Jede Frau kennt ihn, den Moment, in dem sie vollkommen verzweifelt aufgeben möchte. Genauer gesagt: den Jeanskauf. Zu lang, die Löcher für die Knie auf Schienbeinhöhe angebracht, nicht das richtige Material, die falsche Farbe… Diese Liste kann endlos fortgeführt werden. Soll eine Jeans am Hintern schön eng sitzen, muss man sie erst einmal über die Oberschenkel ziehen. Daran scheitert das Projekt häufig schon. Einen ebenso gnadenlosen Spiegel halten einem der BH-Kauf, die Suche nach Schuhen oder die Jagd nach der perfekten Robe für den großen Auftritt vor. Meistens passt es nicht, wackelt nicht und hat wenig Luft.

Diese Probleme nehmen in großen Größen – Achtung, Wortwitz – nicht gerade ab. Frauen, die aus dem normierten Rahmen fallen, haben es schwer, Mode nach ihrem Geschmack und zu vernünftigen Preisen zu finden. Das betrifft nicht nur diejenigen mit ein paar Kilos mehr auf den Rippen, sondern auch besonders große oder kleine Frauen oder Leute, die einhergehend mit ihrer Liebe zum Fitnessstudio ein breites Kreuz oder einen großen Bizeps in Kauf nehmen müssen, welche Tops und T-Shirts sprengen. Einige wissen sich zu helfen, kaufen in der Kinderabteilung oder nähen ihre Klamotten um. Diese kreativen Notlösungen sind bewundernswert, sollten allerdings gar nicht nötig sein. Stattdessen sollte anerkannt werden, dass Frauen aller Körperformen sich für Mode interessieren, Spaß an ihr haben oder auch mal ein politisches Statement damit setzen. Für Bloggerin Alex, die mit Some Girls* are Bigger than Others einen der ersten deutschsprachigen Plus Size Blogs betreibt, ist Mode eine „Kluft zwischen ‚Normierten‘ und Leuten, die nicht in das Raster passen“. Diese Kluft gilt es zu überbrücken beziehungsweise ganz zu beseitigen. Ungenormte Kleidung sollte demnach keine abgelegene, überteuerte Nische sein, sondern gerade selbst die Norm darstellen.

Ja, Frau darf Kurven haben, aber bitte an den richtigen Stellen und immer noch so, dass sie perfekt zum restlichen Erscheinungsbild passen. Kurven in der Mitte des Körpers sind nicht gern gesehen und lassen sich auch nicht gut vermarkten. Die Modeindustrie gaukelt ein Ideal vor, das es auf der Straße in den seltensten Fällen gibt, welches aber trotzdem als Vorbild für die genormten Größen gilt. Mit Photoshop wird ein Bild erzeugt, das so rein gar nichts mit dem alltäglichen Leben zu tun hat. Auf den High Fashion-Laufstegen wandeln zumeist gefährlich dünne Models. Nach diesem Präsentationsobjekt richten sich die großen Marken und verkaufen nicht nur Textilien, sondern ein ganzes Lebensgefühl, das auf diesem Schönheitsideal beruht. Läden wie Zara oder H&M ziehen eine Saison später nach.

Es ist wichtig, anzuerkennen, dass wir eben nicht alle gleich sind. Bevor es da zu Verständnisproblemen kommt: Natürlich besteht Gleichheit im Hinblick auf den Wert eines Menschen, auf sein Menschsein an sich. Aber körperlich sind wir nun einmal alle unterschiedlich. Das hört nicht bei der Unterscheidung von ‚dick‘ und ‚dünn‘ auf, sondern geht immer weiter. Männer sind davon ebenso betroffen wie Frauen, von Menschen mit nichtbinären Geschlechtsmerkmalen ganz zu schweigen.

Mode hat immer mit Ausdruck zu tun und ist, ob gewollt oder ungewollt, ein Kommunikationsmittel. Viele Menschen haben Spaß daran, mit Kleidung zu experimentieren, wollen Trends setzen oder ihnen nachlaufen. All diesen Spielarten muss aber die Möglichkeit zur Existenz gegeben werden. Das wird nicht durch die Vermittlung einer utopischen Norm erreicht, sondern mit der Anerkennung verschiedener Körperformen und einer positiven Einstellung. Via Internet ist es leichter, sich einer Gemeinschaft anzuschließen, gehört zu werden und eine Plattform für all jene zu errichten, denen diese sonst nicht geboten wird. Genauso kann das ‚positive body image‘ verbreitet werden – auch wenn dies auf Instagram und anderen sozialen Netzwerken oft mit sogenannten Challenges (aka meine-Taille-passt-hinter-ein-hochkantgehaltenes-DIN-A4-Blatt) ins Gegenteil verkehrt wird.

Was hat das nun aber mit Feminismus zu tun? Das kommt darauf an, welcher feministischen Theorie man anhängt. Was allerdings allen Theorien gemein ist, ist das Bestehen auf Gleichberechtigung, egal ob zwischen Mann und Frau oder durch die komplette Auflösung geschlechtlicher Kategorien, wie sie beispielsweise der dekonstruktivistische Feminismus nach Judith Butler vertritt. Ein Schritt zur Gleichheit ist demnach die Anerkennung von Unterschieden. Das klingt zunächst paradox, ist aber simpel. Wenn ich anerkenne, dass jeder Mensch unterschiedlichen Bedingungen unterliegt, dann kann ich damit anfangen, diese Bedingungen nicht als genuin gegeben zu betrachten, sondern versuchen, die Strukturen aufzubrechen und so allen dieselben Möglichkeiten zu verschaffen. Genau das betrifft auch die Mode, die Teil der politischen Kette der Gleichberechtigung ist. Jeder Mensch sollte tragen dürfen, was ihm gefällt. Mode als Ausdruck der eigenen Persönlichkeit ist ein wichtiger Baustein von Individualität. Und genau diese gilt es doch, zu fördern – auf allen gesellschaftlichen Ebenen.

Zu diesem Zweck muss jeder versuchen, seine eigene Körperform und die aller anderen zu akzeptieren, sich nicht dem Diktat von Modeindustrie und Werbung zu unterwerfen. Die Basis dafür bietet Unterstützung, kein gegenseitiges ‚shaming‘ oder ‚hating‘. Dann kann hoffentlich auch ein anderer Markt angesprochen werden, der momentan vorwiegend im Internet vertreten ist. Es kann nicht die Lösung sein, dass Menschen nicht mehr in Läden gehen können, weil sie dort keine passende Kleidung finden. Meistens hapert es allerdings an der praktischen Umsetzung. Die Wenigsten werden aufhören, bei H&M zu kaufen oder nur noch auf Flohmärkte und Tauschkreisel setzen. Aber: Umdenken beginnt im Kopf. Wenn wir daran denken, dass die Norm eben nicht die Norm ist, haben wir schon einen kleinen Schritt geschafft, der wiederum neue Möglichkeiten eröffnen kann.

Autor*in

Maline ist 25 und studiert Deutsch und Politikwissenschaft im Master an der CAU. Sie ist seit Mai 2015 Mitglied beim Albrecht.

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