Jillian Rose Banks lautet der malerisch volle Name des kalifornischen Frauenzimmers mit diesem einen so mächtig guten Album, dass sich das ungewisse Warten auf das musikalische Sequel kaum aushalten lässt. Nach ihren zwei EPs aus 2013, Fall Over und London, knallte sie ein Jahr später ihren Longplayer Goddess auf den Tisch – und dies gehörig erfolgreich – zwar nicht preisgekrönt, aber dafür umso reicher an guten Kritiken. Banks also. Kennt der Normalo nicht, vielleicht mal Begging for Thread im Radio gehört. Diese Ignoranz gegenüber der 27-Jährigen schmerzt die Seele. Goddess war in Deutschland immerhin drei Wochen auf Platz 18 der Albumcharts. Aber Qualität misst sich ja bekanntlich nicht am Fame, man denke nur zurück an Grup Tekkan. Mit denen hat Banks zum Glück gar nichts gemein – außer vielleicht, dass ihre Songs mindestens genauso krass an den Synapsen hängen bleiben wie Wo bist du mein Sonnenlicht? – aber eben auf deutlich galantere Art.

Wenn Banks einem Genre zugeordnet werden soll, dann wohl am ehesten dem Indie-Electropop. Aber auch unser aller guter alter Freund R&B findet Einzug in ihre Musik. Generell ist jeder Song ein bisschen bis mehr anders. Dabei hat Banks eine derart angenehm weiche Art zu singen, dass es fast überraschend ist, sie bei Brain die Bruststimme so überzeugend hart raushauen zu hören, dass es der Stimmung dienlicher nicht sein könnte: „But it’s all the same, I could have foreseen that you would act like you are / Oh, so cool you seem, blending with that scene, wearing what you think is hard / I can see you struggling, boy, don’t hurt your brain, thinking what you’re gonna say / Cause everything’s a game, always trying to calculate, trying to look smart but not too smart to threaten everything they say.“ Textlich wirkt das wie ein gehörig gelungener analytischer Schlag – Jillian hat einen Psychologie-Bachelor – gegen wer auch immer „boy“ ist, sodass zusammen mit ihrem übereinander geschichteten Gesang hier ein ‚in your face‘-Gefühl unvermeidbar ist.

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Banks‘ Songs zu hören, weckt generell recht häufig das Bedürfnis, „Yaaass, girl“ zu rufen, auch wenn sie schon vor dieser hypigen Zustimmungsbekundung musikalisch existierte. Genau genommen hat sie sich schon als Teen an die virtuosen Klänge gewagt und sich auf einem gar nicht so virtuosen Tastenspielzeug das Klavierspielen beigebracht. Wie sich das bei Leuten mit Message so gehört, wurde auch Banks das Herz gebrochen – von ihren Eltern. „When I first started writing, I was in such a dark mindset“, erzählt Banks. Wie so oft war auch für sie die Musik das Antidepressivum der Seele. Ob es nun also der Beziehungsunfähigkeit ihrer Erzeuger zu verdanken ist, dass sich Jillian heute Banks nennt, oder ob sie es auch ohne Scheidung zum Musikschmankerl gebracht hätte – diese Ungewissheit muss keinen Zwist vom Zaun brechen, wohl aber Bewunderung, dass es Menschen immer wieder schaffen, ihre ursprünglich persönlich eingegrenzten Weltuntergänge, weltbewegend zu machen.

Auf der Beat by Beat Version ihres Albums Goddess erzählt Banks, was sie beim Schreiben ihrer Songs bewegt hat. Sie stellt sich mit leiser Stimme vor und wirkt dabei fast zerbrechlich. Auch in Interviews ist sie ruhig, bedacht, schaut oft zu Boden. Ihre Worte verraten jedoch, dass sie alles andere als fragil ist. Hinter Banks steckt eine Frau, die weiß, wer sie ist – sowohl musikalisch als auch modisch. Die junge US-Amerikanerin mit den Statement-Augenbrauen und den Smokey Eyes trägt fast ausschließlich Schwarz, welches sie als eine kraftvolle, alles vereinende Farbe bezeichnet. Passend dazu beschreibt sie ihren Style als „dark, feminine, flowy, effortless and a little bit sexy and spicy sometimes“. Diese düster mysteriöse Definition ihrer selbst findet sich auch in ihrer Musik wieder. Textlich verpackt Banks die feminine Krönung in Goddess „Fuckin‘ with a goddess and you get a little colder / Finally surfaced above the downs, feeling her boldest / She came around, cause she’s a goddess / You shoulda saw this“ oder die „sexy and spicy“-Manier in Stick „I think it’s about time / that you’re gonna make me wild / Call for shelter / So sick, ah, you can make it come quick / Hard to think straight / So down for you / Licorice stick“.

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Als musikalische Inspirationen nennt Banks Lauryn Hill, Erykah Badu, Tracy Chapman, Otis Redding und Fiona Apple („She is my queen“) – auch wenn sie in ihrer eigenen Musik deutlich elektronischer wird. Bei einem Interview auf dem alljährlichen kalifornischen New-Age-Hippie-Must-Go-To Coachella Festival, auf dem Banks 2014 eines ihrer größten Konzerte spielte, erzählt sie von ihrem ersten Gig im Notting Hill Arts Club in London. Dieser fand in kleiner Runde statt und diente ihr dazu, ein wenig Konzertluft zu schnuppern, bevor sie dann nur einen Monat später ihren zweiten Auftritt direkt zusammen mit The Weeknd durchzog – ihre musikalischen Erfolgsschritte sind demnach ordentlich größer, als in der Branche gewohnt. Anschließend spielte sie als Support-Act auf The Weeknds Tour und bekam erneut internationale Aufmerksamkeit als Victoria’s Secret vor zwei Jahren einen zweiminütigen Werbespot mit Banks‘ Song Waiting Game unterlegte. Seitdem ist ihre Musik auch immer wieder in hiesigen TV-Produktionen zu hören, wie zum Beispiel in der derzeit laufenden Germany’s Next Topmodel Staffel, wovon sich jedoch nicht abgeschreckt werden lassen sollte.

International hat sich die Musikerin also einen anerkannten Namen gemacht, dabei beherrscht Banks noch nicht mal das Notenlesen. Akkorde wie A und Am sagen ihr wenig, erzählt sie in einem Interview, sie spiele nur nach Gehör: „I don’t know what I’m playing […] I hold my fingers really differently, as well, and sometimes my chord progressions are a little out of the ordinary because of that.“ Musik nicht als theorisierte Kunstform zu erlernen, sondern sie als Ausdruck ihres Denkens und Fühlens zu nutzen, ist, was Banks so besonders macht. Ihre daraus entstandene unkonventionelle Experimentierfreudigkeit ist ihrer Musik immer wieder anzumerken. „I am addicted“, sagt sie, „music is like air, I would die without it, literally“. Gemessen an Banks‘ persönlicher Bindung an die Musik als Remedium für ihren Seelenschmerz und am Herzblut, das sie in ihr Handwerk legt, seien ihre Worte über ihren ersten Long Player hier als Abschluss genommen mit Verweis darauf, sich diese Beherrscherin des außerordentlichen Musikmachens nicht entgehen zu lassen: „It’s my first album and I feel like I started writing it when I was born. It’s everything, I put my whole heart into it. Every major thing that I went through the last few years, that I had to process in any sort of way, I processed through my music. And I think once people hear this whole album, they will really know me. It’s almost voyeuristic, it’s like they lived with me for the years that this album came from.“ Demnach: Album an und mit Banks ins Leben stürzen.

Quelle Titelbild: Wikimedia Commons / Bill Ebbesen

Autor*in

Leona ist seit Juni 2014 Teil der Redaktion und war von Dezember 2014 bis Februar 2017 Chefredakteurin der Print-Ausgabe des ALBRECHT. Anschließend leitete sie die Online-Redaktion bis Mitte 2018. Leona studiert Englisch und Französisch an der CAU, schreibt für verschiedene Ressorts der Zeitung und kritisiert Land, Leute, Uni und den Status Quo ebenso gerne wie Platten.

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