Der 11. März 2011 wird in die Geschichtsbücher eingehen. Nicht nur als der Tag an dem ein Erdbeben der Stärke 9,0 Japan erschütterte und einen Tsunami sowie die schwerste nukleare Katastrophe seit Tschernobyl nach sich zog, sondern auch als der Tag, an dem das Ende der Atomkraft in Deutschland besiegelt wurde. Dieser Tag stellt eine Zäsur in Angela Merkels Energiepolitik dar. Von der Verfechterin längerer Laufzeiten der Atomkraftwerke wurde sie zur Verfechterin eines schnellstmöglichen Atomausstieges.

Zur Erinnerung: Die Laufzeitverlängerung, die einzelne Meiler voraussichtlich bis zur Jahrhundertmitte am Netz gehalten hätte, wurde erst im September letzten Jahres beschlossen. Innerhalb des kommenden Monats müssen nun die Weichen für die grüne Zukunft Deutschlands gestellt werden. Bis zum 17. Juni – so verkündete es die Bundesregierung Mitte April – soll eine gesetzliche Regelung für den Einstieg ins post-nukleare Zeitalter verabschiedet werden.

Das Ziel scheint klar, doch wie der Weg dahin beschritten werden soll und wie steinig dieser sein wird, ist noch nicht abzusehen. Anfang April kamen die Ministerpräsidenten der Länder, hierunter auch Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, zum ersten Mal in Berlin zusammen, um über konkrete Details und die Rolle einzelner Bundesländer zu sprechen. Im Anschluss sagte Carstensen, dass man nun den Willen zu erneuerbaren Energien mit deutlichem Handeln untermauern müsse.

Wie sieht er also aus, der schleswig-holsteinische Beitrag zur deutschen Energiewende? Drei zentrale Fragen stehen diesbezüglich im Raum: Wie lange werden die Atomkraftwerke in Schleswig-Holstein noch laufen? Wie soll der zukünftige Energiemix aussehen? Und wird es CO2-Speicher in Schleswig-Holstein geben?

Die drei Atomkraftwerke Schleswig-Holsteins – Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel – reihen sich entlang der Elbe im Süden des Landes aneinander. Während Brunsbüttel seit 2007 und Krümmel seit 2009 aufgrund diverser Störungen abgeschaltet sind, ist das Atomkraftwerk Brokdorf nach wie vor in Betrieb. Im Zuge des Moratoriums der Bundesregierung wurden nur Meiler abgeschaltet, die bereits vor 1980 in Betrieb waren. Daher ist der Meiler in Brokdorf, der erst 1986 ans Netz ging, hiervon nicht betroffen.

Seit 2007 wurde der "Pannenmeiler" Krümmel nicht mehr hochgefahren Foto: pixelio.de
Seit 2007 wurde der „Pannenmeiler“ Krümmel nicht mehr hochgefahren Foto: pixelio.de

Obgleich die Anlage in Krümmel ebensowenig in den Geltungsbereich des Moratoriums fällt, solle nach Aussage des Betreibers Vattenfall in den nächsten Monaten auf ein erneutes Hochfahren verzichtet werden. Carstensen forderte diesbezüglich gegenüber den Betreibern Vattenfall und E.on gänzlich auf, ein erneutes Anfahren der Meiler Brunsbüttel und Krümmel zu verzichten. Ob dieser Appell bei den Betreibern Gehör findet, ist jedoch hinsichtlich ursprünglich geplanter Laufzeiten bis 2021 und 2033 fraglich. Fest steht hingegen, dass das Atomkraftwerk Brokdorf als Teil der Brückentechnologien einen wesentlichen Beitrag zur Energiewende leisten soll.

Momentan ist die Kernenergie die wichtigste Stütze der schleswig-holsteinischen Energieproduktion. Bedeutend stärker als im deutschen Durchschnitt. Während deutschlandweit 2010 rund ein Fünftel der Energie durch Atomkraftwerke erzeugt wurde, betrug in Schleswig-Holstein dieser Anteil 2009 über 50 Prozent. Gleichwohl lag der Anteil erneuerbarer Energien mit knapp 30 Prozent rund zehn Prozent höher als im Bundesdurchschnitt.

Darüber hinaus dient die Überproduktion im schleswig-holsteinischen Energiesektor dazu, den Mangel in anderen Bundesländern – insbesondere Hamburg – zu decken. Insgesamt werden knapp 50 Prozent der Produktion exportiert. Die Ziele, die das im Frühjahr 2010 verabschiedete Energiekonzept der Landesregierung ansetzt, sind daher umso ehrgeiziger. So soll Schleswig- Holstein im Jahr 2020 den eigenen Energieverbrauch komplett durch regenerative Energien decken können.

Die Windenergie soll zukünftig die wichtigste Energiequelle in Schleswig-Holstein sein Foto: pixelio.de
Die Windenergie soll zukünftig die wichtigste Energiequelle in Schleswig-Holstein sein Foto: pixelio.de

Den Mammutanteil soll wie bisher die Windkraft tragen. Große Potenziale werden hier vor allem im Austausch alter Anlagen durch neue leistungsstärkere gesehen. Dies nennt sich „Repowering“. Ebenso solle die Rolle als Energieexporteur nicht leiden. Um dies zu gewährleisten ist unter anderem der Neubau von Kohlekraftwerken geplant. Darüber hinaus stützt sich das Konzept weiterhin auf die Brückentechnologie der Atomkraft.

Pläne zur Kompensation eines Ausfalls dieser Brückentechnologie existieren bisher jedoch nicht. Das Energiekonzept der Grünen, welches Mitte April vorgestellt wurde, geht aufgrund neuerer Berechnungen sogar davon aus, dass auf den Neubau von Kohlekraftwerken verzichtet werden könnte, ohne dass hierdurch die Energieproduktion vermindert würde. Die Problematik der erneuerbaren Energie, nämlich die inkonstante Produktion, spielt in den Konzepten und momentanen Debatten ebenfalls eine wichtige Rolle. Einvernehmlich wird daher der konsequente Ausbau der Stromtrassen an Land sowie die Forcierung des Supergrid-Projektes, welches ein Unterwasser-Stromkabels nach Norwegen vorsieht, gefordert.

Wie schwer und umstritten der Ausbau der Stromtrassen sein könnte, zeigt jedoch ein anderes Beispiel: die CO2-Speicherung. In den letzten Jahren stand der Klimawandel als Motiv für die Energiewende im Fokus der Öffentlichkeit. Wenngleich die Anti-Atombewegung stetig aktiv und während der wiederkehrenden Castortransporte ebenso zum Ziel des medialen Interesses wurde, erfuhr die Bewegung über alle Parteien hinweg durch das Unglück in Fukushima einen unerwarteten Aufschwung.

Doch auch die Belastung der Umwelt durch den CO2-Ausstoß ist nach wie vor präsent. Gegenstand heftiger Diskussionen ist seit 2009 das CCS-Verfahren, bei dem Kohlenstoffdioxid bei der Energiegewinnung herausgefiltert und dann unterirdisch eingelagert werden soll. Mögliche Lagerstätten befinden sich neben Brandenburg hauptsächlich in Schleswig- Holstein und Niedersachsen. Dementsprechend groß war der Widerstand in der Bevölkerung und in den Landesregierungen gegen ein Gesetz zur Erprobung dieses Verfahrens. Der Gesetzesentwurf, der den Bundesländern nun mehr Handlungsspielraum als angedacht bietet und ein Vetorecht zugesteht, wurde Mitte April verabschiedet. Gelegenheit für die Landesregierungen auf den Widerstand der Bürger zu reagieren.

Ironischerweise könnten so am Ende die Bürger, die mit ihrer rund 70-prozentigen Zustimmung Triebfeder des Atomausstiegs sind, jene sein, die einem schnellen Einstieg ins neue Zeitalter im Wege stehen.

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