DER ALBRECHT: Frau Gaschke, Sie sind jetzt seit kurzer Zeit Oberbürgermeisterin der Stadt Kiel. Sie haben sicherlich viel zu tun. Was ist denn in Ihrem neuen Amt anders als Sie es erwartet hätten?

Dr. Susanne Gaschke: Es gibt unendlich viele verschiedene Aufgaben. Was muss man überhaupt tun, damit aus einer politischen Zielvorstellung eine Handlung wird? Sie sind von einem Tag auf den anderen mit einer unglaublich komplexen Führungsaufgabe betraut. Sie müssen ständig im Blick behalten: Passieren die Dinge wie besprochen? Das ist das Forderndste und es ist ein riesiger Unterschied, diese Komplexität nur erwartet zu haben oder sie zu erleben. Ich bin aber von keiner einzelnen Sache so überrascht worden, dass ich gesagt hätte: Das hätte ich mir nun gar nicht vorstellen können.

Sie haben vorher bei der ZEIT in Hamburg als Redakteurin gearbeitet. Wie unterschiedlich arbeitetet die Rathausverwaltung der Fördestadt im Vergleich zu einer journalistischen Redaktion?

Eine Zeitung arbeitet natürlich viel schneller und aktueller. Auf jeden Fall ist man näher am Tagesgeschehen als ein großer Verwaltungsapparat, der naturgemäß länger braucht, um ein Problem zu identifizieren, um Lösungsmöglichkeiten zu finden, sich dann für eine zu entscheiden und die tatsächlich umzusetzen.

Sie sind in Kiel geboren, aufgewachsen und haben an der CAU studiert. In einem Artikel der ZEIT schrieben Sie: „Ziele für Kiel: Wiedereröffnung des Flughafens. Ansiedlung eines Sternerestaurants und einer seriösen Fischbude. Sprengung von Teilen der Innenstadt.“ Was möchten Sie denn sprengen?

(lacht) Tatsächlich gibt es in Kiel ja das eine oder andere Gebäude was nicht so wahnsinnig schön ist. Beim Schreiben dachte ich damals vor allem an die Pavillons am Alten Markt. Nach Erscheinen des Artikels gab es sofort heftige Kritik von ortsansässigen Architekten. Zugleich  gab es andere Architekten die gesagt haben: genau. Man sollte also manchmal Dinge ruhig zuspitzen und sehen, was dann passiert.

In Ihrer Antrittsrede sagten Sie, wir sollten häufiger als Maßstab nehmen was in unserer Stadt funktioniert und an ihr liebenswert und begeisternd ist. Was ist für Sie in Kiel liebenswert und was begeistert Sie?

Rathaus Kiel Foto: Mia Schumacher

Am meisten liebe ich die Lage am Wasser und das unglaublich grüne Umland. Was mich fasziniert, ist der Bereich maritime Technologie und Wirtschaft: von Algenfarmen bis hin zu U-Booten. Wir sind bekanntlich  Weltmarktführer bei der Herstellung von Kreiselkompassen. Auch im kulturellen Bereich, besonders im Theater, hat sich viel verändert. Heute haben wir ein sehr offenes, innovatives Theater, das sich viel traut und so eine tolle Balance zwischen Klassikern und Avantgarde herstellt.

Ihr Mann, Dr. Hans-Peter Barthels (SPD), ist der direkt gewählte Bundestagsabgeordnete für Kiel. Werden Sie die Interessen Kiels nun gemeinsam vertreten?

Wir vertreten beide die Interessen Kiels, aber jeder auf seine Weise.  Es ist  ein großer Unterschied, ob man im Bundestag an der Bundesgesetzgebung mitwirkt oder hier in Kiel vor Ort die bestmögliche Umsetzung organisiert. Aber wir reden natürlich viel über Politik. Auch wenn es für meinen Mann, glaube ich, im Augenblick  etwas zuviel um Kommunalpolitik geht. (schmunzelt)

In den vergangenen Jahren haben viele Universitäten in Deutschland eine Zivilklausel eingeführt, womit sie sich verpflichten, ausschließlich für die zivile Nutzung zu forschen. An der CAU wird diese derzeit diskutiert. Die Uni Kiel erhält jedoch hohe Geldsummen vom Verteidigungsministerium für diverse Forschungsprojekte, diese Mittel würden dann wegfallen.

Das ist ein sehr spannendes Thema, bei dem man zunächst genau klären müsste, woher welche Gelder kommen. Es würde ja einen großen Unterschied bedeuten, ob Gelder direkt von der Rüstungsindustrie oder aus dem Bundeshaushalt kämen.

Die CAU hat ja auch einen offiziellen Leitspruch… 

… „pax optima rerum“ …

… sinngemäß: „Der Frieden ist das beste der Güter“, dieser taucht in der Debatte häufig auf. Möchten Sie sich dazu äußern, ob eine Zivilklausel an der Uni Kiel prinzipiell realistisch und vernünftig wäre?

Dafür müsste ich konkreter wissen, um was für Forschungsgelder es geht.

Die Stadtregionalbahn ist in Kiel ein viel diskutiertes Projekt. Sie beabsichtigen einen Bürgerentscheid hierzu durchzuführen, glauben Sie so hätte das Projekt eine Chance?

Der Bürgerentscheid ist etwas, das ich anregen würde; selbst beschließen kann ich das nicht, sondern nur die Ratsversammlung. Dafür muss eine 2/3-Mehrheit sagen: Das ist ein sehr großes Projekt für Kiel, das großen Einfluss auf die Entwicklung unserer Stadt haben wird. Deshalb lassen wir die Bürger darüber abstimmen. Ich erhoffe mir dadurch eine Belebung der Diskussion. Es gibt aus unserer Sicht Vieles, das dafür spricht – wie die Vernetzung des Großraums Kiel – aber eben auch berechtige Einwände, die Kosten beispielsweise. Und die Menschen haben die Erfahrung gemacht, dass die Kosten für Großprojekte meist nicht beherrschbar sind.

Werden wir mit Ihnen prinzipiell mehr Engagement für direkte Demokratie erleben?

In dieser Form, ja, auf jeden Fall.

Sie wollen für mehr bezahlbaren Wohnraum in Kiel sorgen. Liegen schon erste konkrete Pläne vor?

Ja, wir haben Ende November ein Gespräch mit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft in Kiel, der Oberbürgermeisterin, dem Amt für Grundsicherung und dem Wohnungsamt geführt. Die Wohnungsunternehmen haben durchaus Bereitschaft signalisiert, sich in Kiel wieder beim Wohnungsneubau zu engagieren. Im nächsten Schritt werden wir uns noch im Januar  mit Studentenwerk, AStA, Universität, Land und den interessierten Investoren zusammensetzen, um  Wohnungsbau für Studierende voranzutreiben. Wir haben jetzt schon die wichtigsten Akteure zusammen und wollen zeigen, wie schnell die Kieler Verwaltung arbeitet.

Wenn Sie als Kielerin an das Kiel Ihrer Kindheit und Jugend zurückdenken, was war anders, gibt es etwas, das Sie sich zurückwünschen?

Viele Ecken waren in den 70er Jahren noch sehr langweilig. In der Holtenauer Straße lief man an einem Sonntagnachmittag Gefahr, vor Langeweile ins Koma zu fallen. Das ist jetzt viel, viel schöner und die Verbesserung ist vor allem durch mehr Gastronomie erreicht worden. Insgesamt würde ich aber sagen, als ich in Kiel aufgewachsen bin, gab es einen sozialdemokratisch gefärbten gesellschaftlichen Aufbruchsgeist. Diese Stimmung gab es sicher überall; ich habe sie in Kiel erlebt, mit der Olympiade 1972 als Höhepunkt. Da hat man auch als Kind gemerkt: hier geht etwas voran. Das wäre etwas, das ich gerne wieder hinbekommen würde: eine an der Gemeinschaft orientierte Aufbruchstimmung.

Sie haben selbst in Kiel Anglistik, Pädagogik und Öffentliches Recht studiert und waren damals sogar AStA-Vorsitzende. Wenn Sie sich heute auf dem Campus umsehen, würden Sie sagen es hat sich viel verändert?

Ja, sehr viel! Da haben sich Leute übergeordnete Gedanken gemacht. Was braucht man an Kinderbetreuung und Gastronomie? Außerdem gibt es heute das  Sportzentrum, die tolle neue Unibibliothek, die Amöbe und den neubepflanzten Botanischen Garten: der sah am Anfang ganz klein und struppig aus, jetzt ist er schön.

Vervollständigen Sie bitte folgenden Satz: In Kiel studieren heißt, ….

… in einer schönen Stadt zu studieren. An einer Uni in einer vernünftigen Größenordnung zu studieren. An einer Uni mit einem guten internationalen Standing zu studieren.

Gibt es noch etwas, was Sie den Studierenden mitteilen möchten?

Wir freuen uns, wenn Sie nach Kiel ziehen und sich hier als Teil des Gemeinwesens fühlen. Viele Studierende bleiben auch über ihre drei Bachelorjahre hinaus, machen ihren Master hier oder promovieren und finden einen Anschlussjob. Werden sie  –  mindestens vorübergehend –  Kieler!

Eine letzte Frage habe ich noch: Wenn Geld keine Rolle spielen würde, was würden Sie als erstes tun?

Es gibt so Vieles, das ich gleichzeitig machen würde. Wenn ich nur vernünftig wäre, würde ich als erstes ein neues sparsames und umweltfreundliches Kraftwerk bauen. Wenn ich einfach etwas Schönes tun dürfte, würde ich sofort einen neuen Stadtteil auf dem MFG 5 Gelände entwickeln, mit schönen, erschwinglichen Wohnungen – auch und gerade – für Studenten und junge Familien.

Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Felix Rudroff.

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