Man muss sich Musikmagazine Metal Hammer und Rolling Stone wie Geschwister vorstellen: Hat das eine ein besonders schönes Spielzeug, will das andere es auch haben. Eines der Lieblingsspielzeuge des Rolling Stone ist seit November 2009 sein Hausfestival, der Weekender, in der Ferienparkanlage Weissenhäuser Strand an der Ostsee. 2013 grätschte der kleine Bruder erstmals dazwischen und lancierte mit dem Metal Hammer Paradise am Wochenende vorher ein eigenes Event, das zeigen sollte, wer im Etagenbett oben schlaf darf. Ob das gelungen ist, klärt unser thematisch geordneter Direktvergleich der beiden Veranstaltungen.

Der Name

Für den Metal Hammer sieht das Paradies also aus wie ein herbstlich-trüber Ostseestrand. Interessant – und was ist für die dann die Hölle? Bei dem 08/15-Namen muss man davon ausgehen, dass klangvollere Alternativen wie „White Home Beach Armageddon“ schon vergeben waren, vielleicht ist ja „Metal Hammers War over Weissenhaus“ für 2014 noch zu haben. So oder so, der Punkt geht an den dezenten Weekender.

Das Line-Up

Für das ungeübte Ohr mögen sich die Paradies-Bands anhören, als würde ein Panzer ein Rudel Wildschweine plattwalzen, dennoch sind nahezu alle Programmplätze so hochkarätig besetzt, dass man locker mit Sommerfestivals mithalten kann, die drei- bis viermal so viel Publikum ziehen. Mit diesem absolut hochwertigen Line-Up kann der Weekender nicht ganz mithalten, nicht zuletzt der beiden Verlegenheitsheadliner wegen (Suede und Glen Hansard bringen es nun mal nicht). Dafür wird hier ein schön eklektisches Line-Up aufgefahren, dass von Indiepop über Progrock bis hin zu Jazz reicht. Nützt nichts, der Punkt geht ans Metal.

Das Rahmenprogramm

Traditionell erweitert der Weekender sein musikalisches Angebot durch Lesungen namhafter Autoren. Das Paradies richtet hingegen ein Bowlingturnier gegen die Thrash-Metal-Kapelle Sodom aus, deren Frontmann Tom Angelripper (solche Pseudonyme legte man sich in den Achtzigern halt zu) beim vorangehenden Konzert zu Protokoll gibt: „Ich kann nicht mit jedem von euch Einen saufen – aber ich kann’s versuchen!“ Keine weiteren Fragen, der Punkt geht an den Schluckspecht.

Das Publikum

Das Metal-Publikum kennt man eigentlich etwas ausgelassener als beim Paradies: Keine Wall-of-Death, keinen Circle-Pit – da manifestiert sich die etwas reifere Zielgruppe. Beim Weekender ist beinahe mehr Action und zudem riecht es hier viel besser, da der Metaler bekanntlich gerne mit seinem Mangel an Körperhygiene hausieren geht (das Badehandtuch mit der Aufschrift „Duschen ist kein Heavy Metal“ ist paradoxerweise ein ewiger Verkaufsschlager einschlägiger Versandhäuser). Dafür sind die Leser des Rolling Stones in der Regel etwas zu euphorisch, selbst mäßige Darstellungen werden bejubelt, als hätte man auf der Bühne gerade den Welthunger besiegt. Dennoch ein klarer Sieg des Weekenders.

1. Rolling Stone Weekender
Das Publikum des „Rolling Stone Weekenders“ im Vergleich zum Publikum des „Metal Hammer Paradise“ oben.

Der Nachwuchs

Das Alter der Kinder beim Weekender lässt sich für gewöhnlich an einer Hand abzählen, daher halten sie sich primär in Tragetüchern oder auf den Schultern ihrer Eltern auf. Nachwuchs gibt es auch im Paradies (obwohl das Alte Testament etwas anderes behauptet), allerdings ist dieser schon älter und grob in zwei Kategorien einzuteilen: Zu einen die Kinder, die beinharte Metal-Eltern mitgeschleppt und in Ganzkörpermerchandise gesteckt haben (besonders schlimm: der weiss-graue Freizeitanzug aus der Kollektion Metallica), die aber eher den Eindruck erwecken, sie würden gerade lieber im Hotelzimmer Rihanna hören. Und dann die Handvoll Teenager, die es geschafft hat ihren Eltern, die die Musik ihrerseits eher bescheiden zu finden scheinen, den Wochenendtrip aus den Rippen zu leiern. Bei Ticketpreisen ab 129 Euro pro Person ein ziemliches Husarenstück, dass dem Paradies in diesem Punkt ein Unentschieden sichert.

Der Erfolg

Mit knapp 4000 gegenüber gut 2500 Besuchern kann der Weekender diese Kategorie klar für sich entscheiden. Allerdings hat auch das Paradies eine bemerkenswerte Leistung vollbracht – nämlich ein professionelles Festival zu etablieren, auf dem den Besuchern am Eingang nicht das Dosenbier abgenommen wird. Das Statement der Veranstalter dazu: „Wir wollen die Leute so wenig wie möglich bevormunden.“ Hervorragend.

Das Endergebnis

Mit vier zu drei Punkten hat der Platzhirsch Weekender 2013 noch die Nase vorne, doch auch das Paradies erweist sich trotz kleinerer Mankos durchaus als Bereicherung der hiesigen Festivalkultur. Und wenn beide Veranstaltungen im November 2014 wieder an den Start gehen, wird noch mal neu verhandelt.

Autor*in

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

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