Anne, Gyde und Hannah studieren nicht nur, sondern sind gleichzeitig auch Mütter. Die ausgebildete Schauspielerin Anne (34 Jahre) hat eine eineinhalb-jährige Tochter und studiert evangelische Theologie und Germanistik auf Lehramt. Gerade befindet sie sich kurz vor ihrer Bachelorarbeit. Dass sich Bachelorarbeit und Kind vereinbaren lassen, konnte schon Hannah beweisen. Die 23-jährige Mutter eines elf Monate alten Sohnes hat vergangenes Semester ihren Bachelor gemacht und studiert nun im Master Anglistik und Geschichte auf Lehramt. Gyde (26 Jahre) bekam nach ihrer Tischlerlehre vor zweieinhalb Jahren ihren Sohn und ist Studentin der Fächer Informatik und Empirische Sprachwissenschaft im Bachelor.

 

Zu Beginn eine direkte Frage: War eure Schwangerschaft geplant oder eine Überraschung?

Gyde: Ich finde die Frage schwierig, da die Empfängnis bei mir nicht geplant war, letztendlich habe ich aber mein Leben mit Kind geplant, sobald ich wusste, dass ich eines erwarte.

Anne: Bei mir war es geplant und auch ich finde die Frage intim und schwierig. Gerade bei sehr jungen Frauen, aber auch bei  Frauen jenseits der 40 stelle auch ich mir die Frage, wie es zur Schwangerschaft gekommen ist, würde sie aber selbst nie direkt aussprechen.

Hannah: Bei mir war die Schwangerschaft auch geplant und mir wurde diese Frage oft gestellt, auch wegen meines Alters. Mich persönlich stört die Frage nicht so sehr. Ich glaube aber, dass es einen Unterschied macht, ob ich von einer Kommilitonin aus reiner Neugierde gefragt werde, oder ob mich eine ältere Frau im Bus vorwurfsvoll auf meine Schwangerschaft anspricht.

 

Wie hat euer studentisches Umfeld auf eure Schwangerschaft reagiert?

Anne: Ich habe zwei gegensätzliche Reaktionen von Kommilitoninnen erlebt. Die meisten haben sich sehr gefreut. Ich bekomme Unterstützung von Ihnen durch zum Beispiel Babysitting. Viele finden das Thema Schwangerschaft und Kind im Studium spannend, gerade weil sie jünger sind und sich das für sich selbst noch nicht vorstellen können. Ich habe aber auch das Gegenteil erlebt. Es gibt auch Komilitoninnen, die sich benachteiligt fühlen, weil ihre Mitstudent*innen Kinder haben.

Gyde: Das hatte ich noch nie. Ich hatte bis jetzt immer entweder sehr positive Reaktionen oder es wurde einfach ignoriert.

Anne: Was ich aber auch oft von Kommilitonen höre ist: „Respekt! Toll, wie du das alles schaffst.“ Das höre ich tatsächlich viel von Kommilitonen.

Hannah: Das muss ich auch sagen. Überwiegend mache ich positive Erfahrungen. Ein Kommilitone von mir reagierte sehr geschockt und musste dann direkt seine Freundin anrufen, um sich zu versichern, dass sie nicht schwanger war. Meine Freundinnen, die auch studieren, reagieren eher gegenteilig. Hier höre ich sehr oft: „Jetzt möchte ich auch!“.


Wie vereinbart ihr euer Studium mit euren Aufgaben als Mutter? Gibt es Menschen, die euch dabei helfen? Zum Beispiel der Partner, eure Familie oder Freunde?

Anne: Es ist ein Jonglieren, wobei ich das große Glück habe, dass mein Mann Elternzeit nehmen kann. Das ist wirklich ein tolles Konzept. Dadurch, dass er freiberuflich arbeitet, hat er zwischen zwei Aufträgen manchmal mehr Zeit. Freunde und Kommilitonen helfen ebenso bei Engpässen. Wenn man zum Beispiel ein Referat ausarbeiten muss bis zum nächsten Tag und eine gute Freundin mein Kind dann für ein, zwei Stunden betreutMeine Mutter ist da auch wichtig, da ich die Kleine zu ihr bringen kann. Auch meine Schwester ist eine große Hilfe. Ich sitze regelmäßig da und puzzle  einen Plan, damit alles passt.

Gyde: Bei mir sind es hauptsächlich die Eltern. Der Vater ist auch ein Mal die Woche da und passt auf. Wir arbeiten noch daran, zusammen arbeiten zu können, wobei das inzwischen sehr gut funktioniert. Und auch die Freunde, die für eine Stunde vorbeikommen, wenn ich dringend etwas fertig machen muss. Vor allem meine beste Freundin, die merkt, wenn ich mal nicht so einen guten Tag habe, und dann sagt: „Komm, ich gehe mal eine Stunde mit dem Kleinen in die Stadt, entspann dich.“ Es ist inzwischen schon so, dass ich nicht mehr fragen muss. Außerdem habe ich einen Babysitter, der regelmäßig kommt.

Hannah: Dieses Semester teilen mein Mann und ich uns die Aufgaben unter der Woche auf, sodass jeder zweieinhalb Tage für das Studium beziehungsweise das Arbeiten hat. Ansonsten unterstützen uns meine Mutter und meine Stiefmutter sehr viel. Während der Zeit meiner Bachelorarbeit letztes Semester haben häufig auch Freundinnen auf Liam aufgepasst, sodass ich Zeit für das Schreiben hatte.

 

Wo stoßt ihr auf Hürden in eurer Studiumsorganisation und kommen euch Fakultäten, Dozierende und Einrichtungen entgegen?

Gyde: Ich hatte bisher erst ein Mal das Problem, dass irgendetwas von der Zeit her nicht gepasst hat. Als ich Informatik angefangen habe, begannen alle Übungen immer erst um 16 Uhr, sodass ich nicht hingehen konnte. Mein Dozent ist auf mein Problem gar nicht eingegangen. Ich musste mich erst an einen anderen Dozenten wenden, um eine Lösung zu erzielen. Es ist also sehr unterschiedlich, die einen unterstützen einen sehr viel und die anderen tun dies gar nicht. In Sprachwissenschaft bin ich noch nie enttäuscht worden. Da gehen die Lehrenden wirklich super auf  Situation ein. Ich durfte schon oft Hausaufgaben nachreichen, weil mein Kind krank war oder ähnliches.

Hannah: Ich habe bisher auch nur positive Erfahrungen gemacht. Beim Schreiben meiner Bachelorarbeit ist mir meine Dozentin sehr entgegen gekommen. Auch das Englische Seminar unterstützt mich, indem ich mich für die Kurse, zu denen ich zeitlich kann, vorher einschreiben darf. Denn das Prinzip ‚first come, first served‘ ist hier sonst wirklich von Nachteil.

Anne: Das ist zum Beispiel ein Grund, warum sich andere Studierende benachteiligt fühlen.

Hannah: Das habe ich bis jetzt noch nicht mitbekommen. Vielleicht haben sie es sich verkniffen, etwas zu sagen. Wobei der Dozent das auch bei anderen Sachen macht und nicht nur wegen eines Kindes. In Geschichte werde ich erst nächstes Semester erfahren, wie sich dort Studium und Kind vereinbaren lassen, da in diesem Semester alles bereits passte. Ich werde gucken müssen, ob ich die Babykarte, den Babyjoker sozusagen, ausspielen muss.

Gyde: Mir wird sogar oft angeraten, den häufiger auszuspielen. Ständig sagen Kommilitonen zu mir: „Sonst sagst du halt einfach, du hast ein Kind und dann läuft das schon.“ Ich mache das sehr selten, einfach aus dem Grund, dass, wenn ich wirklich mal Unterstützung brauche, ich auch ernst genommen werden möchte. Würde ich damit jede Woche ankommen, wäre das bestimmt nicht der Fall. Im Beruf kann ich später auch nicht ständig auf mein Kind verweisen, warum sollte ich das also jetzt im Studium machen?

Anne: Ich sehe das genauso, deswegen finde ich auch das Wort „Babyjoker“ ganz schlimm, weil ich eben nicht möchte, dass mein Kind als Entschuldigung gilt. Mit Kind hätte man eigentlich immer einen Grund zu sagen, dass etwas gerade nicht so gut geht. Insofern ist der Babyjoker immer aktuell, aber man probiert es so gut man kann, alles rechtzeitig und vernünftig zu schaffen.

 

Wie sieht bei euch ein ganz typischer Tag aus?

Gyde: Ich stehe morgens auf, bringe meinen Sohn gegen halb neun in die Kita, gehe zur Uni, hole ihn um 16:00 Uhr wieder ab und gehe nach Hause. Dann ist Bettzeit für ihn und ich mache meistens noch etwas für die Uni, räume auf oder was auch immer noch ansteht.

Anne: Aufstehen um sechs, Kind fertig machen, Kind um halb acht in die Krippe bringen, dann in die Uni, beziehungsweise an den Tagen, an denen ich keine Uni habe, Hausarbeiten schreiben, Prüfungsleistungen erledigen und vielleicht den Haushalt noch ein bisschen machen.  Um halb zwei hole ich meine Tochter wieder ab und dann ist nur noch Kind angesagt. An zwei Tagen in der Woche habe ich auch nachmittags Uni. Entweder ist mein Mann dann da oder ich muss wieder jonglieren, sodass jemand für die zwei Stunden einspringt. Das ist es, was ein bisschen anstrengend ist. Es ist ja nicht nur das Kind hinbringen und abholen, es ist ja auch ein Moderieren zwischen allen Beteiligten.

Hannah: Für mich ist es noch etwas anders, da mein Sohn ab September in die Kita geht. Dadurch, dass  mein Mann und ich uns die Aufgaben teilen, habe ich immer einen Tag, an dem ich komplett Mama bin. An den anderen Tage bin ich morgens noch beim Aufstehen dabei, wechsle ihm die Windeln, fütter ihn und gehe dann los zur Uni. Abends geht es dann für mich weiter. Egal, wann ich nach Hause komme, egal was ich gerade gemacht habe, direkt aus dem Seminar geht es nach Hause zum Füttern und Ins-Bett-bringen. Anders geht es noch nicht.

 

Wie hat sich denn euer Freizeitverhalten durch das Kind verändert?

Gyde: Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht gegen 16.00 oder 17.00 Uhr am Schrevenpark vorbeifahre und denke: „Ach ja, damals, als ich noch um 17.00 Uhr anfing, meinen Tag zu planen.“ Jetzt ist um 17.00 Uhr meine Tagesplanung vorbei und ich fahre nach Hause. Gleichzeitig kann ich überhaupt nicht damit umgehen, wenn mein Sohn nicht da ist. Diese Woche bin ich alleine, weil ich lernen muss und es ist so merkwürdig, dass ich meinen Tag komplett frei einteilen kann. Ich weiß überhaupt nichts mit mir anzufangen. Ich gucke trotzdem ständig auf die Uhr, weil ich denke: „Wann muss ich ihn abholen?“.

Anne: Bei mir ist es nicht ganz so, weil ich schon einen normalen Arbeitsalltag hatte und mich in einer anderen Lebensphase befinde. Und es stimmt: Um 17.00 Uhr wird man langsam müde. Freizeit findet zwar statt, aber die Freunde müssen akzeptieren, dass eine mehr dabei ist, denn meine Tochter kommt mit. Wenn man meinen Mann und mich mal alleine und nicht auf dem Spielplatz treffen möchte, dann sollte man einfach immer abends vorbei kommen, wenn unsere Tochter im Bett liegt.

Hannah: Wir sagen unseren Freunden auch immer, dass wir am Abend immer zuhause sind und sie gerne spontan vorbei kommen können. Aber ansonsten hat sich nicht viel verändert, es ist nicht viel weggefallen. Bücher lesen kann ich auch mit ihm auf dem Arm.

Anne: Ich habe tatsächlich seit anderthalb Jahren privat kein Buch mehr gelesen. Das vermisse ich ein bisschen, sich einfach hinzusetzen und ein paar Seiten zu lesen. Oft bin ich abends zu müde oder ich lese etwas für die Uni. Ich nutze meine Zeit dann lieber für die Uni.

 

Was ist denn das Schönste an eurer neuen Rolle als studierende Mutter?

Gyde: Ganz ehrlich, egal wie frustrierend die Uni oder das Leben gerade ist, man guckt das Kind an und ist wieder fröhlich. Bei mir ist das wirklich so, ich gucke das Kind an und alles entspannt sich – Es sei denn, er provoziert mich gerade wieder in seiner Trotzphase. Ich liebe es, dass ich weiß, um 16.00 Uhr ist Schicht im Schacht. Ich muss nicht mehr über die Uni nachdenken, ich gehe nach Hause und spiele mit meinem Kind und das Leben ist wieder ok. Das ist wirklich schön.

Hannah: Ich bin sehr viel fokussierter geworden. Meine Zielsetzungen haben sich geändert. Ich prokrastiniere gerne und jetzt gehe ich die Dinge ganz anders an. Was das Studium angeht, hat mir das Kind eher gut getan als andersrum.

Anne: Bei mir ist es das Aufwachen morgens. Wenn ich aufwache, dann weiß ich, sie ist da und ich freue mich jeden Morgen, dass wir einer mehr sind in unserer Familie.

Gyde: Es ist eigentlich auch schwer, nur eine Sache zu nennen. Es ist einfach etwas anderes. Das Leben ist vorher ohne Kind natürlich auch schön, aber es ist einfach noch mal schöner, wenn das Kind da ist.

 

Eure Kinder machen eurer Leben schöner, Ihr scheint euer Leben fokussierter anzugehen. Gibt es daneben noch andere Vorteile, wenn man als Studentin ein Kind hat?

Anne: Ich habe mir jetzt von mehreren Seiten sagen lassen, dass ich ein zweites Kind im Studium und nicht im Referendariat bekommen sollte. Ich glaube, wenn man ein oder zwei Kinder schon im Studium oder Referendariat hat, dann geht man das Arbeiten anders an als ein Mensch ohne Kinder, einfach weil man anders damit umgehen muss. Ich glaube, dass das Studium, weil man so flexibel ist und sich viel selbst einteilen kann und nicht gegebene Arbeitszeiten bekommt, ein guter Zeitpunkt ist, je nach Alter und Lebensphase, um ein Kind zu bekommen.

Gyde: Das würde ich so unterschreiben. Ich sage das auch oft, wenn ihr Kinder bekommen wollt, dann macht das im Studium, danach wird es nur komplizierter. Es gibt nie den richtigen Zeitpunkt, auch im Studium ist es nie der richtige Zeitpunkt. Aber es ist nie wieder so einfach ein Kind zu bekommen wie im Studium.

 

Vielen Dank für das Gespräch!


Titelbild: Lucélia Ribeiro

Autor*in

Sophie studiert Germanistik und Kunst. Seit April 2015 ist sie Teil der Redaktion des ALBRECHTs. Sophie ist für den Bereich 'Zeichnungen' zuständig und greift hier auch gerne selbst zum Stift.

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