Babyface. So werden in der Internetkultur Gesichter bezeichnet, die ungewöhnlich jung aussehen, vielleicht weil sie Pausbacken, auseinanderstehende Augen oder einfach ein sehr rundes, speckiges Gesicht haben. Nun ja, ich habe so ein Babyface. Irgendwas zwischen meinem zweiten und sechsten Lebensjahr ist schiefgelaufen und mein Körper wollte sein Mondgesicht behalten. Es ist schlimm genug, dass ich als auf dieser Erde existierender Mensch ständig an alle Schönheitsideale erinnert werde, egal wo ich gehe und stehe, und ein Babyface gehört zumindest in unserem Kulturkreis nun mal nicht dazu.

Okay, damit kann ich leben. Dann werde ich wohl nie aussehen wie ein Supermodel auf dem Cover der Vogue. Dennoch sind mir in letzter Zeit viele Dinge passiert, die anders wären, wenn mein Gesicht nicht die Struktur eines Marshmallows hätte: Ich bin beim Arzt und werde wie gewohnt geduzt, ich denke mir mittlerweile gar nichts mehr dabei. Ich werde nämlich überall geduzt (Uni mal ausgenommen, hier wissen die Leute anscheinend, dass ich aus dem pubertären Alter raus bin), sei es im Klamottengeschäft, in der Bahn oder eben beim Arzt. Mich hat das nie gestört, ich bin selbst kein Fan von diesem halb erzwungenen Respekt-Siezen. Ich dachte einfach, die Leute sind cool drauf und duzen halt jede*n. Bis ich dann beim Arzt dahinter kam, wieso. Die Praxishelferin schaut auf meine Patientenkarte und sagt: „Oh, ich dachte Sie gehen noch zur Schule.“ Da war es dann, das Siezen.

Ich weiß mittlerweile gar nicht mehr, wie oft mir diese oder ähnliche Situationen schon widerfahren sind. Und jetzt wäre wohl auch der richtige Zeitpunkt zu erwähnen, dass ich 21 Jahre alt bin, bald meine Bachelorarbeit schreibe und seit 2016 keine Schule mehr betreten habe. Trotzdem schauen mich die Leute irgendwie ungläubig an, wenn ich ihnen das erzähle. Etwas nerviger wird es dann doch tatsächlich, wenn ich Bier oder Sekt kaufe. Ich habe mich schon daran gewöhnt, dass ich wie selbstverständlich meinen Ausweis zeigen muss. Aber selbst die Kassierer*innen schauen mich dann an, als hätte ich den Ausweis gefälscht. Okay, zugegebenermaßen, diese Situationen ereignen sich weniger, wenn ich mit Make-Up durch die Welt wandere, und ja, das ist definitiv ein First-World-Problem, wenn überhaupt.

Aber ich habe selbst beobachtet, wie anderen Menschen meines Alters in jeglichen Situationen des Alltags mit mehr Respekt und Anerkennung begegnet wird. Und das finde ich schade. Klar, unterbewusst wird oft geurteilt, der erste Eindruck zählt ja doch irgendwie. Und vielleicht würde es was bringen, wenn ich ab sofort nur noch in Business-Klamotten in den Supermarkt gehe. Aber dafür finde ich meinen Oversized-Pulli viel zu bequem, und so bleibt mir nur zu hoffen, dass ich in 30 Jahren, wenn alle über ihre Falten jammern, endlich dankbar sein kann für mein Babyface.  

Autor*in

Nadine ist 22 Jahre alt und studiert Germanistik und Medienwissenschaft im Master an der CAU. Seit Oktober 2018 ist sie Teil der Albrecht-Redaktion und hat vom Sommersemester 2019 bis Sommersemester 2020 das Kulturressort geleitet. Nun kümmert sie sich um die Social Media-Präsenz, schreibt aber auch noch fleißig Artikel.

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