Die Pioniere des Techno sind zurück

Ende der 1980er Jahre gebar die elektronische Tanzmusik ein neues Genre: den Techno. Die minimalistische Musik mit dem vielen Bass zog die Entwicklung einer friedvollen Szene mit einem neuen Kleidungsstil mit sich und beeinflusste die Jugend. Künstler der 90er und der Gegenwart zogen viel aus der Techno-Bewegung und nennen verschiedene Musiker als Inspiration, die die Entstehung der elektronischen Musik und des Techno maßgeblich mitbestimmten. Als Vorreiter galt hierbei lange die deutsche Band Kraftwerk, die schon in den 70ern den Weg zum Techno bahnte. Manche nennen allerdings eine andere, unbekanntere Gruppe als noch bedeutenderen Einfluss: Fraktus.

Fraktus entstand aus der Transformation der Band Freakazzé, die in den 80ern von Bernd Wand und Dirk Eberhard Schubert (genannt Dickie) in Brunsbüttel gegründet wurde. Als später Torsten Bage dazustieß, erhielt die Band ihren finalen Namen. Ihr Stil blieb konfus, erste Versuche des Samplings, gemischt mit Punk. Eine Zusammensetzung von Tönen, die teilweise mit selbstgebauten Instrumenten wie dem E-Dudelsack oder einer Beat-Maschine (vermutlich Vorläufer des elektrischen Schlagzeuges) erzeugt wurde. Mit ihren inhaltslos anmutenden Texten provozierte und verwirrte Fraktus die Hörer.

"Fraktus"
Bandfoto aus den Zeiten der Anfänge von Fraktus. Quelle: canburak/flickr.com

Ihre zweite Platte Tut Ench Amour gilt als Meilenstein und als Beginn der Revolution der elektronischen Musik, obwohl sie im Verkauf kaum Erfolg hatte. Dass im Nachhinein Songs wie Supergau und Bombenalarm bekannte Lieder und den typischen Telekomjingle inspirierten, zeigt die eigentliche Tragweite des Albums. Dennoch waren Fraktus ihrer Zeit voraus, weshalb ihnen ein großer Durchbruch selbst durch einen Labelwechsel nicht gelang. Bei dem neuen Label Ariolia übernahmen externe Produzenten wegen innerer Konflikte der Band die Kontrolle. Das Ergebnis, die LP Automate, wurde jedoch stark von den Fans kritisiert. Die Überproduktion und Kommerzialisierung des Albums läutete den Untergang der Band ein. Nachdem bei ihrem damalig letzten Auftritt in der Turbine in Hamburg 1983 durch einen Kurzschluss ein Feuer ausbrach und das Gebäude komplett niederbrannte, gaben Fraktus gänzlich auf. Sie trennten sich und es wurde still um die Bandmitglieder.

Erst viel später, 2012, wurde durch die Bemühungen des Musikproduzenten Roger Dettner die Relevanz, die Fraktus für die musikalische Entwicklung der elektronischen Musik hatte, offenbar. Diverse Künstler und Produzenten äußern im Gespräch: Bernd Wand, Dickie und Torsten Bage sind die Pioniere des Techno. Jürgen Laamann, ehemaliger Chefredakteur des Technomagazins Frontpage machte dies besonders deutlich: „Fraktus hat die Soundideen für Techno vorweggenommen, die erst zehn, fünfzehn Jahre später für eine große Masse relevant werden sollten“. Für H.P. Baxxter, Frontmann von Scooter, waren Fraktus der Ursprung und die Motivation, selbst Musik zu machen. Dettner nahm die große, positive Resonanz als Anlass, sich näher mit der Band zu beschäftigen. Indem er die Mitglieder wieder zusammenführte, gelang es ihm, die Wiedervereinigung und das Comeback von Fraktus einzuleiten. Ein erster, verheerender Auftritt hatte jedoch fast die direkte Wiederauflösung zur Folge. Nach einigen weiteren Fehlschlägen gelang die Band wieder in den Besitz ihrer einst selbstgebauten Originalinstrumente und feierte einen erfolgreichen Auftritt in einem Hamburger Parkhaus – der Ort, an dem damals die Turbine abbrannte.

Mit ihrem neuen Album Welcome to the Internet und der gleichnamigen Tour sind Fraktus nun zurück auf deutschen Bühnen. In ihren neuen Songs greifen sie aktuelle Themen auf, wie beispielsweise die Bestimmung durch das Internet in Friends sind Freunde. Bei ihren Auftritten kleiden sie sich dabei in Overalls und beleuchten sich und die sonst schwarze Bühne in grellen Farben. Dieser bewusst elektronische und fast extraterrestrisch wirkende Auftritt unterstützt sowohl ihre Musik als auch ihre Texte und lässt hoffen, dass sie sich in diesem Jahrhundert besser verwirklichen können. Ihre Tour führte sie auch nach Kiel, wo sie mit ihrem schrägen Sound und ihrem furiosen Licht für einen denkwürdigen Auftritt am 11. Mai in der Pumpe sorgten.

Titelbildquelle: Anne Breitsprecher

Autor*in

Studiert seit 2013 Psychologie in Kiel, und frönt dem ALBRECHT seit dem Wintersemester 2014/15, von 2015 bis 2017 als Bildredakteurin und von Januar 2017 bis Januar 2018 als stellvertretende Chefredakteurin.

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