20 Jahre einer großen Liebe

Der Junge mit den knubbeligen Knien und den schwarzen Haaren feierte diesen Juni Jubiläum. Seit nunmehr 20 Jahren begleiten wir Harry, Ron und Hermine, sei es auf Papier oder Leinwand, durch ihre Abenteuer und lernen nach wie vor immer mehr Details der Zauberwelt kennen. Mittlerweise gibt es nicht nur Muggel, sondern auch No-Majs und neben dem Zaubereiministerium auch den Magical Congress of the United States of America (MACUSA). Nicht nur Hogwarts, Durmstrang und Beauxbaton, sondern auch Ilvermorny – da schlägt das Herz des nordamerikanischen Fans höher, wie konnte er auch jahrelang ohne landeseigene Zauberschule auskommen?

Dass Harry Potter und der Stein der Weisen 1997 überhaupt erscheinen konnte, grenzt beinahe an ein Wunder – oder war es Magie? Die damals finanziell schlecht situierte Joanne Rowling, dem ‚K‘ folgt übrigens kein Mittelname, fand zuerst keinen Verleger, der ihre Geschichte haben wollte – diesen komischen Mix aus Internatsgeschichte, Waisendramatik, Zauberei und einem Hauch Nostalgie. Heute gehört sie, das muss eigentlich gar nicht mehr erwähnt werden, zu den reichsten Personen Englands und erfreut die Fangemeinde mit immer mehr Kürbispastetenhäppchen aus dem Potter-Universum. Neben weiteren Film- und Theaterproduktionen wie Fantastic Beasts And Where To Find Them oder Harry Potter And The Cursed Child veröffentlicht Rowling ihre Ideen und Beschreibungen auf der Website Pottermore, einem wahren Füllhorn von Informationen über Zauberstäbe, magische Artefakte, Todesser, Patroni und der Zaubergemeinschaft. Neben von ihr selbst geschriebenen Texten erfährt der eingefleischte Fan nach einer Anmeldung und mehreren Persönlichkeitstests, welchem Hogwartshaus er zugehörig ist, welche Gestalt sein Patronus annimmt und aus welchem Holz der Zauberstab ist, der ihn gewählt hat. Denn, wie bereits Mr. Ollivander sagte: „The wand chooses the wizard, Mister Potter. It is not always clear why.“

Doch auch unabhängig von der Autorin finden weitergestrickte Geschichten, Parallelhandlungen, Spin-Offs und Prequels ihren Weg zu den ‚Potterheads‘. So soll Ende des Jahres der durch ein Crowdfunding produzierte Film Voldemort – Origins Of The Heir starten. Den  Italienern Gianmaria Pezzato (Regie, Drehbuch) und Stefano Prestia (Produktion) reichten die wohlüberlegt herausgegebenen Informationshäppchen von Rowling scheinbar nicht aus, weshalb sie nun eine eigene Story zu Tom Riddle alias Voldemort und der Gryffindor-Erbin Grecia McLaggen entwarfen. Lange mussten die Filmemacher nicht warten, bis die Anwälte der Warner Brothers auf der Türschwelle standen und einen Rechtsstreit anfingen. Womöglich ist dies auch der Grund für das gewählte Medium: Statt im Kino wird der Film auf YouTube veröffentlicht.

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In Bonn fand im  vergangenen April eine Konferenz zu Forschungen rund um die Geschichte von Harry Potter statt. Ob nun das in den Büchern dargestellte Frauenbild, der Umgang mit Religion oder die Frage, wie rassistisch die Beleidigung ‚Schlammblut‘ wirklich ist, auf der zweitägigen Lehrveranstaltung wurde anlässlich des zwanzigsten Jubiläums in alle Richtungen geforscht, gesammelt und ausgetauscht. Die Anglistik-Professorin Marion Gymnich von der Universität Bonn geht sogar so weit, den Namen Rowling in einem Atemzug mit Klassikern der englischen Literatur zu nennen. Harry Potter weise Parallelen zu den Büchern von Charles Dickens oder den Geschwistern Brontë auf. Außerdem setze er die lange Tradition des Internatromans fort. Die Autorin J. K. Rowling hat sich für die einzelnen Bände an ähnlichen literarischen Elementen bedient wie einst schon Enid Blyton in den Büchern von Hanni und Nanni. Gymnich äußert damit, was viele Fans bereits seit Jahren inbrünstig vertreten: Harry Potter hat einen hohen literarischen Wert!

Vielen Harry Potter-Fans wird der Wirbel jedoch langsam zu viel. Die eigentliche, sich über sieben Bücher erstreckende Geschichte sei längst abgeschlossen, Blockbuster zu magischen Tierwesen reine Geldmacherei und der Charakter sowieso längst verloren. Auch ich beschwere mich oft und sehr lauthals darüber, doch seien wir ehrlich uns selbst gegenüber: Natürlich wird sich jeder neue Film angeguckt, jede neue Veröffentlichung von Rowling gelesen und Persönlichkeitstest wie „Welcher Todesser bist du?“ haben eine legitime Daseinsberechtigung. Denn bei allem Kommerz und Schwindel: Harry Potter ist und bleibt nun mal die große Liebe einer ganzen Generation.

 

Autor*in

Johanna schreibt seit Anfang 2015 vornehmlich für das Ressort Gesellschaft. Seit Februar 2017 ist sie Chefredakteurin des ALBRECHT. Sie studiert seit dem Wintersemester 2014 Deutsch und Soziologie an der CAU.

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