Die Großmutter muss für eine Weile das Krankenhausbett hüten und den Familienmitgliedern fehlt oft die Zeit für ausgiebige Besuche. Was daraus resultiert, ist für die Betroffenen zum einen Langeweile und Einsamkeit, auf der anderen Seite steht die Familie mit einem oftmals schlechten Gewissen. Durch die Ökumenische Krankenhaus-Hilfe der Grünen Damen und Herren wird das Bedürfnis der Kranken nach einem Moment des Zuhörens gerne erfüllt.

Britta Thoroe und Sigrid Pauls. Foto: Schütze-Merkel
Britta Thoroe und Sigrid Pauls. Foto: Schütze-Merkel

DER ALBRECHT: Frau Pauls und Frau Thoroe, Sie sind die Einsatzleiterinnen der Grünen Damen und Herren am Städtischen Krankenhaus Kiel. Was macht eine Grüne Dame oder ein Grüner Herr?

Britta Thoroe: Wir verschenken Zeit, aber kein Geld. In der Praxis heißt das: Tägliche Besuche der Patienten auf allen Krankenhausstationen, ausgenommen der Kinder- und Jugendklinik, sowie der Wöchnerinnnenstation. Jeder Patient, der gerne möchte, erhält etwas Aufmerksamkeit. Sei es in Form von Vorlesen, den Gang zum Kiosk erledigen oder auch einfach nur 15 Minuten zuhören. Zur Unterhaltung bieten wir den Patienten auch Bücher aus unserer kleinen Bibliothek an, in der für jeden Geschmack etwas zu finden ist.

Aus diesem Tätigkeitsfeld lässt sich nicht auf den Namen schließen. Können Sie erklären, was es mit der Farbe „grün“ auf sich hat?

Sigrid Pauls: Dazu müssen wir einen Blick in die Entstehungsgeschichte der Grünen Damen und Herren werfen. Ursprünglich stammt diese Form der ehrenamtlichen Arbeit aus den USA. Dort gibt es die sogenannten Pink Ladies in Krankenhäusern, die dieselbe Arbeit verrichten wie wir. Benannt sind jene nach ihren rosafarbenen Kitteln.

Brigitte Schröder regte die Entstehung dieses sozialen Dienstes in Deutschland an, sodass 1969 die ersten Grünen Damen in Düsseldorf gegründet worden sind. Das „grün“ im Namen leitet sich also von den spezifischen Farben der Krankenhauskittel ab. Im Sinne der Gleichberechtigung wurde der Name Grüne Damen schließlich in Grüne Damen und Herren umbenannt. Heute sind deutschlandweit etwa 11 000 Ehrenamtler und Ehrenamtlerinnen tätig, davon bis zu 10 Prozent Herren. Die Ökumenischen Krankenhaus-Hilfen sind bundesweit vernetzt und haben sogar einen eigenen Dachverband. Regelmäßig finden Tagungen auf Regional-, Landes- und Bundesebene statt.

Die ersten Grünen Damen trugen braune "Tchibo-Kittel". Foto: Schützel-Merkel
Die ersten Grünen Damen trugen braune „Tchibo-Kittel“. Foto: Sigrid Pauls

Und wann haben sich die Grünen Damen und Herren in Kiel etabliert?

Sigrid Pauls: Frau Frohne gründete 1986 die Ökumenische Krankenhaus-Hilfe in Kiel. Bis heute engagieren sich 52 Freiwillige, von denen fünf männlich sind. Bemerkenswert ist, dass unter ihnen noch vier Mitarbeiter sind, die seit der Gründung, also seit über 25 Jahren, dabei sind. Organisiert sind wir innerhalb des Krankenhauses, indem wir eng mit der Pflegeleitung zusammenarbeiten. Wir arbeiten vorrangig vormittags zwischen 9.00 Uhr und 12.00 Uhr. Allerdings befindet sich auch die Nachmittagsbetreuung gerade in der Probephase. Jeder Mitarbeiter kommt mindestens einmal wöchentlich zum Einsatz.

Wir sprechen die ganze Zeit über vom ehrenamtlichen Engagement. Wer engagiert sich denn?

Britta Thoroe: Unsere Mitarbeiter sind größtenteils grauhaarig und 60 Jahre plus. Das ist schade, da wir gerade in jüngster Zeit eine junge Studentin in unserem Team haben, die bei den Patienten ein gern gesehener Gast ist. Über größeren Zulauf von jungen Leuten würden wir uns also sehr freuen. Zumal wir immer wieder auf das Problem stoßen, dass auch ein Ehrenamt nur bis zum 80. Lebensjahr ausgeübt werden darf.

Nun ist man als junger Mensch oft konfrontiert mit dem Klischee der mürrischen Rentner, die lieber auf die Jugend schimpfen, als sich ihnen anzunähern. Können sie diese Erfahrungen bestätigen?

Britta Thoroe: Nein, ganz im Gegenteil. Wie eben schon angesprochen ist gerade unsere junge Studentin sehr beliebt unter den Patienten. Natürlich gibt es auch immer mürrische Patienten, bei denen das Verhalten aber oft nichts mit dem Alter der Grünen Dame oder des Grünen Herren zu tun hat, sondern viel mehr mit ihrer eigenen Lebenssituation.

Womit wir bei den Fähigkeiten ihrer Mitarbeiter angekommen wären: Welche Eigenschaften sollte ein Interessierter für sie mitbringen?

Sigrid Pauls: Natürlich spielt soziale Kompetenz eine große Rolle. Man muss einfühlsam sein und erkennen können, dass die Patienten oft verängstigt sind. Wir sprechen hier über kranke Menschen. Wie gehe ich mit einem Kranken um, der gerade eine weitere niederschmetternde Diagnose erhalten hat? Wie schaffe ich es aber auch den emotionalen Abstand zu wahren, wenn mir ein Patient ans Herz wächst? Kann ich mich von jeglichen meiner Vorurteile befreien? Jeder sollte sich im Klaren darüber sein, dass dieses Ehrenamt viel Verantwortung mit sich bringt.

Britta Thoroe: Die Patienten warten täglich auf dich und halten das Kleingeld für den Kiosk bereit. Natürlich sollen sie nicht enttäuscht werden und so ist Zuverlässigkeit und ernsthaftes Interesse ein Muss. Jeder, der mitmachen möchte, muss mindestens 18 Jahre alt sein und kann innerhalb der Probezeit, die ein Vierteljahr beträgt, entscheiden, ob das Ehrenamt das richtige für sich selbst ist.

Sie sind eine Ökumenische Krankenhaus-Hilfe. Spielt der Glaube eine tragende Rolle?

Sigrid Pauls: Die Konfession spielt als Mitarbeiter der Grünen Damen und Herren keine Rolle. Natürlich gibt es gerade unter den älteren Patienten viele religiöse Menschen, die auch regelmäßig den Krankenhausgottesdienst besuchen. Unser Amt unterscheidet sich jedoch von der Seelsorge. Bemerken wir bei einem Patienten, dass unsere Aufmerksamkeit nicht genügt, so treten wir an die Krankenhauspastoren heran, die sich dann der Seelsorge widmen können. Außerdem bieten wir einen Begleitservice zu dem Gottesdienst am Sonntag an. Dies ist aber für keinen Mitarbeiter Pflicht.

Das Ehrenamt der Grünen Damen und Herren ist gewiss keine einfache Tätigkeit. Verraten sie uns trotzdem, warum die Menschen über 25 Jahre voller Freude mitarbeiten?

Britta Thoroe: Es gibt kein Geld, außer die Erstattung der Fahrkosten, man ist täglich mit kranken Menschen konfrontiert. Doch unser hohes Ansehen auf jedem Krankenhausflur kommt nicht irgendwoher, sondern ein Arzt fasste es einmal zusammen mit den Worten: „Ohne das Erzählen und den sozialen Kontakt würde kein Mensch gesund werden.“ Gibt es ein schöneres Gefühl, als kranken Menschen ein Lächeln zu schenken?

Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Sandra Heuer.

Ihr interessiert euch für die Grünen Damen und Herren und habt vielleicht sogar Lust auch ehrenamtlich tätig zu werden?

Dann nehmt Kontakt auf:

Ökumenische Krankenhaus-Hilfe
0431/16974051
sh.pauls@mail.de

Anzeigefoto: Schütze-Merkel

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