Die DER ALBRECHT-Redaktion präsentiert die Helden ihrer Kindheit und greift noch einmal mit nostalgischen Seufzern und wachem Blick zu einigen Kinderbuch- und -serienklassikern.

Petterson und Findus
von Mimke Lena Teichgräber

Am Weihnachtsbaum meiner Familie hängt jedes Jahr wieder ein roter Sparschäler, ein roter Schraubenzieher, eine rote Krawatte und glitzerndes Plastikspielzeug aus Ü-Eiern. Seit etwa zehn Jahren baue ich mehr oder weniger massiv rote und glitzernde Dinge in den Tannenbaum ein. Inspiriert wurde diese Verzierung von Petterson kriegt Weihnachtsbesuch. In dieser Geschichte geht jede Weihnachtsvorbereitung vom alten Petterson und seiner sprechenden Katze Findus schief. Als der Alte und die Katze gemeinsam einen Weihnachtsbaum schlagen wollen, verstaucht sich KindheitsheldenPetterson den Knöchel. Deshalb können sie keinen Baum schlagen, nicht einkaufen und kommen auch nicht an den Weihnachtsschmuck. Nach ausgiebigem Frust beginnen sie, zu improvisieren. Sie verschrauben einzelne Äste einer Tanne an einen Balken und schmücken ihre Konstruktion mit allem, was rot ist und glitzert. Das Ergebnis kann sich im Buch und auch im Wohnzimmer meiner Familie durchaus sehen lassen.

Die herrlichen Illustrationen und Geschichten von Sven Nordquist über Petterson und Findus haben mich mit ihren Abenteuern viele Jahre begleitet, inspiriert und unterhalten. Dabei waren die Geschichten nicht durch besondere inhaltliche Umstände spaßig, der Charme der Bücher und auch der Fernsehserie liegt viel eher in der Darstellung des idyllischen und abwechslungsreichen Alltags im schwedischen Nirgendwo. Die Konstellation auf dem Hof, in der die Katze in der grünen Hose den alten Mann aus seinem Trott reißt und ihn fortan dauerhaft auf Trab hält, erinnert mich teilweise an mich selbst. Mit Findus’ unendlicher Gier nach Bespaßung, Neuem und Nähe konnte ich mich ebenso identifizieren, wie mit seinem tiefen Verlangen nach einem unerschöpflichen Vorrat an Fleischklößchen, da ich mich zum Höhepunkt meiner Petterson und Findus-Begeisterung noch auf einem Plateau der Frikadellensucht befand.

Meine Freude an Nordquists Geschichten ist ebenso wenig zurückgegangen wie mein Wunsch, Fleischklößchen erfolgreich pflanzlich anzubauen. Möge die Lebensmittelindustrie diese praktische und wahrscheinlich absolut vegane Idee eines Tages umsetzen.


Heidi
von Johanna Touoda

Hohe schneebedeckte Berge, dunkle Tannen und grüne Wiesen im Sonnenschein. Das iHund_P2st die Heimat des kleinen Mädchens von der Alp. Freudestrahlend schwingt sie mit einer Schaukel, die am blauen Himmelszelt befestigt zu sein scheint, über die Alpenlandschaft von Mayenfeld oder hüpft sorglos zusammen mit ihrem Zicklein Schnucki und ihrem besten Freund, dem Geißenpeter, über bunte Blumenwiesen. Seit Generationen wecken Heidi, der Ziegenhirt Peter und die gehbehinderte KindheitsheldenKlara aus Frankfurt in den Herzen vieler Kinder die Sehnsucht nach den Bergen. Und auch ich träumte damals davon, wie Heidi auf einer Wolke über die im Sonnenuntergang rot glühenden Alpen zu schweben, aus kleinen Schälchen Ziegenmilch zu schlürfen und den im Wind rauschenden  Tannen zu lauschen.

Die Heidi-Bücher der Schweizer Autorin Johanna Spyri erschienen bereits in den Jahren 1880/81 und gehören zu den bekanntesten Kinderbüchern der Welt. Sie erzählen die Geschichte vom fünfjährigen Waisenkind Heidi, das nach dem Tod seiner Eltern bei seiner Tante Dete aufwächst. Nachdem diese eine Arbeitsstelle in Frankfurt annimmt, bringt sie das kleine Mädchen zu ihrem griesgrämigen Großvater, dem Alm-Öhi, der zurückgezogen auf der Alp oberhalb von Dörfli lebt. Dieser ist anfangs nicht sehr begeistert: „Was soll das Kind bei mir?“ Doch es dauert nicht lange und der alte Mann schließt seine energiegeladene Enkelin ins Herz. Eines Tages holt ihre Tante sie nach Frankfurt. Allerdings ist Heidis Heimweh so groß, dass sie wieder zurück auf die Alp muss. Begleitet wird sie dabei von ihrer Frankfurter Freundin Klara, die im Rollstuhl sitzt.Kindheitshelden

In mehr als 50 Sprachen wurden die Bücher übersetzt und es entstanden zahlreiche Film- und Serienadaptionen. Doch wenn vom dunkelhaarigen Mädchen aus den Bergen die Rede ist, wird meist an die 52-teilige japanische Zeichentrickserie Arupusu no shōojo Haiji (Alpenmädchen Heidi) aus dem Jahr 1974 gedacht. Die Serie, die das ZDF 1977 zum ersten Mal ausstrahlte, wurde von den Japanern Isao Takahata und Hayao Miyazaki entwickelt und feierte großen globalen Erfolg.

Eines steht auf jeden Fall fest: Die kleine Maid von der Alp wird noch viele weitere Generationen von Kindern mit der idyllischen Alpenlandschaft und ihrem herzensguten Wesen verzaubern.


Wickie
von Eva-Lena Stange

Heißt es „Zieh fest das Segel an“ oder „Sie fässt das Segel an“? Über diese Frage zur Titelmelodie der Serie Wickie und die starken Männer konnten sich in meiner Familie abendfüllende Diskussionen ergeben. Ob Wickie nun Junge oder Mädchen war – verzwickterweise in rosa Strupfhosen unter dem blauen Kettenhemd gewandet – konnte dabei nie abschließend geklärt werden, sodass mir erst bei der Recherche für diesen Artikel abschließend klar wird: Wickie ist ein männlicher Charakter.

Allerdings entspricht er nicht dem Stereotyp eines kämpferischen Wikingers: Wickie ist ein ängstlicher, kleiner Junge, am liebsten verbringt er seine Zeit beim Spielen mit seiner Freundin Ylvi oder beim Angeln am Fluss im Heimatdorf Flake. Sein Vater Halvar – seines Zeichens berüchtigter Wikingerhäuptling, aber geistig mehr Simpson als Homer – nimmt ihn nicht ernst, muss ihn aber wegen einer verlorenen Wette mit auf Beutezug nehmen. Also geht Wickie gemeinsam mit der furchtlosen, aber wenig bedachten Schiffsmannschaft, bestehend aus den Raufbolden Snorre und Tjure, dem Ausguck Gorm, Sänger Ulme, dem alten Urobe und dem Kraftprotz Faxe, auf Raubzug.

Von da an lavieren sich die Wikinger von eiKindheitsheldenner Bredouille in die nächste. Dabei erweist Wickie sich als unverzichtbarer Begleiter für die starken Männer, denn im Gegensatz zu ihnen hat er es faustdick hinter den Ohren. Ob nun sein persönlicher Lieblingsfeind der Wolf oder der schreckliche Sven auf der Lauer liegt, wenn Wickie ein wenig an seiner Nase reibt und die altbekannte Tonfolge ertönt, dann ist klar: Eine rettende Idee ist im Anmarsch! Dabei helfen ihm oft verschiedene Meeresbewohner, so befreit er seine Kumpanen zum Beispiel mit einem Sägefisch aus einem Verlies mit Holztür, lernt mit Seehunden schwimmen oder kann mit Unterstützung einer Walkuh ein feindliches Schiff loswerden – und zwar gerade, weil er im Gegensatz zu den anderen Wikingern nicht mit Gewalt auf sie losgeht. Ein furchtloser Krieger wird Wickie während der drei Staffeln nicht, aber das ist auch nicht das Ziel des schwedischen Autors Runer Jonsson, auf dessen Kinderbuchreihe die Serie basiert. Sie zeigt auf humorvolle Art und Weise, dass mit Gewalt nie so viel zu erreichen ist, wie mit Grips und offenem Umgang gegenüber anderen. Bis heute bietet Wickie Geschichten für kleine Zuschauer, 2009 nahm sich sogar Bully Herbig der Thematik an.

Anlässlich des 40. Geburtstags des kleinen Wikingers legte das ZDF nach – 2014 erschien eine animierte Serie mit 78 neuen Abenteuern. Mag es uns damals gar nicht aufgefallen sein, dass die in Japan produzierte Animeserie von 1974 einen besonderen Zeichenstil besitzt, stößt in der neuen Edition aber die 3D-Optik für Fans der reinen Wickie-Wahrheit negativ auf. Zum Glück bietet die alte Serie genug Stoff, um immer mal wieder reinzuschauen!


Bibi Blocksberg
von Jenny Linh Du

„Bibi Blocksberg, die kleine Hexe, kann so manches, wovon ihr träumt und sie wird euch immer helfen, denn sie ist euer bester Freund.“ Ich denke, die meisten von uns schwelgen schon beim Klang des Intros in Kindheitserinnerungen an die kleine blonde Hexe auf ihrem Besen Kartoffelbrei. Kein Wunder, denn wer erinnert sich nicht gerne an die endlos vielen Nachmittage und Abende, die lauschend im Bett mit den Bibi Blocksberg-Kassetten verbracht wurden. Das Unangenehmnste daran war das Aufrappeln, um die Kassettenseite zu wechseln – ihr wisst es alle noch!

Die Geschichten über die kleine Hexe Bibi Blocksberg mit den Sommersprossen und dem grünen Kleidchen wurden 1970 von der britisch-deutschen Autorin Elfie Donnelly auf deutscher Sprache verfasst und 1980 als Hörspielserie auf den Markt gebracht.

Eine Besonderheit der Hörspiele ist, dass jede einzelne Episode eine eigene, unabhängige Geschichte erzählt und über eine geschlossene Handlung verfügt, aber trotzdem mit einem gewissen Wiedererkennungswert gekennzeichnet ist. Viele Ereignisse spielen sich in dem fiktiven Ort Neustadt ab (übrigens ebenfalls die Heimatstadt von Benjamin Blümchen) und binden häufig ihre Freunde Flori, Moni und Marita ein, die nur Flausen im Kopf haben. Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist, dass Bibi und ihre Freunde sich häufig gegen den faulen und profitorientierten Bürgermeister Dr. Dr. Bruno Presssack auflehnen, der Antagonisten zu der herzensguten BibKindheitsheldeni darstellt. Durch die häufigen Konflikt-Situationen zwischen den beiden Figuren entsteht ein Gegenspiel zwischen Gut und Böse, welches stets mit einem Happy-End seinen Schluss findet.

Mittlerweile gibt es bereits 122 Folgen der beliebten Kinderhörspielserie, die über die Jahre definitiv nicht an Beliebtheit verloren hat. Noch heute erfreuen sich viele Kinder an den Streichen und Abenteuern der kleinen Hexe. Der Erfolg zeigt sich besonders darin, dass unter anderem eine Zeichentrickserie, eine Real-Verfilmung und diverse andere mediale Werke erstellt und produziert wurden.

Es bleibt also zu erwarten, dass der ‚Blocksberg-Kult‘ nicht allzu bald abebben wird und noch weitere Generationen verzaubern wird


Ronja Räubertochter
von Ann-Kathrin Path

Ein Wildfang ist sie und ein Sturkopf noch dazu, und sie liebt nichts mehr, als frei in ihrem Wald umherzulaufen. Dieses Mädchen ist Ronja, Räubertochter von Mattis und Lovis, die zusammen mit ihrer Räuberbande auf dem Mattisberg in der Mattisburg lebt. Als sie in einer stürmischen Nacht zur Welt kommt, birst die Burg durch einen Blitzschlag entzwei – ein positives Zeichen, wie ihre Mutter findet. Ronja wächst behütet auf, zwischen den zwölf ruppigen, aber liebevollen Räubern und ihren Eltern. Trotzdem zieht es Ronja bald tagtäglich in den Wald. Dort lernt sie diesen und ihre Freiheit lieben.Gruppenbild_P

Der Roman von Astrid Lindgren ist durchzogen von Ratschlägen und Weisheiten, wie zum Beispiel, dass Ronja den Wald und seine Gefahren nicht zu fürchten braucht, sondern ebendiese bewusst aufsuchen und sich stellen muss. Nach ihrer kindlichen Ansicht lernt man Furchtlosigkeit am besten, wenn sich seinen vermeintlichen Ängsten gestellt wird.

Im Wald herrscht noch eine zweite Räuberbande, die Borkasippe, mit denen die Mattisräuber aufs Blut befeindet sind. Wie das Schicksal aber nun einmal so spielt, befreundet sich Ronja mit Birk, dem Sohn Borkas, als die Borkasippe sich in der anderen Hälfte der Burg einnistet. Die beiden werden „Bruder und Schwester.“ Kinder halten nicht viel von Vorurteilen. Obwohl sie von ihren Eltern lernten, sich zu hassen, merken die Kinder, dass ihr Gegenüber gar nicht so übel ist. Es kommt so weit, dass beide zusammen in den Wald ausreißen, nachdem Ronja ihren Vater so weit verärgerte, dass er sie nicht mehr seine Tochter nennen will. Obwohl Ronja ihr neues Leben gefällt, schmerzt sie der Gedanke an ihr Zuhause, und besonders an ihren geliebten Vater. Dieser besinnt sich jedoch eines Tages und holt seine verlorene Tochter zurück auf die Burg, nicht aber ohne auch Birk entgegen zu kommen.

Ronja Räubertochter ist mutig und klug und steht für ihre Überzeugungen ein – und das trotz des zarten Alters von elf Jahren. Lindgren schafft eine zauberhafte kleine Welt voller liebenswerter Räuber, gruseligen Druden, lustigen Rumpelwichten und unheimlichen Graugnomen. Die Geschichte des wilden Mädchens ist, trotz des rauen Räuberumfeldes, so herzlich erzählt, dass es ein wahres Vergnügen ist, sie zu lesen. Selbst (oder gerade) heute noch. Wer also einmal wieder etwas über das Leben lernen möchte, obwohl er denkt, schon alles zu wissen, der möge Ronja Räubertochter lesen. Und sich vielleicht an die eine oder andere Lebensweisheit erinnern.

Autor*in

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