Bei den deutschen Hochschulmeisterschaften im Wellenreiten sind alle auf einer Wellenlänge

Schließt man die Augen, so spürt man die wärmende Sonne intensiv auf seinem Gesicht, der belebende Duft der Pinienbäume steigt in die Nase und mit jedem Aufschlag einer Welle, die sich brechend den Weg zum Strand bahnt, schlägt das Herz höher. Der Adrenalinspiegel steigt, man öffnet die Augen und möchte nur noch eines: raus ins Wasser und das Element mit allen Sinnen spüren.

Die Kunst des Longboarden als Ausdruck des "Genusssurfens" Foto: Martin Ried
Die Kunst des Longboarden als Ausdruck des „Genusssurfens“ Foto: Martin Ried

Ungefähr so durften sich die knapp 170 deutschen Studierenden in der letzten Woche im kleinen französischen Ort Seignosse gefühlt haben. Dort fanden zum elften Mal die deutschen Hochschulmeisterschaften im Wellenreiten statt, um den besten deutschen Surfer unter den Studenten zu küren. Organisiert und durchgeführt wird das Event jedes Jahr vom Sportveranstalter Wavetours mit Sitz in Darmstadt. In den Klassen Open, Open Woman, Longboard und Longboard Woman konnten Mädels und Jungs mit gewagten Manövern ihr Geschick fürs Wellenretten bei anspruchsvollen Bedingungen unter Beweis stellen. Eine professionelle Jury, in diesem Jahr auch zum ersten Mal durch den deutschen Wellenreitverband unterstützt, bewertet dabei nach internationalen Regeln den Wellenritt nach der Anzahl und Radikalität der Manöver.

„Surfen verbindet alles, was ich liebe.“

Hinter dem Begriff der deutschen Hochschulmeisterschaften verbirgt sich allerdings kein offizieller Contest des allgemeinen Deutschen Hochschulverbandes (adh), auch wenn der Name der Veranstaltung ‚adh – Open‘ anderes vermuten lässt. Vielmehr ist es eine hochschulübergreifende offene Meisterschaft zwischen deutschen Studenten, die nichts anderes als eine gültige Studienbescheinigung einer deutschen Universität vorweisen müssen. Surfen können ist somit keine Teilnahmebedingung, doch ein Platz im Finale oder gar auf dem Siegertreppchen scheint ohne Vorerfahrung entsprechend unwahrscheinlich. Da jedoch für die meisten der Spaß an der Veranstaltung das oberste Ziel ist, waren wie in jedem Jahr auch diesmal viele Anfänger am Start. Allerdings müssen diese besonders vorsichtig sein. „Der Atlantik ist ein ernst zu nehmender Gegner“ betont Pressesprecherin Karoline Fohlinde. Man sollte sich also im Vorfeld gut überlegen, ob man sich mit einem langen Ungetüm namens Surfboard großen Wellen, schäumendem Wasser und so manchem ungewollten Tauchgang freiwillig aussetzten möchte. Auch für einen deutschen Touristen wurde der Atlantik in diesem Jahr zur lebensgefährlichen Bedrohung, als dieser in den Wellen die Kontrolle und bald auch die Kraft zum Schwimmen verlor. Zum Glück war ein Teilnehmer zur Stelle und konnte ihn mit Hilfe seines Surfboards sicher zum Strand bringen.

170 deutsche Student/Innen kämpften um den besten Wellenritt
170 deutsche StudentInnen kämpften um den besten Wellenritt.

Da es sich nicht um eine offizielle Veranstaltung des adh handelt, ist auch die Unterstützung, die jeder Teilnehmer von seiner Universität erhält, sehr unterschiedlich. Die sonst üblichen Freistellungen von Seminaren oder Vorlesungen ist beispielsweise nicht bei allen gegeben. Die CAU hält sich hierbei zurück und zahlt lediglich die Startgebühr. Das konnte jedoch vier engagierte Surfer nicht davon abhalten, die knapp 2000km an die französische Atlantikküste zurückzulegen. Mit dem zwölften Platz in der Klasse Open war Ole Lietz der beste von ihnen in diesem Jahr. Der Lehramtsstudent hat schon in Jugendjahren Meer und Wellen lieben gelernt und ist in diesem Jahr bereits zum sechsten Mal dabei. Angetreten ist er gleich in beiden Klassen, denn Wellenreiten mit dem Shortboard ist zwar aufregend, doch dem Longboarden gehört sein Herz. „Ich liebe die Ästhetik, die beim Longboarden zum Ausdruck kommt. Für mich ist es reines Genusssurfen!“ schwärmt er. Doch natürlich haben auch Geschwindigkeit und Manövergeschick beim Surfen mit einem kürzeren Board ihren Reiz.

„Ich liebe die Ästhetik, die beim Longboarden zum Ausdruck kommt.“

Ähnlich sieht das auch Vincent Scholz. Im realen Leben studiert er an der Universität Duisburg-Essen, doch hier in Frankreich lebt er seine Leidenschaft. „Surfen verbindet alles, was ich liebe.“ sagt er. Er ist in diesem Jahr zum zweiten Mal dabei und erhält von seiner Universität Startgeld, Fahrtkosten sowie ein Zuschuss je nach Platzierung. Den ersten Platz in der Klasse Open hat Vincent nur knapp verpasst und musste die Siegerkrone sowie das damit verbundene Preisgeld in Höhe von 700 Euro Alexander Tesch von der Uni Hamburg überlassen. Doch Vincent hat der Ehrgeiz gepackt. Im nächsten Jahr kommt er wieder und möchte dann auf jeden Fall ganz oben auf dem Siegertreppchen stehen. Bei den Mädchen konnte Valerie Schlieper, ebenfalls von der Uni Hamburg, ihren Titel in der Klasse Open Woman verteidigen. In der Klasse Longboard holten sich jeweils Philip Mappes (SRH Heidelberg) und Friederike „Fritzi“ Schulz (LMU München) den Sieg.

Viele deutsche lassen sich schnell begeistern von dem Sport, bei dem man mit den Wellen spielt  Foto: Johannes Wyneken
Viele deutsche lassen sich schnell begeistern von dem Sport, bei dem man mit den Wellen spielt Foto: Johannes Wyneken

Doch auch wer nicht surfen kann, kam in Seignosse voll auf seine Kosten. Daher begleiteten viele Freunde und Bekannte die Teilnehmer nach Südfrankreich, so dass insgesamt knapp 1000 Besucher für eine Woche muffige Hörsaalluft und Lernstress gegen klare Meeresluft und Spaß am Strand eintauschten. Die gebuchte Bungalowanalage bot neben Pool und Tennisplatz ausreichend Platz für kleine Fußballtuniere oder einfach Raum für Entspannung. Wer sich durch die Surfer inspiriert fühlte, konnte in Surfkursen sein Talent direkt auf die Probe stellen. Zusätzlich sorgte ein vielfältiges Rahmenprogramm für Abwechslung. Auf dem Surfflohmarkt konnte ein gutes Schnäppchen errungen werden und  beim Skatecontest durfte jeder auf einen Sieg hoffen. Am Abend luden Livebands oder ein DJ zum Tanzen ein.

Nicht nur die Wellen, sondern auch die Atmosphäre ziehen viele Teilnehmer und Zuschauer jedes Jahr wieder nach Seignosse. Die deutsche Surferszene ist überschaubar und man kennt sich gut untereinander. „Eigentlich sind wir alle eine große Familie. Ich freue mich immer sehr, alle hier zu sehen“, lacht Ole und grinst seinen Freunden zu. Genau das sind die adh open: eine Mischung aus Surfen und Spaß, Sport und Feiern, Freunde treffen und sich gemeinsam zur besten Welle verhelfen. Man trifft Menschen, die voller Leidenschaft für eine Sportart stecken, die Kraft, Ausdauer und jede Menge Geduld erfordert. Die Vorlesung oder gar die Klausur in der nächsten Woche scheinen vergessen. Es kommt einem vor, als sei die Welt zwischen französischen Weinbergen, romantischen Sonnuntergängen und brandenden Wellen einfach stehengeblieben. Doch nach einer Woche kämpfen sich alle wieder mit Surfboard auf dem Autodach zurück nach Deutschland. Schnell noch den Neoprenanzug aus der Tasche genommen und ab in die nächste Vorlesung. Nur die leichte Bräune, die Nase und Wangen nun zieren, verraten, dass man sich kurz eine Woche Urlaub gegönnt hat.

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