Als mich am Imam Khomeini International Airport von Teheran die Stewardess von Emirates-Airline mit einem “take care“ verabschiedet, weiß ich eine Stunde später, was sie damit meint. In der einstündigen Taxifahrt vom Flughafen nach Teheran erhalte ich eine Lektion in der Kunst des Autofahrens. Um in keinen Unfall verwickelt zu werden, muss der iranische Autofahrer antizipieren, wie ich in den nächsten zweieinhalb Wochen des Öfteren hautnah am eigenen Körper erfahren muss. Anfangs erschreckten mich Überholmanöver mit 120 Stundenkilometern, bei denen vielleicht zwei Zentimeter Abstand zum Überholenden gehalten werden. Am Ende der zweieinhalb Wochen war ich daran gewöhnt und dachte mir „Die meiste Zeit geht es ja gut“. Woran ich mich aber nie gewöhnen konnte, waren die Portraits von den Revolutionsführern Ayatollah Khomeini und Ayatollah Khamenei, die einen von allen möglichen Gebäuden anschauen. Bemerkenswert ist aber auch die Tatsache, dass Präsident Ahmadinedschad nirgends auftaucht. Ein Beleg dafür, dass er nicht viel mehr als eine Marionette im Regime der Mullahs darstellt.

Den ersten Tag verbringen ich und mein persischer Schulfreund in der Wohnung unserer Gastfamilie mit Kartenspielen und einem wunderbaren Mittagessen. Tagsüber ist es zu heiß, um die Wohnung zu verlassen. Und ohne Klimaanlage würde man es selbst in der Wohnung nicht aushalten. Gegen Abend besuchen wir den Niavaran Park. Dieser gehört zum Wohnbereich der Familie des Schahs, die 1979 im Zuge der Islamischen Revolution gestürzt wurde. Im Park herrscht ein ruhiges Treiben. Familien picknicken und Soldaten bzw. Polizisten sitzen unter Bäumen und unterhalten sich.
Ich bin der einzige Europäer hier und falle dementsprechend auf, was ein unangenehmes Gefühl ist. Man fühlt sich beobachtet, was aber weniger auf die iranische Bevölkerung zurückzuführen ist, sondern vielmehr auf die ständige Polizeipräsenz auf der Straße, häufig Sittenpolizisten, die darauf achten, dass Frauen Kopftuch tragen und Männer lange Hosen anhaben. Die iranische Bevölkerung begegnet mir überall mit Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit. Häufig werde ich auf der Straße angesprochen und nicht selten sind es Fragen wie „Wie fühlst du dich?“ oder „Wie gefällt dir Iran?“. Nach drei Tagen Teheran fliegen wir weiter nach Shiras, wo ein Großteil der Verwandtschaft meines Freundes lebt.
Im Vergleich zu Teheran wirkt die vier Millionen-Einwohner Stadt Shiras sehr viel lebendiger und farbenfroher. Nicht umsonst gilt Shiras aufgrund seines kulturellen Reichtums als die heimliche Hauptstadt des Irans. Und wer einmal den Bazar von Schiras besucht, kann nicht anders, als sich in diese Stadt zu verlieben. Hier werden Teppiche, Tischdecken aus Seide, handgearbeitete Schachbretter, Shishas mit Edelsteinen versehen, Gewürze, von denen wir in Deutschland noch nicht einmal gehört haben, sowie Schmuck und vieles mehr feilgeboten. Und alles zu einem Preis, bei dem man fast ein schlechtes Gewissen haben muss. Von Verkäufern höre ich häufig bei der Verabschiedung: „Ist geschenkt!“. Recht haben sie. Was zum kulturellen Höhepunkt meines Iran-Aufenthaltes werden sollte, ist ein Ausflug in das 70-Kilometer von Shiras entfernt gelegene Tacht-e Dschamschid (Persepolis). Hier besichtigen wir den Palast von König Darius und gehen durch das berühmte Tor zur Menschheit. Es ist jedoch auffällig, dass die gesamte Anlage in keinem sehr guten Zustand ist. Viele Objekte, die hier hingehören, sind im Louvre von Paris, weil sie dort den Mullahs Geld bringen, hört man von einigen Iranern. Häufig sagen sie, dass sie kurz vorm Weinen sind, wenn sie daran denken, wie wenig sich die Regierung um das kulturelle Erbe kümmert. Charakteristisch dafür ist der Satz, der mir von einem Iraner aus Teheran in Erinnerung bleibt: „Die Regierung hat auf das Land geschissen und nicht die Spülung gezogen.“
In den zwei ein halb Wochen Iran habe ich viele faszinierende Menschen kennengelernt, die sehr weltoffen sind und in keinster Weise dem religiösen Fanatismus ihrer Regierung etwas abgewinnen können. Besonders dankbar bin ich für die Begegnungen mit den Jugendlichen in meinem Alter. Immerhin machen die unter 25 Jährigen circa 70 Prozent der Bevölkerung aus, was auf den Babyboom nach dem Iran-Irakkrieg zurückzuführen ist. Der iranische Jugendliche hat es unglaublich schwer. Einerseits ist er an die recht strengen und engen familiären Strukturen gebunden, die ihm einen hohen Erwartungsdruck gegenüber seiner Familie aussetzen. Andererseits verbietet die Regierung ihm alles, was man normalerweise so in diesem Alter macht. Es gibt keine Diskotheken, weil Tanzen verboten ist. Lautes Musikhören im Auto ist nicht gestattet (Trotzdem macht es jeder). Und um ein Mädchen oder einen Jungen kennen zu lernen, muss man sich an geheimen Orten treffen, wo keine Polizei in der Nähe ist. Die Menschen, die ich kennen gelernt habe, sind sehr mutig. Sie reden frei und offen, besonders gegenüber mir, weil ich Ausländer bin und sie sich sicher sein können, dass ich keine regierungskritischen Aussagen in die falschen Hände weitergeben werde.

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