Abseits des dreckigen E-Mail-Skandals und regelmäßiger Produktplatzierungen (siehe James Bond und Spiderman), hat Sony in letzter Zeit ziemlich kreative Filmkonzepte entwickelt. Bevor in den nächsten Jahren Channing Tatum und Jonah Hill in einem 21 Jumpsstreet/Men in Black-Crossover zu Geheimagenten werden, dürfen wir dieses Jahr ein Ghostbusters-Remake mit einem komplett weiblichen Maincast bewundern. Bei einem so ambitionierten Aufhänger ist es sehr schade, dass Filmausschnitte und Trailer scheitern, die Stärken der Neuauflage herauszustellen. Anstatt über eine frische Filmidee zu reden, bestand der Gossip um Ghostbusters schon Monate vor Filmstart aus Genderdiskussionen und Seximusvorwürfen. Doch der offizielle Trailer mit den meisten Dislikes in YouTubes Geschichte und miese Publikumsratings sollten einen nicht davon abhalten, selbst einen Blick auf den neuen Ghostbusters zu werfen:

Während Physik-Doktorandin Erin Gilbert (Kristen Wiig) schon Jahre um eine Festanstellung an ihrer Universität kämpft, ist ihr Ziel endlich in greifbarer Reichweite. Doch gerade zu diesem kritischen Zeitpunkt wird sie darauf aufmerksam, dass ihre alte Jugendfreundin Abby (Melissa McCarthy) ihr gemeinsames pseudo-wissenschaftliches Buch über real existierende Geister im Internet vertreibt. Bei dem Versuch ihre Busenfreundin zu überreden das Buch wieder offline zu nehmen, wird sie gezwungen bei einer echten Geisterjagd teilzunehmen und lernt so auch Laborfreak Jillian Holtzmann und U-Bahnmitarbeiterin Patty kennen. Jetzt fehlt nur noch eine neue Sekretär*in, in diesem Fall Dumpfbacke Kevin (Chris Hemsworth alias Thor), und das neue Ghostbusters-Team 2016 steht!

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Bevor ich mich im Folgenden den Vorzügen der Neuauflage zuwenden werde, sei gesagt, dass die meisten negativen Argumente der Filmkritiker bezüglich Ghostbusters 2016 zutreffen. JA, bis auf Abby, Erin, Jillian und Patty sind sämtliche Figuren des Films eindimensionale Klischees, die für kurze Jokes verschossen werden. Ebenso ist der Bösewicht (Neil Casey als wütender Nerd) nicht grade der originellste Charakter und scheint eher aus einer Sonntagnachmittag-Jugendabenteuerserie zu stammen. Trotzdem würde ich behaupten, dass Paul Feigs (Bridesmaids) neuer Film gelungen ist, denn das was er sich vornimmt, erreicht er auch:

Ghostbusters ist eine Slapstickkomödie (am ehesten zu vergleichen mit dem Anspruch der Scary Movie Filme), die mit dem Produktionsbudget eines Actionblockbusters gefüttert wurde. War der Originalfilm noch ein stimmiger Mix aus einem gruseligen Abenteuerfilm, der durch seine ungewöhnlichen Protagonisten an Komik gewann, setzt die Neuverfilmung auf puren Witz. Und wenn das Kinopublikum kein Problem damit hat und nicht ständig Vergleiche zum Kultklassiker zieht, kann es das Leinwandspektakel auch als das genießen was es ist: eine verdammt spaßige Zeit. Der Cast um Melissa McCarthy, Kristen Wiig und Co. verschießen im Sekundentakt Lachflash-Versuche, von denen zwar nicht alle treffen, aber genug, um im Kino amüsiert zu sein. Den Vogel schießt selbstverständlich Chris Hemsworths Eyecandy-Kritik Kevin ab: „Heißer Body aber nix dahinter“ war jahrzehntelang der Standard für Sekretärinnen-Klischees im Film, nun kehrt das ehemalige Unterwäschemodel den Spieß um und liefert eine ernsthafte Konkurrenz zu den Protagonisten der legendären Jim Carrey Komödie Dumm und Dümmer. Die Gastauftritte des alten Maincasts um Bill Murray, Dan Aykroyd, Ernie Hudson und Sigourney Weaver waren für mich persönlich ein paar nette Cameos, mein Kollege Marc Asmuß störte sich hingegen als großer Fan des Ur-Ghostbusters an der damit größer werdenden Unklarheit, ob der neue Film nun im selben Universum wie die 1984er Verfilmung spielt. Trotzdem war es angenehm zu sehen, dass nach jahrelangen Streitigkeiten auf Seiten von Bill Murray, das alte Team geschlossen hinter der Neuauflage steht und von den Drehbuchautoren nicht unnötig in den nostalgischen Vordergrund gerückt wird, wie zum Beispiel Fackelträger Harrison Ford in The Force Awakens.

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Der weibliche Maincast hat seine Chance verdient und Regisseur Paul Feig spielt die Chemie der neuen Truppe durch viel Spielraum für Improvisation voll aus. Im Zusammenspiel mit Musik, Inszenierung und den großartigen Effekten, erinnert Ghostbusters in seinen besten Momenten ungewollt an Marvels Outsiderspektakel Guardians of the Galaxy. Das große Finale um eine godzillagroße Ghostbusters-Logofigur samt Geisterarmee überrascht positiv, anstatt, wie bei vielen Vergleichsprojekten, aus dem Rahmen zu fallen. Wenn Jillian Holtzmann ihre Proton-Pistolen zückt und in einer Zeitlupenmontage eine Geistertruppe pulverisiert oder unser Team von einer untoten Luftballonparade verfolgt wird, sind das seltene Kinomomente, in denen die frischen Ideen auf der Leinwand selbst gestandene Kinogänger ins Staunen versetzen.

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Eine große Rolle spielt dabei die technische Entscheidung des Filmstudios, das Bild von der 3D-Version des Films mit schwarzen Balken einzurahmen. Anstatt die vollen 21:9 der Leinwand auszunutzen, wird der Film in 16:9 eingespielt, wobei er nochmals am oberen und unteren Bildrand von schwarzen Balken beschnitten wird, die lediglich durch bestimmte Filmelemente, wie zum Beispiel die Protonenstrahlen der Ghostbusters, effektreich durchbrochen werden. Damit wird sehr ambitioniert versucht, den Effekt eines IMAX Kinos in die normalen Lichtspielhäuser zu übertragen. Die visuelle Begrenzung wird ebenso noch einmal am Ende des Films, durchaus gelungen, in den Mittelpunkt gerückt. Interessante Technik, die jetzt aber hoffentlich nicht bei jedem zukünfitgen 3D-Film angewandt wird.


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Der neue Ghostbusters ist kein sofortiger Kultklassiker und wird es wahrscheinlich auch nie sein. Wenn sich Fans der Urfilme von ihren hohen Erwartungen lösen, können sie mit dieser ungewöhnlichen Neuverfilmung aber jede Menge Spaß haben. Die Slapstick-Komödie wird Comedy-Liebhabern gefallen und überrascht vor allem in der 3D-Version mit ungewöhnlich guter Action und atemberaubenden Special Effects. Die Chemie zwischen den neuen Hauptdarstellern stimmt und ich hoffe, dass die Kontroverse um die Geschlechterdiskussion unseren Geisterjäger*innen nicht die Chance auf eine Fortsetzung verwährt.


WERTUNG: 7,5 Kinokatzenpunkte


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