Den Superhelden-Filmen von Marvel wird oft vorgeworfen, allzu generisch zu sein. Sie seien alle nach dem gleichen Muster gestrickt, ähnliche Konflikte und ähnliche Problemlösungen (Abwenden von drohendem Übel durch kämpferische Auseinandersetzung) würden beim Sehen ermüden.

Leider wird dabei unterschlagen, wie sehr sich Marvel im Verlauf der bisher 22 Filme übergreifenden Geschichte des Marvel Cinematic Universe emanzipiert hat. Lange war eine Filmreihe nicht mehr so komplex wie diese.

Zu nennen ist da an erster Stelle die Varianz, mit der Marvel seine verschiedenen Superheldenableger inszeniert. Das Genre des Superheldenfilms als solches lässt sich kaum mehr fassen. Die Marvel-Filmstudios haben festen Anteil daran, aus der Schablone des übermenschengroßen Actionfilms eine Vielzahl von Subgenres entwickelt zu haben. Captain America: The Winter Soldier, Guardians of the Galaxy und Spider-Man: Homecoming sind alle auf ihre Weise einzigartig; das Erste ein Spionagethriller, das Zweite eine Komödie mit Science-Fiction-Einschlag, das Letzte eine Coming-of-Age-Story. Die Marvel-Filme erreichen auch deshalb ein so breites Publikum, weil sie so unterschiedliche Sehbedürfnisse befriedigen.

Der Elefant im Raum ist an dieser Stelle sicher die Vernetztheit von Marvels Filmwelt(en). Der entscheidende Grund für die Kassenerfolge, welche gerade die Filme der dritten Phase des MCU für sich verbuchen konnten, ist die Serialisierung der einzelnen Teile. Wer alle Filme kennt, freut sich über Querbezüge und Anspielungen und erlebt die Geschichte von 22 Filmen als eine umfassende Langerzählung. Die effektvollen intertextuellen Bezüge gehen dabei gleich in zwei Richtungen: Zum einen zur Seite, zwischen den Filmen, insbesondere durch Cameo-Auftritte beliebter Figuren. Zum anderen zurück zu den Comics. Dann wird der Vorlage entweder mit ganzen Handlungsbögen wie dem ‚Civil War‘ Respekt gezollt oder aber durch einzelne Easter Eggs und etwa Anspielungen auf berühmte Comicmotive. Für all das braucht es ein ungeheures Auge fürs Detail und gleichzeitig einen genauen Blick für das große Ganze.

Es ist bemerkenswert, dass die aus dieser Perspektive besonders komplexen Avengers-Filme nicht allesamt an ihren Ambitionen zugrunde gegangen sind. Stattdessen sind sie sogar richtig gute Filme geworden, jeder einzelne mit einer ansprechenden Dramaturgie und mitunter existentialistischen Fragestellungen, die verhandelt werden. Über die besonders hier formvollendeten Choreographien und Visual Effects muss gar nicht erst gesprochen werden. Nicht umsonst hat wurde mittlerweile angefangen, das Production Design von Filmen wie Black Panther auszuzeichnen (auch wenn die diesjährige Oscarverleihung an dieser Stelle klar politisch motiviert war).

Mittlerweile trauen sich sogar die scheinbar so unpolitischen Popcornkino-Filme von Marvel zu, relevante gesellschaftliche Aussagen zu treffen. Etwa über Race und Kolonialismus in Black Panther. Und wer Endgame (oder wahlweise: Captain Marvel) bereits gesehen hat, erkennt in einer prominenten Szene ein starkes Statement für weibliche Heldinnen im männerüberrepräsentierten Kader der Marvel-Held*innen. Gute Aussichten für die Zukunft.

ALBRECHT-Redakteurin Nadine hat eine andere Meinung zu den Marvel-Filmen als Frederik. Ihren Text könnt ihr hier lesen.

Autor*in

Frederik ist 25 Jahre alt und studiert an der CAU Gegenwartsliteratur und Medienwissenschaft im Master. Er ist seit April 2019 Teil der Redaktion des Albrechts.

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