Was man zu Weihnachten, zum Hochzeits- oder Valentinstag verschenken soll, wird einem von Medien und Bekanntenkreis meist unmissverständlich vorgebetet. Völlig unklar ist jedoch, welches Präsent zum Todestag angemessen ist. Es sei denn, es handelt sich bei dem Verstorbenen um einen berühmten Musiker. In diesem Fall hat sich in den letzten Jahren scheinbar die Patentlösung ausgebildet, den Verschiedenen eine Biografie in Comicform zu widmen, wie die populären Beispiele Bob Marley, Elvis Presley und Johnny Cash zeigen.

Mit „Jim Morrison – Poet des Chaos“ erfährt nun auch der legendäre Frontmann der Band „The Doors“ eine solche Huldigung, die in diesem Fall pünktlich zu seinem 40. Todestag am 3. Juli erschien. Die Zeichnungen stammen dabei von dem bislang unbekannten französischen Comickünstler Jef, die Handlung schrieb sein Landsmann, der Journalist Frèdèric Bertocchini. Dass die Beiden dabei mehr anstrebten, als die Beweihräucherung einer Rocklegende, zeigt sich bereits auf den ersten Seiten: Sie etablieren die Rahmenhandlung, in der sich ein gebrochener, vom Alkohol gezeichneter Morrison kurz vor seinem Tod durch Paris treiben lässt. Durchbrochen werden diese lethargischen Passagen durch Rückblenden, die sich von seiner Kindheit über den musikalischen Aufstieg bis zum Niedergang der Doors erstrecken.

Jim Morrison – Poet des Chaos Foto: Splitter Verlag

Wiewohl somit keine Verklärung des Sängers befördert wird, so bedienen sich Jef und Bertocchini doch freimütig am Mythos Morrisons, indem sie beispielsweise dessen Aussage adaptieren, es sei im Kindesalter der Geist eines indianischen Schamanen in ihn gefahren. Ähnlich ging bereits Oliver Stone zu Werke, als er zu Morrisons 20. Todestag 1991 das Biopic „The Doors“ in die Kinos brachte. Doch während Stone seinen Film freimütig mit Klassikern der Band untermalen konnte, mangelt es den Comickünstlern an der dafür nötigen Tonspur. Was auf den ersten Blick als Manko erscheinen mag, gerät unter Jefs Federführung jedoch zum Alleinstellungsmerkmal des Comics im Kanon der Morrison-Biografien: An Band-Fotografien und Plattencovern orientiert, entwickelt der Zeichner einen schwarz-weißen Stil, der die Musik der Band kongenial in Bilder übersetzt. Monolithisch thronen die Figuren vor weißem Hintergrund oder schälen sich langsam aus tiefschwarzen Arrangements heraus. Düster, episch und erhaben erstrecken sie sich über ganze Seiten und wirken dabei wie Halbbrüder ausufernder Kompositionen wie „Riders on the Storm“ oder „The End“. Wer hören will, muss sehen.

Auch wenn der von Episode zu Episode springende Erzählrhythmus die hypnotische Wirkung der Bildsprache deutlich vermindert, kann man „Jim Morrison – Poet des Chaos“ nur als gelungenes Geschenk betrachten. Zudem kommt es von Herzen, auch wenn es sich dabei weitestgehend um ein Herz der Finsternis zu handeln scheint. Umso ungerechter erscheint es, dass Bertocchini und Jef wohl lange auf ein Wort des Dankes von dem Beschenkten warten müssen werden. So viel ist sicher: 40 Jahre sind nichts dagegen.

Frèdèric Bertocchini/Jef: Jim Morrison – Poet des Chaos. Splitter. 128 Seiten (s/w), Hardcover im Schutzumschlag. 16,80 Euro.

Autor*in

Janwillem promoviert am Institut für Neuere deutsche Literatur- und Medienwissenschaft. Er schreibt seit 2010 regelmäßig für den Albrecht über Comics und Musik, letzteres mit dem Schwerpunkt Festivalkultur.

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