Betrachten wir die düsteren Prognosen für die Zukunft unserer Lebenswelt, so ist der Griff nach etwas Hochprozentigem für die Nerven nicht fern. Mit einem CO2 Wert von 400 ppm (parts per million) liegt der seit kurzem überschrittene Grenzwert, ab dem es, so die aktuellen Forschungsberichte, kein Zurück mehr gibt. Im gesamten Jahr 2016 hat der CO2 Spiegel in der Atmosphäre diese Kennziffer nicht unterschritten, obwohl Frühjahr und Sommer durch ihr Pflanzenwachstum und eine damit verbundene höhere CO2-Aufnahme üblicherweise entlastend wirken. „Globale Kohlendioxid-Werte überschreiten rote Linie“, meldete der österreichische Standard am 1. Oktober. Ralph Keeling, Professor am Scripps Institution of Oceanography der University of California, San Diego, hält es für ausgeschlossen, dass der Wert von 400 ppm im Laufe des Jahres unterschritten wird. Dies bemerkt er in einem Blogeintrag vom 23. September dieses Jahres. Doch was heißt das eigentlich? Was bedeutet es für unser Leben auf diesem Planeten, dass die CO2-Konzentration in der Atmosphäre nun also bei 0,04 Prozent liegt?

Dadurch, dass die Erde aus mehreren Klimazonen besteht und diese einem Jahreszeitenwechsel unterworfen sind, wächst und schrumpft der Bestand an CO2-absorbierenden Pflanzen und damit die CO2-Konzentration der Luft im Laufe eines Jahres. Dieser Effekt ist durch die ungleiche Verteilung von Landmasse zwischen Nord- und Südhalbkugel, welche gleichbedeutend mit einem Ungleichgewicht an Pflanzen ist, verstärkt. Der weitere Nachweis, dass die Menschheit direkten Einfluss auf die CO2-Werte hat, erbrachte Keelings Vater, Charles David Keeling 1958 mithilfe der nach ihm benannten Keeling-Kurve, die den CO2-Spiegel graphisch darstellt. In den vergangenen 58 Jahren weist die Kurve dabei eine stete Steigung auf, von 325 ppm CO2 bis zum momentanen Höchstwert um 400 ppm CO2. Der amerikanische Physiker Charles Kennel lobte Keelings wissenschaftliche Leistung im Jahre 2005 als „wichtigste[n] Datensatz des zwanzigsten Jahrhunderts im Hinblick auf Umweltbelastungen“. Kohlenstoffdioxid ist das Treibhausgas, dessen Konzentration unmittelbar von Menschenhand geändert werden kann, sein Anteil am Treibhauseffekt beträgt bei klarem Himmel 26 Prozent. Wasserdampf trägt mit 60 Prozent in höherem Maße zur Erderwärmung bei, ist jedoch aufgrund der physikalischen Eigenschaften von Wasser direkt von der globalen Durchschnittstemperatur abhängig, somit praktisch unveränderlich.

Die Forschung geht aktuell davon aus, dass eine Veränderung des Kohlenstoffdioxidanteils von 280 ppm, dem vorindustriellen Wert, zu einem künftigen Wert von 560 ppm eine Temperaturveränderung von drei Grad Celsius bewirken würde; für den menschlichen Organismus wäre das ein Unterschied von Normaltemperatur zu Fieber, für Gletscher und Packeis mitunter die Differenz von fest zu flüssig. Je höher der CO2-Gehalt in der Atmosphäre ist, desto mehr Infrarotstrahlung kann nicht entweichen und heizt so die Erde auf.

Früher war mehr Schnee, auch hier in Alaska (Quelle: Wikimedia Commons, Awing88 )
Früher war mehr Schnee, auch hier in Alaska (Quelle: Wikimedia Commons, Awing88 )

Klimaschwankungen sind natürlich, das kann die Wissenschaft belegen. Besonders zu nennen ist hier der Franzose Claude Lorius, mit ihm kommen wir auch zurück zum Hochprozentigen: „Als ich beobachtete, wie sie zerplatzten, als ein Eisstück in einem Glas Whisky zerschmolz, hatte ich plötzlich die Eingebung, dass diese Luftbläschen einzigartige und zuverlässige Zeugnisse für die Zusammensetzung der Luft darstellen. In den darauffolgenden Jahren haben wir das bewiesen.“ So äußerte er sich anlässlich der Beobachtung von Eiskernen, die er vor allem in der Antarktis aus dem Boden bohrte. Er sollte mit seiner Vermutung recht haben. Die von ihm und anderen gesammelten Daten geben Aufschluss über die Konzentration verschiedener Gase in der Luft durch die Zeiten hindurch. Eine Bohrung an einer polaren Forschungsstation erlaubt es, 400 000 Jahre zurückzublicken. Der CO2-Wert übersteigt in allen Daten aus mehreren hunderttausend Jahren nie 300 ppm. Wie Scientific American im Sommer dieses Jahres berichtete, haben mittlerweile auch Messungen in der Antarktis den Wert von 400 ppm erreicht. Der Südpol ist der abgelegenste Ort unseres Planeten, doch auch hier wird der Einfluss unserer industriellen Gesellschaft deutlich.

Auf der Webseite Ice and Sky, die sich mit Claude Lorius‘ Leben für die Forschung, seinen Erkenntnissen und ihren Implikationen befasst, finden sich viele Daten zu diesem Thema, unter anderem auch mehrere Videos, in denen der Glaziologe selbst zu Wort kommt. Lorius merkt darin an, dass er am Südpol Spuren von Atomwaffentests fand, die weit nördlich auf der anderen Erdhalbkugel stattfanden. Diese Entdeckungen brachten ihn zum weiterführenden Gedanken, dass jedwede Handlung globale Konsequenzen hat, eine Art abstrakte Darstellung des oft wie ad absurdum geführt wirkenden Schmetterlingseffektes. Durch rücksichtsloses Verhalten ist das fragile System, das unser Leben ermöglicht, aus dem Gleichgewicht gebracht worden.

Diese These wird weltweit von den meisten Wissenschaftlern vertreten, einige wenige stehen jedoch dagegen. Sie sehen in den Belegen gefälschte Daten und meinen, hinter den Erkenntnissen zum Klimawandel eine Verschwörung zu wittern. Befragungen ergaben, dass 54 Prozent des US-amerikanischen Wahlvolks die Effekte des Klimawandels beziehungsweise seine Existenz als solche für medial überhöht halten. Eine Studie von 2009 ergab, dass Datenfälschung, die den Klimawandel mit Belegen unterfüttern soll, von 59 Prozent der Befragten für „immerhin ein wenig wahrscheinlich“ und von 35 Prozent für „sehr wahrscheinlich“ gehalten wird. Die amerikanische Newsweek konstatierte 2006, dass die Akzeptanz des Klimawandels als wissenschaftliche Tatsache in Japan und der EU so gut wie universal gegeben ist, jedoch nur jeder dritte Amerikaner dem zustimmt. Dementsprechend zögerlich ist auch die amerikanische Politik, wenn es um den Klimawandel geht. Wie die amerikanische Ausgabe des Guardian berichtete, wäre Donald Trump als US-Präsident der einzige Staatschef weltweit, der der Wissenschaft in Bezug auf die Klimaforschung ihre Gültigkeit abspricht – Kim Jong-un und Baschar al-Assad akzeptieren sie übrigens.

Betrachtet man die Vereinigten Staaten, ein Land in dem jeder Bürger – ob Greis oder Säugling – statistisch gesehen rund 0,7 Autos besitzt und ihre allgemeine Skepsis der Ernsthaftigkeit der Lage gegenüber, so wirkt die Abhängigkeit eben dieser 324 Millionen Menschen von fossilen Brennstoffen schlechterdings wie Hohn des Schicksals. 400 ppm sind der sprichwörtliche Rubikon, es gibt kein Zurück mehr.

Titelbildquelle: Gerhard Mester

 

Autor*in

Paul war seit Ende 2012 Teil der Redaktion. Neben der Gestaltung des Layouts schrieb Paul gerne Kommentare und ließ die Weltöffentlichkeit an seiner Meinung teilhaben. In seiner Freizeit studierte Paul Deutsch und Anglistik an der CAU.

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