Über Allan Rayman ist nicht viel bekannt. Der Musiker kommt aus dem Norden Torontos, von wo mit 12 891 monatlichen Hörern bei Spotify auch seine größte Fanbase stammt. Sein genaues Alter ist nicht in Erfahrung zu bringen. Zurückgezogen lebend hat er bisher erst ein mehr oder weniger offizielles Interview gegeben. Gibt man seinen Namen bei Google ein, finden sich vor allem Einträge zu seiner Musik bestehend aus Lyrics und Videos. Vielleicht macht genau das seinen Reiz aus: ein gewisses Mysterium, das seine Musik noch so viel besonderer macht, als sie ohnehin schon ist. In Zeiten von Reizüberflutung via Instagram und Co., in denen jeder Fan nicht nur das Sternzeichen seines Lieblingsstars herausfinden, sondern auch dessen morgendliches Frühstück mit einem ‚Like‘ bewerten kann, ist es schwer, so rätselhaft zu bleiben. Dadurch schafft Rayman Raum für Interpretation, für Fantasie, mit der der Zuhörer das Puzzle aus Songs selbst vervollständigen kann. Genau deshalb bleibt seine Musik sowohl im Geist als auch im Herz.

Ganz zufällig bin ich auf ihn gestoßen; indem ich irgendeine Playlist auf Shuffle gestellt habe. Jeder kennt diese Situation: Auf die Musik wird nicht mehr groß geachtet, sie wird zu einem stetigen Hintergrundrauschen, welches den Alltag begleitet. Consumption at its finest. Und plötzlich ist da dieses Lied, das einen dann doch gefangen nimmt, aus der Masse heraussticht und eben nicht nur ‚white noise’ ist, sondern aufmerken lässt. Genauso war es bei Beverly, Raymans EP aus seinem im März 2015 erschienenen Album Hotel Allan. Übrigens ganz ohne große Promo, weshalb es vielleicht noch nicht in den einschlägigen Musikmagazinen aufgetaucht ist. Die Internetseite ixdaily vergleicht dieses Erlebnis sehr treffend mit dem Finden einer 50-Dollar-Note auf dem Gehsteig: Unerwartet, überraschend und verheißungsvoll.

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Mir passiert es heute nicht mehr oft, dass ich mir ein komplettes Album anhöre und zwar nicht nur nebenbei, sondern bewusst. Aber genau das ist mit Hotel Allan geschehen. Raymann schafft es, seine Texte, Gesang, instrumentelle Begleitung und einen alles unterstreichenden Beat perfekt miteinander zu verschmelzen, ohne dabei perfekt abgemischt zu klingen. Seine Songs wirken, als steckte wenig Arbeit dahinter, als würde er sich einfach hinsetzen und währenddessen aufnehmen, was ihm in den Kopf kommt. Die Wahrscheinlichkeit der Realität dieses Szenarios ist zwar verschwindend gering, doch Rayman schafft es, zumindest die Illusion ebenjener zu erschaffen. Man nimmt es ihm ab, wenn er darüber singt, Liebe in einem Studio, in einer Melodie gefunden zu haben (Song 512). Immer wieder finden sich in seinen Liedern neue Elemente, egal wie lange der Song schon auf süchtig machender Dauerschleife gespielt wurde.

Obwohl Raymans musikalische Wurzeln leicht zurückzuverfolgen sind – sie liegen in HipHop, Blues, Soul und ein wenig auch im Pop – schafft er es, aus genau dieser schon öfters gehörten Mischung etwas Eigenes, Besonderes zu machen. Das gelingt, wenn auch nicht ausschließlich, vor allem durch seine Texte, in denen immer eine dunkle Note mitschwingt, die aufhorchen lässt. Es ist eine Poesie, die von Zigarettenrauch, Whiskey und Motels an einsamen Straßen verschleiert und gleichzeitig geschärft wird. Damit schafft er es, die Brücke zu schlagen zwischen der Vergangenheit eines Schwarz-Weiß-Filmes und der Elektronik des aktuellen R’n’B. Dem Sänger gelingt es, eine Geschichte zu erzählen, in die er den Zuhörer mitnimmt, geradezu einsaugt. Vielmehr als einen bloßen Text wiederzugeben zeichnet Rayman mit seiner rauen Stimme Portraits. Häufig von Frauen, die eine spezielle Anziehungskraft ausüben, ganz besonders durch ihre dunklen Seiten, die einen Mann bis an seine Grenzen treiben können (She got moonlight and something / Nothing that makes me warmer and warmer, warmer / The first kiss is better than the sex is / I know my death is beautiful and reckless). Sich selbst in etwas zu verlieren ist ein Thema, das sich durch viele seiner Songs zieht, eine allüberspannende Verbindung zwischen ihnen schafft. Es ist bei Rayman meist die Musik, die ihn aufreibt. Was er liebt ist somit auch das, was ihn immer wieder auf sich selbst zurückwirft (My heart’s grown cold, it’s a mystery / I’m trying to find out where I meant to be / I swear I love music, but it’s killing me). Manchmal ist das ein Kampf im Innern, den er nach außen auf andere überträgt (Well, I’m that empty glass that you’re sipping on / I am that cigarette that you’re quitting on).

Als Hörer weiß man nicht, ob es Rayman zu wünschen ist, diesen Kampf endgültig zu gewinnen. Schließlich könnte das seine Musik unwiderruflich verändern. Und mit der beginnt seine Zukunft schließlich erst noch.

Empfehlungen: Graceland, Kiss, Beverly

Autor*in

Maline ist 25 und studiert Deutsch und Politikwissenschaft im Master an der CAU. Sie ist seit Mai 2015 Mitglied beim Albrecht.

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