Die Berichterstattung in Syrien kommt immer mehr zum Erliegen und ist mit hohen Risiken verbunden

Tausende Menschen verlassen zur Zeit ihre Heimat, um Schutz zu finden. Über die Hälfte dieser Menschen kommt aus Syrien, viele weitere aus dem Irak. Wenn sie erzählen, warum sie dort nicht mehr bleiben konnten, berichten sie von Bomben, zerstörten Häusern, toten oder verschwundenen Verwandten. Viele wurden von den Luftschlägen Assads und Russlands terrorisiert, bedroht vom Einzug in die Armee, vertrieben, unterdrückt oder gefoltert von der Terrormiliz IS.

Doch aktuelle Nachrichten aus betroffenen Gebieten zu bekommen, gestaltet sich schwer. In der Rangliste der Pressefreiheit von 2015 stuften Reporter ohne Grenzen die Lage in Syrien als „sehr ernst“ ein. Sowohl das Assad Regime, als auch die Opposition bedrohten oder töteten Journalisten, weshalb Baschar al-Assad und die Al-Nusra-Front als „Feinde der Pressefreiheit“ deklariert wurden. In den vom IS kontrollierten Gebieten ist der Informationsfluss fast vollständig versiegt. Die besetzten Teile Syriens und des Iraks werden stark abgeschottet, der Transport von Menschen, Gütern und Informationen wird genau überwacht und kann kaum unterlaufen werden. Wer über den Alltag oder die Untaten der Dschihadisten berichtet, ist nach seiner Entdeckung von Misshandlung und Hinrichtung bedroht. Zahlreiche in- und ausländische Journalisten wurden bereits hingerichtet.

Die Berichterstattung die noch zugänglich ist, kann deshalb kaum überprüft werden. So veröffentlichte der Islamische Staat beispielsweise Propagandavideos, in denen der verschleppte britische Journalist John Cantlie über die Lage und den Alltag unter der Herrschaft des IS spricht. Er wurde 2012 gemeinsam mit dem amerikansichen Journalisten James Foley gefangen genommen, der  2014 hingerichtet wurde. In einem achtminütigen Video dokumentiert Cantlie den „Alltag“ im besetzten Mossul, im Irak. Er spricht von der „Befreiung“ durch den IS, und zeigt mit einem Lächeln scheinbar unbeeinträchtigte Menschen, den Handel auf dem Markt und Szenen aus den Straße und dementiert Preissteigungen, Armut oder Unterdrückung. Es ist unklar, ob seine positive Darstellung der Umstände einer Gehirnwäsche in der Gefangenschaft, oder der Angst vor der eigenen Hinrichtung geschuldet ist.

Aus dem besetzten Raqqa in Syrien dringen neben Propganda noch Fetzen von Informationen an die Öffentlichkeit. Aus aktuellen oder ehemaligen Bewohnern der Stadt hat sich eine Organisation gebildet, die Informationen aus der Stadt veröffentlicht. Die Organisation Raqqa is being silenghtly slaugthered (RBSS) ist im Grunde die einzige Informationsquelle, weshalb ihre Berichte erst durch spätere Beweise authentisiert awerden können. Die Aktivisten nehmen durch die Berichterstattung große Risiken auf sich. Viele wurden getötet, andere sind geflohen und fürchten selbst im Ausland von den Anhängern der Terrormiliz gefunden zu werden. Täglich wird auf Twitter oder facebook über aktuelle Ereignisse wie Luftschläge der syrischen und russischen Armee, Tote, Hinrichtungen, Strafverhängung oder Alltägliches wie Marktpreise informiert.

Propaganda des IS
Propaganda des IS – Quelle: Islamischer Staat

 

Der IS begegnet der Leere an Berichterstattung mit professioneller Propaganda. Diese wird über sieben Fernsehsender, einen Radiosender, ein Magazin und verschiedene Kanäle der sozialen Medien verbreitet. Dabei wird das Bild einer islamistischen Utopie in den besetzten Gebieten propagiert, mit neuen Schulen und Krankenhäusern und guter Versorgung der Bewohner. Gewalt wird kaum gezeigt, wenn, dann aber in extremer Form, wie hochqualitativen und nachbearbeiteten Hinrichtungsvideos, die den sensiblen Zuschauer schnell den Laptop schließen lassen. Andere Informationen werden unterdrückt durch ein Verbot der Berichterstattung in bestimmten Zonen, die totale Kontrolle journalistischer Arbeit und extreme Strafen für kritische Berichterstatter, wie zum Beispiel die Aktivisten der RBSS. Die Regeln für Journalisten unter dem IS sind klar formuliert in den 11 Geboten für die Journalisten von Deir Ezzo, die der IS im Oktober 2014 veröffentlichte.

Die Unterdrückung von Informationen ist ein wirksames Instrument um die freie Meinungsbildung zu verhindern, die Bewohner eines Landes abzuschotten, Zugiff von außerhalb zu verhindern und eine klare Verletzung der Menschenrechte. Der unstetige und spärliche Informationsfluss in Syrien ist dabei nur eines von vielen Beispielen. „Wo nicht unabhängig berichtet werden darf und wo Menschen ihre Meinung nicht frei äußern können, werden auch andere Menschenrechte verletzt“, so Reporter ohne Grenzen. Deshalb sind Pressefreiheit und der Zugang zu Informationen unabdingbar, um auch andere Menschenrechte zu sichern.


Bildquellen
Titelbild: Weltkarte der Pressefreiheit 2015, Reporter ohne Grenzen
Artikelbild: Propagandabild des IS, Islamischer Staat

Autor*in

Studiert seit 2013 Psychologie in Kiel, und frönt dem ALBRECHT seit dem Wintersemester 2014/15, von 2015 bis 2017 als Bildredakteurin und von Januar 2017 bis Januar 2018 als stellvertretende Chefredakteurin.

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