Du stehst mit mieser Laune auf. Dein Wecker hat wie immer zu früh geklingelt, jedenfalls redest Du dir das ein. Dein Mitbewohner blockiert auch noch das Bad, obwohl Du doch schon morgens um 12 Uhr in die Vorlesung musst. Damit Du überhaupt wach wirst und weil Du die Zeit ohnehin überbrücken musst, trinkst Du eine Tasse Kaffee und schlägst die Zeitung auf (für die neumodischen unter Euch: Das ist so etwas wie ein ausgedruckter Newsfeed von eurem Tablet), schließlich musst Du dich ja zumindest ein bisschen über das Weltgeschehen informieren. Bereits auf der ersten Seite springt Dir die Schlagzeile „240 Tote bei Flugzeugabsturz“ entgegen. Direkt darunter „8% würden AfD wählen“. Auf der nächsten Seite: „Terrorangriff auf Hotel in Mogadischu“. Und so geht es immer weiter, egal ob Lokalnachrichten oder Weltgeschehen. Resigniert schlägst Du die Zeitung wieder zu. Gibt es eigentlich nur noch Schlechtes auf der Welt? Wie soll sich dadurch bitte Deine Stimmung heben?

Immer wieder wurde Kritik an der Negativfixierung der Medien laut. Die Porträtierung von Terror, Krisen, Verbrechen und Naturkatastrophen sei das Kerngeschäft des Journalismus. Diese These beruht auf dem Grundsatz ‚Only bad news are good news‘. Soll heißen: Negative Meldungen steigern die Aufmerksamkeit der Leser und erhöhen somit sowohl Absatzzahlen als auch Auflage. Gleichzeitig werden Texte, die ein positives Bild zeichnen, häufig als Propaganda verdächtigt. Andererseits betrachten es Journalisten wünschenswerterweise als ihre Aufgabe, Probleme aufzudecken und auf Missstände hinzuweisen. Dadurch befinden sich schlechte Nachrichten in der Schwebe zwischen Werbung für das eigene Medium und investigativer, kritischer Aufklärung.*

Alles schön und gut, aber dieses Konzept erleichtert Dir den Start in den Tag leider auch nicht. Aus diesem Grund beschließt Du, lieber gar keine Zeitungen mehr zu lesen, sondern Deinen Morgen positiv zu begehen. Durch genau dieses Verhalten kommt es dann zu der aktuellen Medienkrise. Anstatt die Verkaufszahlen zu steigern, befinden sich Auflagen und Quoten im Sinkflug.

Auch das Vertrauen der Rezipienten sinkt. Einer Studie von infratest dimap zufolge, die im Juni 2015 im Auftrag der ZEIT durchgeführt wurde, haben rund 60 Prozent der Befragten wenig bis gar kein Vertrauen in die Medien. Dies beruhe vor allem auf bewussten Fehlinformationen, einseitiger Berichterstattung und schlechter Recherche. Viele Leser stellen auch die Unabhängigkeit in Frage.

Aus diesen beiden Punkten speist sich das Konzept des Constructive Journalism oder ‚positiven Journalismus‘. Einer der wichtigsten Vertreter dieser Bewegung ist Ulrik Haagerup, Nachrichtenchef des öffentlich-rechtlichen dänischen Rundfunks DR. Er setzt sich für sachlichen, lösungsorientierten Journalismus mit Blick auf die Zukunft ein. Haagerup weist dabei die Kritik von sich, er würde einen sogenannten Nordkorea-Journalismus propagieren, bei dem Ereignisse unter den Teppich gekehrt werden und Schönmalerei das wichtigste Handwerkszeug sei. Ihm gehe es vielmehr darum, neue Perspektiven zu schaffen. Nicht die Auswahl der Nachrichten sondern die Art der Aufbereitung solle sich ändern. Dieser Blick solle nicht nur der Gesellschaft helfen, son dern auch die Medien aus ihrer Krise herausführen. Er nennt die ZEIT unter Giovanni di Lorenzo als glänzendes Beispiel, denn die Zeitung habe sich durch Constructive News wirtschaftlich verbessert. Auch wenn Haagerups Ansatz vielfach in Frage gestellt wird, klingt er auf den ersten Blick nicht übel. Er wird schon von einigen Zeitungen verfolgt. So bringt die taz seit mehreren Jahren Sonderausgaben mit ‚Good News‘ heraus und die Huffington Post widmet eine ganze Rubrik positiven Neuigkeiten, die zum Nachahmen anregen sollen.

Es gibt bereits Plattformen, die das Konzept anwenden. In Deutschland soll im Herbst eine über Crowdfunding finanzierte Seite starten. Bereits etablierte Medien sind De Correspondent aus den Niederlanden und Positive News aus Großbritannien.

Auf der Internetseite der britischen Zeitung wird mit dem Slogan „Inspiration for a change“ geworben. Grundsatz sei es, positive Entwicklungen zu dokumentieren und so einen lösungsorientierten Fokus zu erreichen. Teile der Schlagzeilen sind „pleasure“, „happiness“ und „innovative“. Dabei geht es um Artikel über Umweltschutz, Integration und Formen gesellschaftlicher Entwicklung wie ‚Sharing‘. Interessant ist außerdem ein Link, bei dem mit den häufigsten Vorurteilen über positive Berichterstattung aufgeräumt wird. Da ist zuerst einmal die Behauptung, konstruktiver Journalismus fördere ein trügerisches Sicherheitsgefühl. Anstatt jedoch einfach nur den Eindruck zu erzeugen, alles sei in bester Ordnung, soll gezeigt werden, welche Möglichkeiten bestehen und wie Individuen sowie Gesellschaften an Problemen wachsen können. Außerdem wird dazu aufgerufen, positive Neuigkeiten nicht als simples Gegenteil von negativen anzusehen, sondern beide zu kombinieren, damit sie sich ausgewogen ergänzen. Dies fördere einen ausgewogenen Blick auf die Geschehnisse.

Auch aus dem Rahmen des Journalismus losgelöst, ist dies ein vielversprechender Denkansatz. Keinesfalls ist er ein Aufruf dazu, die rosarote Brille aufzusetzen. Probleme zu ignorieren, bringt in den meisten Fällen nichts. Wenn Angela Merkel über die Flüchtlingskrise sagt „Wir schaffen das!“, dann mag das im ersten Moment einige Zuhörer begeistern. Langfristig gesehen bringen diese leeren Worthülsen jedoch wenig. Stattdessen wird der Wunsch nach konkreten Plänen laut, wie diese Krise bewältigt werden kann. Nur dadurch ist es möglich, Sicherheit und Stabilität zu erzeugen, was wiederum mehr Handlungsbereitschaft generiert.

Bevor Du dich zu früh freust: Deine Zeitung wird auch mit positiver Berichterstattung nicht von Katzenbabys bevölkert sein, die erste Seite nicht von Einhörnern und Regenbögen dominiert. Aber wenn sich die Journalisten einer realistischen Einschätzung der Situation gespickt mit konstruktiven Lösungsvorschlägen anstatt Katastrophenjournalismus verschreiben, schlägst Du die Zeitung vielleicht trotzdem ein wenig fröhlicher auf. Wenn sich dein Mitbewohner dann noch etwas im Bad beeilt, ist dein Tag doch auf einem guten Weg.

*Aufgepasst: Investigative Aufklärung ist nicht reißerischer „Enthüllungsjournalismus“ im Stile der BILD-Zeitung.

Autor*in

Maline ist 25 und studiert Deutsch und Politikwissenschaft im Master an der CAU. Sie ist seit Mai 2015 Mitglied beim Albrecht.

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