Queere Themenwochen gegen Diskriminierung und für mehr Inklusion

Was bedeutet queer? Wie verhalten sich Sprache und Gesellschaft zueinander? Wie funktioniert Inklusion? In den ersten Queeren Themenwochen vom 16. Mai bis zum 07. Juni 2014 an der Uni Kiel gaben engagierte Menschen Antwortmöglichkeiten auf diese und viele andere Fragen. In Kooperation mit der queer students group (qsg) und dem HAKI e.V. Kiel, einem Verein für queere Emanzipationsarbeit, gelang es den beiden Queer-Beauftragten des AStA, Guillem Schaal Moreno und Janine Dilchert, Referenten für verschiedene interaktive Vorträge zu gewinnen. Dass die seit dem Wintersemester 2013/2014 bestehende qsg seit kurzem zwei Queer- Beauftragte stellen kann, sei „ein wichtiger Schritt von studentischer Gemeinschaft hin zu politischen Handlungsspielräumen“, erklärte Alexander Nowak (HAKI e.V. und qsg). Sind die beiden Queer- Beauftragten derzeit noch dem Referat für Sozialpolitik unterstellt, sei das langfristige Ziel sogar ein eigenes Queer-Referat.

In einem ersten Vortrag am 16. Mai stellte Muriel Aichberger vom Queer-Referat der Studierendenvertretung der LMU München vor etwa 50 Zuschauern ‚queer‘ als einen bewusst offenen Sammelbegriff für all jene Menschen vor, die den gesellschaftlichen Normalitätserwartungen nicht entsprechen. Dies könne die Heterosexualität, ‚normale‘ sexuelle Vorlieben, oder eine zugewiesene soziale Geschlechterrolle betreffen. Lea Gundlach (HAKI e.V. und qsg) und dem Psychologen Alexander Nowak ging es in ihren Vorträgen um bestimmte Formen der Diskriminierung in Folge solcher Normalitätsvorstellungen und um Möglichkeiten, auf sie zu reagieren.

Lea, Studentin der Germanistik und Spanischen Philologie an der Uni Kiel, zeigte dies in ihrem Vortrag „Gendern nervt!?“ anhand der Sprache. Die sei nicht etwa bloßer Spiegel gesellschaftlicher Vorstellungen, sondern produziere und verfestige selbst gewisse Hierarchien. So habe sich ein sprachliches System entwickelt, in dem das Männliche mit dem Normalen und das Weibliche mit dem Anormalen und speziell zu Kennzeichnenden gleichgesetzt werde. Im Plural verschwindet letzteres außerdem immer dann, wenn der Sprechende zumindest ein Individuum einer Gruppe als männlich kategorisiert. Sprache – so die Hauptaussage des Vortrags – blende das Weibliche als ‚das Andere‘, aber auch Menschen, die sich nicht eindeutig als weiblich oder männlich kategorisieren wollen, systematisch aus und diskriminiere sie. Gendering in Form von Beidnennung („Studenten und Studentinnen“), Gender Gap („Student_innen“) oder Binnen-I („StudentInnen“), erweist sich also vor dem Hintergrund der Wirkmächtigkeit von Sprache als Mittel, um solche Hierarchien aufzubrechen und Diskriminierung zu stoppen.

Im Zentrum von Alexander Nowaks Vortrag „Menschenrechte. Inklusion. Queer“ stand die Übung „Ein Schritt nach vorn“, bei der jeder Teilnehmer eine zufällige, fremde Identität annahm. Diese setzte sich aus Geschlecht, Alter, Beruf, Ethnie und Schulbildung zusammen und ließ den Teilnehmenden die Möglichkeit, auf diesen Informationen aufbauend über mögliche, damit zusammenhängende Formen der Diskriminierung zu reflektieren. „Eine Gesellschaft muss sich daran messen lassen, wie sie mit ihren schwachen Mitgliedern umgeht“, forderte Alexander Nowak. Für ihn könne gesellschaftliche Inklusion nur über den Weg einer allumfassenden Arbeit gegen Diskriminierung erreicht werden. Deswegen engagiere er sich für Menschen, die wegen körperlicher, geistiger und psychischer Beeinträchtigungen, aber auch aufgrund der Ethnie, des Geschlechts, ihrer sexuellen Vorlieben oder sozialer Herkunft diskriminiert werden. Dabei reiche es nicht, zuvor ausgegrenzte und als homogen vorgestellte Gruppen in die Gesellschaft integrieren zu wollen. Vielmehr sei eine Gesellschaft erst dann inklusiv, wenn ihre Mitglieder Menschen nicht mehr auf bestimmte abweichende Merkmale reduziere.

Nachdem am 31. Mai Lesben, Schwule, Bi‘s, Transgender und alle Interessierten den Christopher Street Day unter dem Motto „Fit für‘s Coming Out“ gefeiert hatten, erreichten die queeren Themenwochen mit der Vorführung der Dokumentation „Benim Cocugum, My Child“ wohl ihren emotionalen Höhepunkt. In dieser erzählten Eltern die Geschichte ihrer türkischen LGBTIQ* (lesbischen, schwulen, bisexuellen, transsexuellen, transgender, intersexuellen und sonst abweichenden) -Kinder und des gemeinsamen Kampfes für mehr Akzeptanz.

In der queeren Semesterparty im Detail fanden die Themenwochen schließlich ihren Abschluss. „Die Queeren Themenwochen waren ein voller Erfolg. Wir hätten nie mit einem so großen Zulauf gerechnet“, resümierte Guillem Schaal Moreno. Dieses Gefühl mochte auch die E-Mail eines Medizin- Studenten nicht trüben. Dieser hatte dem AStA vorgeworfen, eine „menschenverachtende Gender- Ideologie“ zu unterstützen. „Solche Reaktionen sind die absolute Ausnahme, wir sind auf einem guten Weg“, schätzte Guillem die Lage mit Blick auf das tägliche Engagement für Inklusion und gegen Diskriminierung ein. Zuversichtlich planen die qsg und die Queer-Beauftragten schon die nächsten Aktionen: „Im Winter werden wir eine Filmreihe veranstalten“, kündigte Gesa Bertrang an, Vorsitzende der qsg. Und eine queere Semesterparty sei ab jetzt sowieso obligatorisch.

Foto: Laura Kranich

Autor*in

Jonathan studiert Geschichte und Philosophie. Seit April 2014 schreibt er für den ALBRECHT. Sein Interesse gilt besonders Formen studentischer Selbstorganisation.

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