Jan van Aken ist Bundestagsabgeordneter der Linken und Experte für Rüstungsexporte. Für den ALBRECHT beantwortete er einige Fragen zur deutschen Rüstungsexportpolitik.

DER ALBRECHT: Herr van Aken, welche Problematiken sehen Sie hinsichtlich der deutschen Rüstungsexportgenehmigungen durch den Bundessicherheitsrat? Was muss sich Ihrer Meinung nach in Zukunft ändern?

Jan van Aken: Die Große Koalition hat die Regeln des Bundessicherheitsrates jüngst geändert. Über die dort, sowie in der vorbereitenden Staatssekretärsrunde, gefällten Exportentscheidungen ist nun nach Bundestagsbeschluss binnen zwei Wochen das Parlament zu unterrichten. Leider ist das nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Über die so genannten Voranfragen zu Rüstungsexporten, die dem eigentlichen Exportantrag zum Teil Jahre vorausgehen, wird das Parlament weiterhin nicht unterrichtet. Diese aber sind bereits mehr als eine Vorentscheidung. Damit bleibt eine öffentliche Debatte über heikle Geschäfte weiterhin unmöglich. Über den im Bundessicherheitsrat diskutierten und vorentschiedenen Panzerexport nach Saudi-Arabien wüssten wir – im Parlament wie in der Öffentlichkeit – beispielsweise auch nach der Neuregelung nichts. Dieses Vorhaben kam nur ans Licht der Öffentlichkeit, weil irgendjemand gegen die Vertraulichkeit des Gremiums verstoßen hat. Des weiteren wäre es dringend erforderlich, dass die Bundesregierung erklärt, warum sie die jeweiligen Exporte genehmigt hat. Bislang werden solche Entscheidungen nicht begründet.

Wie erklären Sie sich, dass die Exporte in Drittländer in den vergangenen Jahren stark zugenommen haben?

Aufgrund der budgetären Engpässe in den traditionellen Absatzmärkten deutscher Rüstungsgüter wendet sich die deutsche Rüstungsindustrie verstärkt neuen Märkten zu. Dies beinhaltet nicht nur Staaten, die zuvor keine Rüstungsgüter aus Deutschland bezogen haben, sondern auch und vor allem Rüstungsgüter, die in früheren Jahrzehnten an manche Staaten nicht verkauft wurden. Der Versuch, Kampfpanzer an Saudi-Arabien zu veräußern, kann hierfür als Beispiel dienen. Zwar wächst die weltweite Nachfrage nach Waffen, jedoch nicht in dem Maße, dass alle diese westlichen Hersteller ihre Ausfälle in Übersee kompensieren könnten. Mit anderen Worten: Der Export kann das Grundproblem nicht lösen.

Wie erklären Sie sich, dass deutsche Kleinwaffen und andere Rüstungsgüter auch in konfliktreiche Regionen gelangen, obwohl dies den politischen Grundsätzen der Bundesregierung widerspricht? Auf welche Weise könnte dies verhindert werden?

Die politischen Grundsätze sind außerordentlich weich formuliert. Sie eröffnen den jeweiligen Bundesregierungen weiten Spielraum, Rüstungsexporte nach den jeweiligen Prämissen zu genehmigen. So wäre ein Verkauf der Leopard-Panzer nach Saudi-Arabien durchaus mit dem Wortlaut der Grundsätze vereinbar. So wie es der Verkauf der G36-Fabrik dorthin war. Die unkontrollierte Verbreitung deutscher Kleinwaffen kann schlussendlich nur durch eine Maßnahme beendet werden: Einem Kleinwaffenexportverbot und dem Verbot von Lizenzvergaben. Selbst eine Endverbleibskontrolle vor Ort, die eine Abkehr beziehungsweise eine Ergänzung vom aktuellen System der ex-ante-Prüfung wäre, und an sich begrüßenswert ist, könnte nur gewisse Auswüchse beenden, das grundsätzliche Problem würde sie nicht lösen.

Wäre es eine realistische Option, auf Rüstungsexporte zu verzichten? Würde dies nicht lediglich dazu führen, dass die Profite ausländischer Rüstungsindustrien aufgrund der Nachfrage steigen?

Japan hat jahrzehntelang keine Rüstungsgüter exportiert und tut dies auch heute nur in äußerst begrenzten Fällen. Daher ist ein Exportstopp nicht nur eine realistische, sondern auch eine bereits bewiesene Option. Ausländische Rüstungskonzerne würden durchaus in die Lücke stoßen, die die deutschen Konzerne hinterließen. Aufgrund der Vorbildfunktion, die ein deutscher Exportstopp hätte – nicht zuletzt aufgrund der politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der Bundesrepublik – ist es durchaus im Bereich des Wahrscheinlichen, dass einige Länder folgen würden. Im Minimum würde eine internationale Debatte entstehen, die in Restriktionen und höheren Standards bei Rüstungsexporten münden würde. Nicht zuletzt muss man sich aber auch die Frage stellen, ob man solche Profite, die schlussendlich auf dem Leid und dem Tod Tausender basieren, wirklich erzielen möchte. An den Händen der Bundesrepublik würde das Blut der Toten zumindest nicht mehr kleben.

Wie beurteilen Sie die Rüstungsexporte Deutschlands vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte und den Ereignissen des vergangenen Jahrhunderts?

Es wäre der richtige Schritt gewesen, Rüstungsexporte von Beginn an, das heißt im Grundgesetz, zu verbieten. Artikel 26 (2) des Grundgesetzes verbietet den Export von Kriegswaffen, sofern die Bundesregierung ihn nicht genehmigt. Es ist dem Grundgesetz nach also möglich. Angesichts der aktuellen Exportzahlen, vor allem der massiven Exporte in Staaten, die eine verheerende Menschenrechtsbilanz aufweisen, wie Saudi-Arabien, Pakistan, Algerien, bezweifele ich aber sehr, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes die gegenwärtige Praxis gutheißen würden. Artikel 26 (1) stellt Handlungen, die „das friedliche Zusammenleben der Völker stören“ unter Strafe. Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien, das mit Waffengewalt die Demokratiebewegung in Bahrain niedergeschlagen hat und die Volksgruppe der Houthis in Jemen aktiv bekämpft, sind für mich geradezu der Inbegriff einer Handlung, die das friedliche Zusammenleben der Völker stört. Der Wortlaut des gesamten Artikel 26 lässt die Möglichkeit des Rüstungsexports offen. Aber der Geist, in dem er verfasst wurde, schließt sicherlich Waffenexporte an Staaten wie Saudi-Arabien aus.

Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Jasmin Helm.

Foto: Jan van Aken

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