenbrötlerischem Allwissenden und hin zur universalen Schwarmintelligenz. Damit ist jegliches Wissen stets und überall verfügbar. Was heutzutage gelernt werden muss, ist vielmehr wie man an das, was man wissen möchte, herankommt.

Selbst am uralten Gerüst der Universität, unserer Alma Mater, wird jetzt gerüttelt: Ein neues Konzept des Studierens hat die Lehre erreicht. Es heißt MOOC, Massiv open online course, und macht den schon etwas in die Jahre gekommenen Vorlesungen mächtig Konkurrenz. Hierbei handelt es sich um rein virtuell abgehandelte Kurse, meist im Videoformat, deren Nutzer sich per Mail oder Facebook registrieren und damit gleichzeitig eingeschrieben haben. Die meisten dieser Lehrgänge sind sowohl kosten- als auch zulassungsfrei und reißen somit sämtliche NC-Barrieren ein – zählt ab jetzt der ‚Numerus Cloudsus‘?

Die Kurse dauern unterschiedlich lang, meistens gibt es ein Video und eine Aufgabe pro Woche, Arbeitsaufwand zirka. zwei bis fünf Stunden. Am Ende steht oft eine Klausur, für einige der Kurse gibt es sogar ECTS-Punkte. Keiner muss, alle können, so ist die Idee der Online Kurse, denn es ist nicht schlimm, wenn ein Kurs mal nicht zu Ende gebracht wird – Exmatrikulation gibt es nicht, man muss nicht einmal an einer echten Uni studieren. Alles was gebraucht wird, sind PC, Internet und Strom. Raum und Zeit sind gänzlich aufgehoben. So einfach lassen sich nun Vorlesungen parallel auf der ganzen Welt besuchen, ohne einen Schritt vor die Tür setzen zu müssen.

Was das mit Kiel zu tun hat? Ein ganze Menge. Den diesjährigen MOOC-Wettbewerb, ausgeschrieben vom Berliner Startup namens iversity, hat nämlich die School of Sustainability an der CAU Kiel gewonnen. Das Projekt heißt Changeprojekt planen – Nachhaltige Entwicklung durch Social Entrepreneurship und lehrt, wie aus guten Ideen „Projekte, die die Welt verändern“ entwickelt werden können. Gemäß dem Prinzip des ‚Social Reporting Standards‘ (Richtlinien zur Berichterstattung im sozialen und im non-profit Bereich) sollen Ansätze vermittelt werden, wie aus einem anfänglichen Hirngespinst über präzisere Planung, anschließender Umfeld- und Bedarfsanalyse, Zeitund Kostenermittlung sowie Öffentlichkeitsarbeit ein nachhaltig entwickeltes Projekt entsteht. Der Kurs erfolgt ebenfalls in Form von Kurzvideos, die allerdings keine abgefilmten Vorlesungen, sondern vielmehr Gespräche zwischen Lernenden und DozentInnen sind, in denen die nutzbaren Inhalte erklärt werden. Zusätzlich wird es ein Wiki geben, in dem Wissen präsentiert und ausgetauscht werden kann.

Doch auch anderswo entstehen Kurse, die einen Besuch wert sind. Unter ihnen befinden sich zum Beispiel ‚Design 101‘, ein Lehrgang über zeitgenössisches Design der Abadir Fine Arts University in Catania, Italien. ‚DNA – from Structure to Therapy‘, eine Reise vom molekularen Aufbau der DNA bis zur neuesten Technologie für Therapien, geleitet von Professoren der Uni Bremen. Von der Heidelberger Hochschule gibt es einen Doppel- MOOC von zwei Professoren zu „Mathematischen Denk- und Arbeitsweisen in Geometrie und Arithmetik“. Aus dem Hause Potsdam stammt ein bilinguales Seminar zum Thema „The Future of Storytelling“, dessen Teilnehmer lernen, wie fiktionale Geschichten in sämtlichen Formen und Farben entstehen und selbst verfasst werden können. Und das ist erst der Anfang.

Die MOOCs sind ein gigantisches Projekt, welches die Lehre revolutioniert, neben dem die klassische Vorlesung fast obsolet wirkt. Aber noch kann den echten ‚face-to-face‘ Austausch in der realen Welt nichts ersetzen. Mal sehen, was noch kommt. Keep it real…

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