„Slam ist ein Ort, an dem alles möglich ist“

Und genau dieser Ort war am 21. November zum ersten Mal in der CAU, genauer in der Mensa am Westring. Veranstalter des ersten Uni-Slam Kiel – Poetry Slam Deluxe waren das Studentenwerk SH und die Agentur assembleART . Der Run auf die Tickets war riesig, sodass bereits im Vorfeld alle 1000 Karten verkauft wurden und einige Interessierte draußen bleiben mussten. Zehn Prozent der Einnahmen wurden dabei an den Verein lifeline e.V. und die Bürgerinitiative Kiel hilft Flüchtlingen gespendet. Poetry Slams sind nicht erst seit Julia Engelmann immer beliebter geworden. Inzwischen gibt es sie regelmäßig in Universitäten, Clubs und auf anderen Veranstaltungen. So auch in Kiel, wo neben dem Kieler Woche Slam ein traditioneller Poetry Slam in der Pumpe stattfindet. Grund genug, einen Schritt weiterzugehen und Poeten aus ganz Deutschland nach Kiel zu holen.

Dem nicht gerade einladenden Charme der Mensa am Westring wurde mit einer Bühne samt riesigem Sofa sowie einer Leinwand, auf der Namen und Zwischenergebnisse verzeichnet wurden, versucht, entgegenzuwirken. Durchs Programm führten die Moderatoren Bjørn Høgsdal und Björn Katzur, die sich in Kieler Slam-Kreisen bereits einen Namen gemacht haben. Zuerst wurde noch einmal das Regelwerk vorgestellt: so müssen die vorgetragenen Texte selbst verfasst sein, dürfen nicht gesungen werden und ein Zeitfenster von sechs Minuten nicht überschreiten. Ansonsten ist generell jedes Genre willkommen und so der Fantasie des Künstlers keine Grenzen gesetzt. Das Publikum übernimmt dann die Bewertung, indem Punkte von eins bis zehn vergeben werden. Dabei bezeichne zehn laut Bjørn Høgsdal einen Text „der Euch umhaut, der Euch glücklich macht“ und alles ab fünf Punkten abwärts sei unterdurchschnittlich. Der Abend bestand aus zwei Vorrunden, in denen jeweils vier Poeten gegeneinander antraten sowie einem Finale, in welches zwei Mitglieder jeder Vorrunde einzogen. Auftritte des Special Guests Moritz Neumeier, der Teile seines Stand-up-Programmes vortrug, rundeten das Programm ab, indem er beispielsweise witzelte, dass die Gesellschaft Tabuthemen durch Wiederaufnahme von verbotenen Gesten entgegenwirken könne, wie etwa durch die allgemeine Wiedereinführung des Hitlergrußes.

In der ersten Vorrunde trafen dann die unterschiedlichsten Vortragsstile aufeinander. Zuerst machte Wehwalt Koslovsky aus Berlin das Publikum mit einer fiktiven Lebensbeichte sprachlos. Frei vorgetragen sprudelte ein überragendes literarisches Werk in Versform hervor, in dem er sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens machte und mit dem Rat schloss: „Den Rand der Erkenntnis erreichst Du nicht nüchtern“. Wehwalts Text besaß dabei weniger Komik als andere Vorträge und stattdessen mehr Tiefe. Erstere ließ sich dann etwa bei Bente Varlemann finden, die ein Loblied auf den Fußball hielt und dazu aufrief, das Image des Fußballs nicht in die Hand von Nazis zu geben. Das unterstrich sie mit dem Ausruf: „Kein Fußball den Faschisten“.

Einer der Gewinner der ersten Vorrunde war Hinnerk Köhn, der in eine Art Alter Ego verwandelt als Fitnesstrainer Marc Möller amüsant die Absurdität der Abnahmeindustrie karikierte. Der zweite Finalist Helge Albrecht begeisterte mit einem Text „op Platt“, in dem die Doppelbedeutung des Wortes „Broder“ zum Problem wird, sowie einem Vortrag über den Härtefaktor von Seemännern.

In der zweiten Gruppe begann Viktoria Helene Bergemann mit dem Text Wo die Flaggen auf Halbmast hängen und regte zum Nachdenken an. Weiter ging es mit Lisa Eckhart, die innerhalb Deutschlands inzwischen einen relativ großen Bekanntheitsgrad erreicht hat. Diese Begeisterungswelle erreichte auch das Kieler Publikum, das sie mit einer Geschichte über die Merkwürdigkeit menschlicher Reaktionen innerhalb der Warteschlange einer Achterbahn fesselte. Abgeschlossen wurde die zweite Gruppe mit den Texten von Julian Heun, der als „Lord Chancentod von hätt’ste gern, wird wohl nichts“ in die Kunst des Aufreißens einführte und Michel Kühn, der mit einer eindrucksvoll dargestellten Liebesgeschichte zwischen Stalagmit und Stalaktit aufwartete.

Das Finale spielte sich zwischen Helge, Hinnerk, Viktoria und Lisa ab. Alle Poeten trugen einen zweiten Text vor und letztendlich machte der Applaus des Publikums Viktoria Helene Bergemann, die metaphorisch den Normausbruch mithilfe eines Regencapes von Scout beging, und Lisa Eckhart, die fesselnd gängige Lebensweisheiten konterkarierte, zu gemeinsamen Gewinnerinnen.

Zusammenfassend war der Campus-Slam ein echter Erfolg und die Veranstalter planen schon den nächsten Poetry Slam, der eventuell schon nächstes Semester stattfinden wird. Dann vielleicht aber nicht mehr in der Mensa.

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