Lächelt dieses Haus tatsächlich? Warum guckt mich mein Kaffee erschrocken an? Und warum ist mein Toast heute so grimmig? Wir sehen fast überall Gesichter – wo keine sind. Unser Gehirn verzerrt damit unsere Wahrnehmung und lässt uns glauben, dass aus Leblosem Lebendiges wird. Aber warum ist das so? 

Eine kuriose Wissenschaft 

Wir schreiben das Jahr 2014. Der Ig-Nobelpreis, ein Preis für abstruse und kuriose Erkenntnisse aus der Forschung, wird an der Harvard-Universität von der Zeitschrift Annals of Improbable Research verliehen. Der Preis wird nach der Devise „Errungenschaften, die Menschen zum Lachen bringen, dann zum Denken“ vergeben und soll bei Menschen das Interesse an Wissenschaft, Medizin und Technologie ankurbeln. 2014 gewannen ihn Forscher:innen aus China und Kanada für ihre Erkenntnisse zum Thema Pareidolie – dem Phänomen, das erklärt, warum wir in Gegenständen Gesichter erkennen. Der Begriff wird aus den griechischen Wörtern para (daneben, vorbei) und eídōlon (Form, Erscheinung, Bild) gebildet.  

Das passiert in unseren Köpfen 

Die Forscher:innen analysierten, wie das Gehirn auf bestimmte Muster reagiert. Diese Reaktionen wurden mit Hilfe von Gehirnscans festgehalten und untersucht. Dabei fiel auf, dass insbesondere die Fusiform Face Area (FFA) im unteren Temporallappen des Großgehirns verantwortlich für die Wahrnehmung von Gesichtern ist. Sie lässt auch die vermeintlichen Gesichter entstehen und reflektiert damit unsere Erwartungen. Der leitende Forscher Prof. Kang Lee von der University of Toronto fasste die Resultate mit diesen Worten zusammen: „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass es üblich ist, dass Menschen nicht vorhandene Merkmale sehen, weil die menschlichen Gehirne einzigartig auf das Erkennen von Gesichtern eingestellt sind, sodass das Gehirn selbst bei einer leichten Andeutung von Gesichtsmerkmalen diese automatisch als ein Gesicht interpretiert.“ 

Zwischen Evolution und Zukunft  

Das Phänomen, das folglich oftmals zu Fehlinterpretationen führt, ist tatsächlich seit mehreren Jahrhunderten bekannt, doch erst diese Forschungsergebnisse konnten Licht ins Dunkle bringen und die visuellen Mechanismen erklären. Dr. Colin Palmer von der University of New South Wales verdeutlichte dabei den Zusammenhang von sensorischen Mechanismen, die zum Einsatz kommen, wenn wir menschliche Gesichter in der sozialen Interaktion betrachten und wenn wir Pareidolie erleben. Daher kommt der Effekt, dass die Gesichter, die wir meinen zu erkennen, Emotionen zeigen oder in bestimmte Richtungen schauen. Dies wird auch als Kreuzadaptionseffekt bezeichnet. Dr. Palmer glaubt, dass diese Fähigkeit evolutionäre Gründe hat. Die Basis dieser Vermutung bildet die Erkenntnis, dass Pareidolie auch bei Affen nachgewiesen werden konnte. Diese Befähigung war nicht nur hinsichtlich der sozialen Interaktion wichtig, sondern auch um Feinde rechtzeitig erkennen zu können. Der Psychologe betont hierbei, dass die Untersuchung des Phänomens von elementarer Bedeutung ist: „Das Verständnis der Gesichtswahrnehmung ist wichtig, wenn Bedingungen oder Merkmale wie die Prosopagnosie, also die Unfähigkeit, Gesichter zu erkennen, betrachtet werden. Auch ist dieses Verständnis im Bezug zum Autismus-Spektrum nicht zu unterschätzen, denn dort treten Schwierigkeiten beim Lesen von Informationen aus den Gesichtern anderer Menschen auf, zum Beispiel wird die Gesichtserkennung benötigt, um deren emotionalen Zustand zu verstehen.” Das Phänomen der Pareidolie ist folglich nicht so unscheinbar wie es wirkt. 

Falls ihr also wieder einmal über das Bild Jesus‘ auf einem Toast stolpert (Denn wer befindet sich nicht hin und wieder in dieser Situation?) könnt ihr beruhigt sein – das ist vollkommen normal! Diese Form der Wahrnehmung wird nämlich auch „Jesus in toast“-Phänomen genannt.  

Autor*in

Theres studiert seit dem Wintersemester 2019/2020 Englisch und Deutsch an der CAU und ist seit dem Sommersemester 2020 als Redakteurin beim ALBRECHT tätig. Außerdem unterstützt sie das Team des Lektorats.

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