„Damals war alles besser“, hört man ältere Menschen heute oft sagen. Ein Satz, der vielleicht auch uns einmal kopfschüttelnd und mit melancholischem Blick über die Lippen geht, wenn wir in 20 Jahren den Campus der CAU betreten.

Vielleicht bezieht sich diese Aussage sogar auf die neue und deutlich angenehmere Transportmöglichkeit an der Uni: „Früher, da hatten wir noch keine lautlose Schwebebahn, die vom Audimax bis zum Botanischen Garten fährt. Da ist man Fahrrad gefahren oder in einen Bus randvoll mit Studierenden gestiegen. Und hat es uns geschadet?“ Kritisch beäugt wird wahrscheinlich auch die Bibliothek, die mittlerweile all ihre Bücher digitalisiert hat. Ein paar Regale mit alten Wälzern stehen noch zur Dekoration dort, der Rest wurde entsorgt. Stattdessen nutzen die Studierenden nun Bildschirme, die ohne Gehäuse auf den Schreibtischen schweben. Und auch die Mensen wurden vor der Modernisierung nicht verschont. Statt Kassen gibt es mittlerweile vollautomatische Zahlungssysteme, Teller werden von Maschinen aufgefüllt und die Küche braucht nur noch einen Mitarbeiter, um die Kochroboter zu kontrollieren. Ein kleiner Trost für uns wird vielleicht das Essen selbst sein – keine Veränderung im Vergleich zu heute.

Ob sich das Lernen in 20 Jahren von heute (2018) unterscheidet, das ist eine andere Frage: Vermutlich werden in 20 Jahren auch die letzten Overhead-Projektoren aus den Seminarräumen verbannt und selbst die Tafelbildfanatiker unter den Lehrenden sich dem Tablet als Schreibhilfe zugewandt haben. Aber wird sich auch die Art der Lehre, werden sich die Lehrinhalte ändern? Als DER ALBRECHT Anfang November Studierende auf dem Campus zu ihren Visionen für die Uni in 20 Jahren befragte, war die Digitalisierung des Lernens der Aspekt, der die meisten Studierenden beschäftigte: Sei es die Kursanmeldung über ein weniger kompliziertes Online-System, das Streamen von Vorlesungen im Netz oder Online-Seminare.

Auch die Universitäten selbst sehen ihre Zukunft in diesem Bereich: Die britische Coventry University kündigte zum Beispiel schon im Sommer 2017 an, in den nächsten Jahren mehr als 50 komplette Online-Studiengänge einzurichten, bei denen die Studierenden weder für Prüfungen noch für Vorlesungen oder Seminare einen Fuß auf das Universitätsgelände setzen müssen. Ein solches Studium bietet natürlich mehr Flexibilität, könnte den Wohnungsmarkt in überlaufenen Uni-Städten entlasten und mehr auf das Lerntempo einzelner Personen eingehen. Weiter gesponnen bedeutet dieser Gedanke allerdings, dass die Freiheit, die für Studierende mit dieser Form des Lernens einhergeht, einen nicht unerheblichen Preis hat: die Verwandlung der Universität in einen gesichtslosen virtuellen Raum, der Studierenden Qualifikationen für den Beruf bietet, aber auch nicht mehr als das. Wenn alle online und von zuhause arbeiten und lernen, ist die Mensa dann noch ein quirliger Ort voller Stimmengewirr und Gesprächen? Bevölkern dann noch Hochschulgruppen und ihre Aktionen den Campus? Oder werden die Universitätsgebäude dann mangels Raumnachfrage in Server-Farmen umgerüstet? „Der Campus wird leerer werden, obwohl immer mehr Leute studieren”, sagt Jenny, die Psychologie an der CAU studiert, zu den Auswirkungen der Digitalisierung.

Schon heute (2018) beklagen Professor*innen, dass das tiefgehende Interesse für Fach, Unileben und Engagement abseits des Studiums im Vergleich zu vor 20 Jahren nachgelassen habe, wenn man die Gesamtheit der Studierenden betrachte. Tatsächlich: Viele Studierende begründen dies damit, dass ihnen das Studium kaum freie Zeit lasse. „Verschulter als jetzt kann das System gar nicht mehr werden“, antwortete eine Studentin auf unsere Frage, wie sie sich das Studium in 20 Jahren vorstelle. Andererseits wünschen sich viele der Befragten nicht unbedingt mehr Zeit für freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit und Engagement, sondern eine praxisbezogenere Ausbildung, die sie spezifischer auf den Beruf vorbereite. Hier offenbart sich ein Unterschied in der Einstellung zur Institution Uni bei den Studierenden von heute und den Lehrenden und Studierenden von gestern. Worauf die Studierenden von morgen ihren Fokus legen werden, bleibt spannend.

Wahrscheinlich werden diese Studierenden von morgen mit den Augen rollen, wenn sie unsere sentimentalen Kommentare zum futuristischen Campus hören. „Damals war vielleicht alles anders“, würden sie erwidern, „aber es war bestimmt nicht alles besser.“ Schließlich ist Fortschritt nicht aufzuhalten. Nur lohnt es sich vielleicht, innezuhalten und zu reflektieren, ob wir auch in die richtige Richtung schreiten.

 

Autor*in

Eva ist seit November 2015 in der Redaktion. Sie studiert Biochemie und Molekularbiologie an der CAU. Als Ressortleiterin hat sie sich bis Anfang 2019 um den Hochschulteil der Zeitung gekümmert, mittlerweile schlägt ihr Herz für Online.

Autor*in

Jonna ist 19 Jahre alt und studiert BWL an der CAU. Seit dem Sommersemester 2017 gehört sie zur ALBRECHT-Redaktion.

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