Ein leichter Geruch nach Formaldehyd, die Umgebung in sterilen Farben gehalten, ein paar grinsende menschliche Skelette und aufgeregt tuschelnde, junge Menschen in neugekauften Kitteln und Gummihandschuhen – der erste Besuch des Präpariersaales ist für jeden Medizinstudenten ein unvergessliches Erlebnis. Denn hier lernen Human- und Zahnmediziner im vierten Semester den Aufbau des Menschen anhand des Körpers eines Verstorbenen, so auch am Anatomischen Institut der CAU. Der Saal existiert bereits seit dem zweiten Weltkrieg, schon Generationen von Ärzten wurden hier ausgebildet.

Was machen Medizinstudenten wirklich hinter diesen Wänden?

In anderen Ländern lernen Studenten an Modellen oder auch in sogenannten „virtuellen Präpariersälen“. Julia Otto, Medizinstudentin im vierten Semester, hat den Kurs gerade hinter sich und sagt: „An Modellen kann man zwar auch viel sehen, nur bekommt man dabei keinen Eindruck davon, wie sich die einzelnen Strukturen in Wirklichkeit anfühlen und wie sie aussehen.“

Dieser Meinung ist auch Professor Dr. Dr. Schünke. Er ist am Anatomischen Institut in Kiel der „Prosektor“, dies ist eine seit dem Mittelalter bekannte Berufsbezeichnung für den „Sezierer“, der aus den Körpern die Präparate entnimmt. Heute betreut ein Prosektor in erster Linie die Studenten, Körperspender und Angehörigen. Der Student müsse nach seiner Meinung die Anatomie „begreifen“. Mit Schwerpunkt auf „greifen“, um den menschlichen Körper zu verstehen. Das gehe nur „auf dem Saal“, so die korrekte Präposition, und anhand echter Präparate. „Man muss ein Gefühl für Distanz und räumliche Tiefe bekommen und für die dritte Dimension im Körper. Kein virtuelles Programm kann uns außerdem zeigen, wie variabel der menschliche Körper ist und dass nicht immer alles wie im Lehrbuch aussieht“, sagt er.

So manch einem mag diese Lernmethode trotz aller Effizienz ungewöhnlich, vielleicht sogar unmoralisch, erscheinen. Sie lässt sich aber besser verstehen, wenn die Herkunft der Präparate einmal durchleuchtet wird. Alle Spenden stammen grundsätzlich von Menschen, die meist lange vor ihrem Tod testamentarisch verfügt haben, ihre Körper der Lehre von zukünftigen Ärzten zur Verfügung zu stellen. Es ist also ihr ausdrücklicher Wunsch, von Medizinstudenten im Präparierkurs „auseinander genommen“ zu werden, teils sogar als Präparate an den Instituten für viele Jahre zu verbleiben und so der Forschung zu dienen.

Der Kieler Präpariersaal von innen, Foto: Bernd Perlbach/Preetz

Grundsätzlich kann jeder seinen Körper einem Anatomischen Institut vermachen. „Nur im Falle eines unnatürlichen Todes, bei Infektionskrankheiten oder nach zu spätem Eintreffen des Körpers kommt eine Spende nicht mehr in Frage“, so Professor Schünke. Es komme aber vor, dass Spenden am Institut eintreffen, die sich später als ungeeignet herausstellen. Sei es auf Grund von Übergewicht– „eine Fülle an Körpergewicht frustriert Studenten und Präparatoren“– oder Tumoren im Körper. Das verursache dann zusätzliche Kosten ohne Lerneffekt.

Das Thema Finanzierung ist wie in allen Bereichen der Lehre auch hier problematisch. Denn neben den Kosten für den Transport der Spender nach Kiel, die Präparation und die Bestattung, beschäftigt das Institut auch über 50 Mitarbeiter, darunter Wissenschaftler, Laborassistenten und Präparatoren – viel Geld, das hier benötigt wird. Da das Sterbegeld im Jahre 2004 weggefallen ist, werden nun die Spender selber zur Kasse gebeten und auch die Studenten müssen 120 Euro überweisen, um am Kurs teilnehmen zu dürfen. Bei einem neuaufgesetzten Vertrag muss nun jeder Spender 1000 Euro zum Zeitpunkt seines Todes aufbringen. Eine normale Beisetzung kostet in Deutschland etwa 4500 Euro – Körperspender sparen also trotzdem über ihren Tod hinaus, was ein häufiger Grund für ihre „Spende“ ist. Trotzdem spenden die meisten ihren Körper aus Dankbarkeit an die Medizin oder aus Interesse an der Forschung.

Das Besondere am Kieler Präpariersaal ist seine moderne Ausstattung: Große Plasmabildschirme, Kameras, Beamer, Entlüftungsanlagen zur geringeren Schadstoffbelastung – „Was die Technik betrifft gehört er zu den Top- Sälen in Deutschland“, sagt Professor Schünke. „Und wir haben eine Fülle an Präparaten zur Verfügung, beispielsweise 20-30 Schultergelenke. So kann jeder sein ‚eigenes‘ Schultergelenk nehmen und daran lernen.“

Jeder Medizinstudent muss den Saal – diesen „roten Kasten“ am Otto-Hahn-Platz– aufsuchen und sich seinem gewöhnungsbedürftigen Inhalt stellen. Ohne bestandenen Präparierkurs gibt es auch kein Staatsexamen, da hilft keine Scheu und keine eventuellen religiösen Vorbehalte. Professor Schünke ist der Meinung: „Wer hier keine Faszination in Anbetracht des menschlichen Körpers entwickeln kann, ist unter Umständen für das Medizinstudium und den späteren Beruf als Arzt nicht geeignet“. Dass der Präparierkurs auch noch in Zukunft angeboten wird, hängt von der Bereitschaft der Menschen zur Spende ab. Wie wichtig das ist, macht eine Medizinstudentin in ihrer Aussage noch einmal deutlich: „Es ist einer der wichtigsten Kurse gewesen, den wir bis jetzt in unserer Ausbildung gemacht haben. Was man selber ‚gepräpt‘ hat, das vergisst man auch nicht wieder.“

Jeder Medizinstudent muss den Saal – diesen „roten Kasten“ am Otto-Hahn-Platz – aufsuchen und sich seinem gewöhnungsbedürftigen Inhalt stellen. Ohne bestandenen Präparierkurs gibt es auch kein Staatsexamen, da helfen keine Scheu oder eventuelle religiöse Vorbehalte. Professor Schünke ist der Meinung: „Wer hier keine Faszination in Anbetracht des menschlichen Körpers entwickeln kann, ist unter Umständen für das Medizinstudium und den späteren Beruf als Arzt nicht geeignet“. Dass der Präparierkurs auch noch in Zukunft angeboten wird, hängt von der Bereitschaft der Menschen zur Spende ab. Wie wichtig das ist, macht eine Medizinstudentin in ihrer Aussage noch einmal deutlich: „Es ist einer der wichtigsten Kurse gewesen, den wir bis jetzt in unserer Ausbildung gemacht haben. Was man selber ‚gepräpt‘ hat, das vergisst man auch nicht wieder.“

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