Dale Hibbert betreibt heute zusammen mit seiner Frau Svet ein veganes Café in Todmorden. Er hat genau einen Gig als Mitglied von The Smiths gespielt, er wurde direkt danach durch Andy Rourke ersetzt, einen alten Freund Johnny Marrs, der Gitarrist der Gruppe. Ende 1982 war durch diesen Wechsel der Grundstein für zu schreibende Musikgeschichte gelegt. The Smiths waren von Anfang an anders als die Anderen: Dominierten in den frühen 80er Jahren sonst hochtrabende Bandnamen wie Spandau Ballet oder Orchestral Manoeuvres in the Dark, wählten die vier Mancunians bewusst einen Allerweltsnamen, alles andere erschien „prätentiös“. Neben Andy Rourke am Bass und Johnny Marr an der Gitarre sind The Smiths vor allem Steven Patrick Morrissey, der unter seinem Nachnamen auftritt – Mike Joyce spielt Schlagzeug, ist aber genau wie Andy Rourke mehr Beiwerk denn stilprägend.

Wie auch bei den Beatles John Lennon und Paul McCartney die Songwriter sind, sind es bei The Smiths Johnny Marr und Morrissey. „Hand in Glove“ wird die erste Single der Band, 1983 erscheint sie und enthält angeblich „verschleierte Hinweise auf Homosexualität“. Das Cover ziert dazu ein nackter Mann vom mittleren Oberschenkel aufwärts von hinten abgebildet. Die Band war sich der Wirkung auf das England der Zeit des Thatcherism bewusst, die Smiths schocken immer wieder mit voller Absicht das Establishment. Zitate aus Werken des Dramatikers Shelagh Delaney sind Vorboten für die Vielzahl intellektueller Reverenzen, die Morrissey in seine Texte wirkt.

1984 folgt das erste Studioalbum, The Smiths. Die ersten Aufnahmen waren dem Produzenten, John Porter, nicht gut genug und so wurde das gesamte Album innerhalb einer Woche neu aufgenommen und produziert. Morrissey war mit dem Ergebnis nicht zufrieden, eine anstehende Tour und die bisher ausgegebenen 6000 Pfund für Aufnahmen und Produktion zwangen die Gruppe jedoch zur Veröffentlichung. Im Januar wurde die Vorabsingle „What Difference Does It Make?“ veröffentlicht und erreichte Platz 12 der Charts.

Am 20. Februar schließlich stieg The Smiths auf Platz 2 der britischen Charts ein. In der Besprechung von Musikkritker Gary Mulholland finden sich Zeilen wie „The Smiths sichern ihre frühe Legende mit einem Debüt über Kindesmissbrauch“ und „alles an The Smiths läuft konträr dem Pop der Mitte der 80er, […], hautptsächlich durch Morrisseys dramatisierten Ekel Sex gegenüber, der hier existiert, um im besten Fall wahre Liebe zu ruinieren und eine gesamtes junges Leben im schlimmsten.“ Andere Stimmen nennen Morrissey einen „beißenden, sexuell-frustrierten Schüler Oscar Wildes.“

Dem Debut folgt „Meat Is Murder“ im Februar 1985, das aussetzt, die Produktionsenttäuschung des Vorgängers wett zu machen. Das Album ist politischer und enthält unter anderem einen titelgebenden Pro-Vegetarismus Song, auf dem das Stöhnen von Schlachtvieh zu hören ist. Der Vegetarier Morrissey verhindert in Zukunft Fotos, die andere Bandmitglieder Fleisch essend abbilden. Aufgrund ihrer Beliebtheit wird die nicht auf dem Album enthaltene Single „How Soon Is Now“ auf der US- und kanadischen Version des Albums veröffentlicht, die Singles des Albums selbst sind nicht sonderlich erfolgreich, erst die Veröffentlichung von „The Boy With The Thorn in His Side“ im Herbst 1985 hat den Erfolg, den das 1986er Album „The Queen Is Dead“ haben soll. Alle wichtigen Musikzeitschriften und Tageszeitungen verteilen Höchstwertungen, einzig der Chicago Tribune hat nur vier von fünf Sternen für das Album übrig, das NME 2013 das beste aller Zeiten nennt. Das bekannteste Lied des Albums und zugleich berühmteste der Band „There Is A Light That Never Goes Out“ erscheint 1987 in Frankreich, wird aber erst 1992, vier Jahre nach Auflösung der Gruppe international veröffentlicht. Die aktuelle Generation kennt es wohl am ehesten aus „500 Days of Summer“ Summer (Zooey Deschanel) nimmt es zum Anlass, ihrem Arbeitskollegen und späteren Lebensabschnittsgefährten Tom (Joseph Gordon-Levitt) einen guten Musikgeschmack zu attestieren. Das auch durch den Film neue Berühmtheit erreichende „Please, Please, Please , Let Me Get What I Want“ erscheint im Sommer 1984 als B-Seite von „William It Was Really Nothing“ und im Herbst desselben Jahres auf dem ersten Sampler der Band „Hatful of Hollow“.

Neben vier Studioalben veröffentlichen The Smiths drei Sampler – viele der Lieder erscheinen erst als B-Seite oder eigenständige Single, später dann auf Samplern oder erst 2011 mit der Box „Complete“, auf der genau genommen drei Studioaufnahmen fehlen. Ende September 1987 erscheint das letzte Studioalbum „Strangeways, Here We Come“. Slant Magazine schreibt hierzu „Ob SHWC die kurze Karriere von The Smiths mit ihrem besten Album beendet, ist seit fast einem Vierteljahrhundert Gegenstand beträchtlicher Debatte, aber er ist sicherlich das üppigste, reichhaltigste Werk der Band.“ Johnny Marr nimmt schon nach den Aufnahmen zu „Strangeways, Here We Come“ eine Auszeit von der Band und die Reaktionen seiner Bandmitglieder sowie ein Artikel im New Musical Express mit dem Titel „Smiths to Split“ führt zu seinem Ausstieg im Juli 1987. Ein anderer Gitarrist ersetzt ihn auf weiteren Aufnahmen, die jedoch nicht veröffentlicht werden. Das 1986 aufgenommene Live Album „Rank“ markiert schließlich das Ende der Band.

Während Morrissey eine erfolgreiche Solokarriere startet und Marr weitere Projekte startet und unter anderem mit Oasis zusammenarbeitet, machen Andy Rourke und Mike Joyce keine Schlagzeilen mehr, doch bleiben dem Musikgeschäft treu. Joyce arbeitet unter anderem mit Suede und Sinnead O’Connor, Rourke schreibt an drei Morrissey-Singles mit. 1989 folgt ein Prozess um die Gewinne an den Musikverkäufen. Joyce und Rourke sehen sich geprellt, da sie nur jeweils 10% der Einnahmen bekommen, während Morrissey und Marr je 40% zustehen. Der verschuldete Rourke stimmt einer Abfindung in Höhe von 83000 Pfund zu und erhält weiterhin 10% der Gewinne, Joyce streitet sich zu 1 Million Pfund in rückerstatteten Gewinnen sowie einer zukünftigen Beteiligung von 25%.

Die Musik der Smiths ist zwiegespalten. Eine meist peppige Instrumentierung steht im krassen Gegensatz zu den düsteren, lebensverachtenden, scharf zynischen Texten von Morrissey. Zeilen wie „It’s not my home, it’s their home and I’m welcome nomore.“ und „I wear black on the outside, cos black is how I feel on the inside.“ tragen hiervon Zeugnis. Morrissey besingt das Schicksal des Außenseiters, der als Kind gehänselt wurde und nun zu einem dysfunktionalen Mann herangewachsen ist, er kritisiert und persifliert und macht immer wieder sein eigenes Elend zur Pointe. The Smiths kritisieren ihre Umwelt und das erfüllungslose Nachtleben „The music that they constantly play, it says nothing to me about my life.“. Der Hass auf das England ihrer Zeit gipfelt schließlich in Titeln wie „Margaret on the Guillotine“, einem Solotitel Morrisseys von 1988.

Namhafte Bands wie Oasis, The Stone Roses, Blur, Suede und The Libertines zählen The Smiths zu ihren Einflüssen, kein Indiefilm kommt ohne The Smiths Soundtrack aus und jeder selbsternannte Scenester gerät vor einer grünen Erstpressung von „The Queen Is Dead“ in Verzückung. The Smiths gibt es seit 29 Jahren nicht mehr, doch ihr Einfluss erlischt noch lange nicht.

 

Autor*in

Paul war seit Ende 2012 Teil der Redaktion. Neben der Gestaltung des Layouts schrieb Paul gerne Kommentare und ließ die Weltöffentlichkeit an seiner Meinung teilhaben. In seiner Freizeit studierte Paul Deutsch und Anglistik an der CAU.

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