Alles Wasser ist gleich, aber manches Wasser ist gleicher

Was das Wassersparen im Haushalt betrifft, sind wir auf den ersten Blick Weltmeister. Mit durchschnittlich 121 Litern Wasser wurden in Deutschland 2014 pro Kopf und Tag mit Tätigkeiten wie Abwaschen, Duschen und Toiletten spülen weit weniger des kühlen Nasses verbraucht als in den meisten anderen Nationen mit flächendeckender Trinkwasserversorgung. Wird jedoch das Wasser, das durch unseren Konsum an Importgütern des täglichen Bedarfs verbraucht wird, in Betracht gezogen, steigt der Wasserverbrauch eines jeden Deutschen laut dem Water Footprint Network auf 4 230 Liter pro Tag. Ein Wert, der uns im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ins hintere Mittelfeld verbannt.

Für diese Wassermenge, die in Deutschland der Hälfte eines gut gefüllten Nichtschwimmerbeckens entspricht, prägte der britische Geograf John Allan 1995 den Begriff ‚virtuelles Wasser‘. Dabei wird in die Berechnung des Wasserverbrauchs der Herstellungsprozess eines Produkts miteinbezogen: Wie viel Wasser wurde für meinen morgendlichen Kaffee, das iPhone oder die neue Jeans verbraucht – sowohl bei der Herstellung als auch beim Transport nach Deutschland? So wird in der Wasserbilanz unserer Einkäufe offengelegt, dass Baumwoll- und Kaffeeplantagen zu den am meisten wasserverschlingenden Zweigen des Agrarsektors gehören, während beim Abbau von Coltan und Tantal für Smartphones ganze Flüsse zu Sondermüll deklassiert werden.

Um die unterschiedlichen Auswirkungen des Wasserverbrauchs für die Umwelt zu verdeutlichen, teilt die NGO Water Foodprint Network Wasser in drei unterschiedliche Kategorien ein. Am wenigsten bedenklich ist dabei das ‚grüne Wasser‘: Es steht für den Anteil des Wasserverbrauchs, der durch Regenwasser abgedeckt wird, und so keinen großen Effekt auf die Wasserversorgung einer Region hat. Ein Beispiel: Zwar wird in Kolumbien für ein Kilogramm Kaffeepulver insgesamt ein Drittel mehr Wasser verbraucht als für die Produktion eines Kilos braunen Golds in Vietnam, in Kolumbien wird die Bewässerung der Pflanzen aber zu nahezu 90 Prozent aus Regenwasser gespeist; währenddessen kann der Regen in Vietnam den Wasserbedarf der Kaffeesträucher nur zu 65 Prozent decken.

Das für die Bewässerung fehlende Wasser wird jeweils aus Seen, Flüssen oder dem Grundwasser entnommen, es geht als ‚blaues Wasser‘ in die Berechnung der virtuellen Wasserbilanz ein. Auf Dauer lässt seine Nutzung die Wasserressourcen einer Region schwinden und führt so zu Wasserknappheit.
Schaurigstes Beispiel ist wohl der Aralsee; ehemals viertgrößter Süßwassersee der Erde, lassen sich hier dank intensiver Baumwollindustrie, die dem See über Jahrzehnte hinweg das Wasser im wahrsten Sinne des Wortes abgrub, auf Sand gelaufene Geisterschiffe am Rande ehemaliger Fischerdörfer bestaunen – 40 Kilometer landeinwärts von der heutigen Uferlinie.

Die dritte Wasserkategorie ist das ‚graue Wasser‘. Es handelt sich dabei um die Wassermenge, die benötigt wird, um die Schadstoffe, die beispielsweise bei der Produktion eines Smartphones oder durch Einsatz von Düngemitteln in der Agrarindustrie entstehen, so zu verdünnen, dass sie der Umwelt keinen Schaden mehr zufügen – die Menge Wasser also, die durch den Herstellungsprozess verschmutzt wird.

In einem Versuch, Produkte nach ihrer nachhaltigen Wassernutzung unterscheidbar zu machen, werden die Volumen der drei Wassersorten zum Wasserfußabdruck des Produkts summiert. Während ‚grünes Wasser‘ nicht in die Berechnung einbezogen wird, weil es der Umwelt nicht unwiederbringlich entnommen wird, spielen ‚blaues‘ und ‚graues‘ Wasser hierbei eine große Rolle. Außerdem wird der Faktor der Wasserknappheit am Produktionsort eingerechnet: Wird im regenarmen Kalifornien Grundwasser für die Bewässerung des weltgrößten Anbaugebiets von Mandeln entnommen, hat das weit gravierendere Auswirkungen als im verregneten Schweden, wo sich die Reservoirs leichter wieder füllen.

Der Vergleich von Produkten unterschiedlicher Herkunft weist dabei einige Überraschungen auf: Waren Tomaten aus den Niederlanden lange als fade und unökologische Alternative aus dem Gewächshaus angesehen, schneiden sie beim Wasserverbrauch deutlich besser ab als sonnengereifte Tomaten aus Andalusien. Im ohnehin schon trockenen Spanien wird bei der Bewässerung Grundwasser en masse eingesetzt, was die Wasserknappheit der Region weiter forciert, während in den Niederlanden Gemüse bereits häufiger auf künstlichem Substrat und mit einem geschlossenen Wasserkreislauf ausschließlich auf Grundlage gesammelten Regenwassers im Gewächshaus kultiviert wird. Sogar Biotomaten aus Süddeutschland können den High-Tech-Früchten aus den Niederlanden beim Sparen zum Teil nicht das Wasser reichen. Auch viele angesagte Trendlebensmittel oder -produkte wie zum Beispiel Mandeln, Avocados oder Soja entpuppen sich, so gesund sie auch seien mögen, als Gefahr für einen ausgeglichenen Wasserhaushalt an ihrem Entstehungsort. Auf die Menschen in den betreffenden Regionen hat die Wasserknappheit unterschiedliche Auswirkungen – von der Banalität durch Rasensprengungs- und Autowaschverbot entstellter kalifornischer Vorstädte bis zur chronischen Vergiftung von Millionen Menschen in Bangladesch durch die Abwässer der Textilfabriken, in denen unsere Lieblingsmode für den Sommer genäht wird.

Angesichts dieser Aussichten lohnt es, sich beim Einkaufen klarzumachen, von wo Ware und Wasser importiert worden sind. Leider ist bisher nur vereinzelt gekennzeichnet, wenn ein Produkt aus nachhaltiger Wasserwirtschaft stammt: Siegel wie der Blaue Engel, Naturland oder das Label Cotton from Africa weisen in die richtige Richtung, sind aber oft nur in Bioläden zu finden. Um zu erkennen, dass zum Beispiel Frühkartoffeln aus dem, für seine Wüstenlandschaft bekannten, Ägypten im Vergleich zu Tüften aus Dithmarschen in der Wasserbilanz nicht so gut abschneiden werden, braucht es allerdings kein Siegel, sondern gesunden Menschenverstand. Mit ein wenig Bewusstsein kann schon viel bewegt werden.

Eine Auswahl besonders wasserschluckender Produkte und weitere Informationen über ‚virtuelles Wasser‘ bietet die BUND-Wanderausstellung Durstige Güter, die im Mai in Kiel gastierte, unter virtuelles-wasser.de.

Autor*in

Eva ist seit November 2015 in der Redaktion. Sie studiert Biochemie und Molekularbiologie an der CAU. Als Ressortleiterin hat sie sich bis Anfang 2019 um den Hochschulteil der Zeitung gekümmert, mittlerweile schlägt ihr Herz für Online.

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