Wolfgang Herrndorf, der mit seinem Bildungsroman Tschick deutschlandweit bekannt wurde, nahm sich im August 2013 das Leben. 2010 war er an einem bösartigen Hirntumor erkrankt und begann daraufhin seine letzten Lebensjahre als Blog unter dem Titel Arbeit und Struktur zu dokumentieren. Nun liegt dieses Online-Tagebuch in Druckform vor.

Herrndorf beginnt sein Tagebuch mit einem Rückblick. Er beschreibt darin seine erste Erinnerung an diese Welt, und wünscht sich Stillstand, dass der Moment ewig sein möge. Er lässt uns teilhaben an seinen letzten Lebensjahren, den Therapien und dem Alltag mit dem wachsenden Glioblastom im Kopf. Es ist jedoch der nahende Todesgedanke, der Herrndorfs Worte in Arbeit und Struktur begleitet und sein Tun in den letzten Monaten wesentlich beeinflusst. Bereits zwei Monate nach der Diagnose schreibt er von einer „Exitstrategie“: Schon früh stand für Herrndorf fest, dass nicht der Tumor sein Leben beenden soll, sondern dass er seinen Tod selbst handhaben möchte. In der aktuellen Debatte um die gesetzliche Regelung der Sterbehilfe ist dies besonders interessant. Ist es nötig, dass ein Mensch sich um eine kurze und möglichst schmerzlose Methode Gedanken machen muss, um den langsamen und qualvollen Tod zu vermeiden? Wie sinnvoll ist ein Verbot der passiven oder gar aktiven Sterbehilfe?

Mit seinen Worten erzeugt Herrndorf nicht Angst vor dem Tod, das Gegenteil ist der Fall. Nach einem Gespräch mit einem Unbekannten, der ebenfalls an einem Hirntumor leidet und seitdem seine verbleibende Zeit in Arbeit investiert, beschließt Herrndorf Selbiges zu tun. So entsteht das Motto ‚Arbeit und Struktur‘, unter dem Herrndorf seine erfolgreichsten Werke hervorbringt, die Romane Tschick und Sand.

Nüchtern und oft zynisch beschreibt Herrndorf Gedankengänge, die unter die Haut gehen. Wie beispielsweise nach dem Erfolg von Tschick: „25 Jahre am Existenzminimum rumgekrebst und gehofft, einmal eine 2-Zimmer-Wohnung mit Ausblick zu haben. Jetzt könnte ich sechsstellige Summen verdienen, und es gibt nichts, was mir egaler wäre.“

Wolfgang Herrndorf nahm sich das Leben. Was bleibt, ist sein Werk, das größtenteils erst in der schweren Krankheit entstand, und mit Arbeit und Struktur ein einzigartiges Dokument über Leben und Tod. Ein Werk, an dass man sich noch in vielen Jahren erinnern wird.

„Bilanz eines Jahres: Hirn-OP, zweimal Klapse, Strahlen, Termodal. 1 ¾ Romane, erster großer Urlaub, viele Freunde, viel geschwommen, kaum gelesen. Ein Jahr in der Hölle, aber auch ein tolles Jahr. Im Schnitt kaum glücklicher oder unglücklicher als vor der Diagnose, nur die Ausschläge nach beiden Seiten größer. Insgesamt vielleicht sogar ein bisschen glücklicher als früher, weil ich so lebe, wie ich immer hätte leben sollen. Und es nie getan habe, außer vielleicht als Kind.“

roBerlin_SU_Herrndorf_HK_f_Mattfolie.inddAutor: Wolfgang Herrndorf
Titel: Arbeit und Struktur
Verlag: Rowohlt
Preis: 19,95€ (Hardcover)

Als Blog unter: http://www.wolfgang-herrndorf.de/

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