Der uns wohl bekannteste Lügner Pinocchio wurde im 19. Jahrhundert von Carlo Collodi geschaffen und erstmals 1881 in einer italienischen Kinderzeitschrift veröffentlicht. Pinocchio ist eine Holzpuppe, dessen größter Wunsch es ist, ein richtiger Junge zu werden. Bis er dieses Ziel erreicht, erlebt er viele Abenteuer, die ihn teilweise in große Gefahr bringen. Um sich zu rechtfertigen, wie es zu diesen Situationen kommt, versucht Pinocchio sich besser darzustellen und greift so auf die ein oder andere Lüge zurück. Sobald er lügt, wächst seine Nase. Das Thema ‚Lügen‘ hat es so als fester Bestandteil unserer Gesellschaft bereits vor über 100 Jahren in ein Kinderbuch geschafft.  

Lügen muss gelernt ein 

Der US-amerikanische Psychologe Paul Ekman hat herausgefunden: Wer oft lächelt, lügt. Dadurch sollen die eigentlichen Emotionen, wie Angst oder Unbehagen, vertuscht werden. Die Mundwinkel werden zwar nach oben gezogen, die Augen lachen jedoch nicht mit. Auch bei bestimmten Themen leiser oder lauter zu sprechen, viel zu blinzeln und allgemein Anzeichen von enormen Stressempfinden sind Verhaltensauffälligkeiten von Lügner*innen – das Wachsen der Nase sogar eine ziemlich deutliche. 

Die Fähigkeit des Lügens ist Teil der kognitiven und psychosozialen Entwicklung des Menschen und hat sich im Laufe der Evolution als Methode zur Manipulation und Generierung von Vorteilen bewiesen. Im Tierreich spielt Lügen dann eine Rolle, wenn es darum geht Artgenossen oder Feinde zu täuschen, um den*die geeignete*n Partner*in zu finden oder die eigene Nahrung zu schützen.  

Lügen muss gelernt sein, und so braucht es, um überhaupt lügen zu können, das sogenannte theory of mind. „Um Unwahrheiten aussprechen und einsetzen zu können muss das Wissen vorhanden sein, dass die andere Person nicht das weiß, was ich weiß”, erklärt die Psychologin Kristina Suchotzki. Sehr jungen Kindern unter zwei Jahren ist es deshalb nicht möglich zu lügen.  


„Ich glaube nicht, dass alle Menschen die nackte Wahrheit immer ertragen können.“ 

Ist das so? Gibt es Lügen, die nach diesem Zitat aus der Geschichte ‚Pinocchio‘ vielleicht gesellschaftstauglich, oder sogar unabdingbar sind? Jede*r von uns lügt – im Schnitt zwei Mal am Tag. Meistens handelt es sich hierbei um sogenannte Höflichkeitslügen, oder auch prosoziale Lügen genannt. Mittels Höflichkeitslügen soll der*die Gesprächspartner*in geschont und so vor einer unangenehmen Situation geschützt werden, zum Beispiel, indem vorgegeben wird, das gekochte Essen sei sehr lecker, nur weil die Person viel Mühe investiert hat und den halben Tag in der Küche stand.  

Ganze 74 Prozent der Deutschen sind der Meinung, dass aus Höflichkeit zu lügen akzeptabel ist, zwei Drittel fühlen sich jedoch tief verletzt, wenn sie erfahren, dass sie angelogen wurden. Forscher*innen fanden heraus, dass prosoziale Lügen in der Lage sind, soziale Netze zu stabilisieren, und der positive Effekt des stärkeren kollektiven Zusammenhalts gegenüber dem negativen Effekt der Lüge überwiegt. Während Höflichkeitslügen die Gesellschaft eher zusammenhalten, schwächen größere, sogenannte schwarze Lügen, soziale Netze, manchmal sogar so stark, bis einzelne Individuen komplett isoliert sind.  


Diagnose: Pseudologia Phantastica  

Als krankhafte Lügner*innen werden diejenigen bezeichnet, die sich oder andere mit ihrem stark ausgeprägten Hang zur Schwindelei dauerhaft schaden. Einer der bekanntesten Menschen mit besagter Diagnose ist Karl May, der bis an sein Lebensende behauptete, alle seine geschriebenen Geschichten selbst erlebt zu haben. Er hätte mit Grizzlybären und Indianern gekämpft und habe die Fähigkeit 1200 Sprachen zu sprechen. Harald Freyberger, Leiter der Psychiatrie und Psychotherapie in Greifswald, nennt einen häufigen Grund für die Ausprägung dieses Leidens: ein sehr vermindertes Selbstwertgefühl. Durch die erfundenen Geschichten und Abenteuer versuchen sich Betroffene vor anderen Menschen aufzuwerten, was Teil einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung sein kann. Ein weiterer Grund für zwanghaftes Lügen könnte eine antisoziale Persönlichkeitsstörung sein. Gesellschaftliche Normen und Moralvorstellungen werden als weniger wichtig erachtet und somit fällt das Lügen leichter. Etwa fünf bis sechs Prozent aller Deutschen sind von dieser Krankheit betroffen.  


 Lügen haben kurze Beine 

Die Bibel, Kant und auch andere Aufklärer lehnen die Lüge ab – und doch tun wir es alle. Eine Metastudie zum Thema Unehrlichkeit ergab, dass Männer prozentual mehr lügen als Frauen und dass die Tendenz zur Lüge mit steigendem Alter abnimmt. Grund hierfür sei, dass ältere Menschen eher gewillt sind, sich an soziale und gesellschaftliche Regeln zu halten, während jüngere risikobereiter eingestellt sind. Das gelte auch für Männer, während Frauen mehr Sozialkompetenz zugeschrieben werden. Frauen würden beispielsweise weniger lügen, wenn sie wüssten, dass jemand unter der Schwindelei leidet. Dennoch: Wer behauptet, noch nie gelogen zu haben, lügt. Sind wir doch mal ehrlich! 


Um herauszufinden, wie gut DU lügen kannst, stell’ dich gern den Fragen in unserem Test! 

Wie gut kannst du lügen? 

1: Wenn ich lüge, werde ich schnell rot. 

A: Ja, B: Nein 

2: Höflichkeitslügen gehen mir leicht über die Lippen. 

A: Ja, B: Nein 

3: Ich bin sehr emphatisch.  

A: Ja, B: Nein 

4: Ich habe eine blühende Fantasie und kann mir kinderleicht Geschichten ausdenken.  

A: Ja, B: Nein 

5: Lügen haben bei mir einen bestimmten Zweck, zum Beispiel um mir Vorteile zu verschaffen.  

A: Ja, B: Nein 

6: Ich versuche selten zu lügen, um andere nicht zu verletzen. 

A: Ja, B: Nein 

7: Nervosität sieht man mir direkt an. Ich schwitze schnell, bin unruhig, oder kaue auf meiner Lippe herum.  

A: Ja, B: Nein 

8: Ich bin eher introvertiert. 

A: Ja, B: Nein 

9: Mir macht niemand etwas vor. Ich kann Menschen sehr schnell durchschauen.  

A: Ja, B: Nein 

10: Ich wurde noch nie beim Lügen entlarvt.  

A: Ja, B: Nein 

A>B und du bist ein*e gute*r Lügner*in, B>A und du bist ein*e schlechte*r Lügner*in.

Autor*in

Anika studiert BWL an der Fachhochschule Kiel. Seit September 2019 ist sie beim ALBRECHT als Redakteurin tätig, seit Januar 2020 zusätzlich als Ressortleiterin der Gesellschaft.

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