von Johanna Rädecke und Mimke Teichgräber

Seit Jahren ist Deutschland besorgt um seine rar gesäten Sprösslinge. Zwar ist ein leichter Anstieg der Geburtenrate zu vermerken, dennoch liegt sie bei rückläufigen 1,5 Kindern pro Frau (Stand 2015). Der Familienreport aus dem Jahr 2014 eröffnete hierzu einen weiteren interessanten Fakt: Laut einer Umfrage von 2011 wünschten sich die Befragten unter idealen Lebensumständen im Durchschnitt 2,26 Kinder. Dies ist eine Zahl, bei der jeder Familienpolitiker jubeln würde. Doch in einer zweiten Frage nach dem realistischen Kinderwunsch, also unter Einbezug der aktuellen, persönlichen, finanziellen und politischen Umstände, war nur 1,77 die gewünschte Anzahl. Offensichtlich gibt es Gründe, die dazu führen, dass sich Deutsche weniger Kinder als unter idealen Umständen wünschen. Denn laut des Familienreports gehören viele Faktoren dazu, um in Deutschland den Entschluss zur Fortpflanzung zu fassen. Nicht nur der Partner muss stimmen und sich ebenfalls Kinder wünschen, sondern auch die berufliche Situation, die Finanzierung, das Alter und ein geregeltes Einkommen.

Um die Einstellung zur Familienplanung lokal detaillierter zu erfassen, befragte DER ALBRECHT im Oktober 138 Studierende der CAU Kiel. Die Faktoren, die am meisten gegen das Kinderkriegen sprachen, waren der Karrierewunsch mit 35 Prozent, Probleme bei der Finanzierung der Familie mit einem Drittel und der Lebensstil mit 29 Prozent. Dennoch wollten drei Viertel der Befragten, unabhängig vom Geschlecht, zukünftig mindestens ein Kind bekommen. Die Ergebnisse aus Report und Umfrage lassen erahnen, dass rationale Gründe zur Anpassung der Familienplanung führen, wodurch der emotionale Aspekt in den Hintergrund rückt.

Den rationalen Gegengründen begegnete beispielsweise Dänemark mit praktischen Initiativen. Das familienpolitisch vorbildliche Nachbarland investiert nachhaltig in die Familienpolitik und schafft mit Dienstleistungen und Vorteilen große Anreize, um Kinder zu bekommen. Dänemark verwendet einen großen Teil des BIP für Familien- und Kindersozialleistungen (vier Prozent im Jahr 2013) – mehr als jeder andere EU-Mitgliedstaat zur Unterstützung von Familien bezahlt. So wundert es nicht, dass das Land jüngst einen massiven Babyboom zu verzeichnen hatte. Hierfür wird neben der großen staatlichen Förderung auch die Werbekampagne Do it for Denmark verantwortlich gemacht, in der die dänischen Bürger mit lustigen Spots dazu aufgefordert werden, dem Land mehr Kinder zu schenken. In einem Spot wird zum Beispiel an die potentiellen Großmütter appelliert, die ihren Kindern einen Urlaub schenken sollen, weil Dänen statistisch gesehen mehr Sex im Urlaub haben.

Auch für dänische Studenten ist es leichter, Lernen und Elterndasein in finanzieller Hinsicht zu vereinbaren. Dies liegt nicht zuletzt an der pauschalen monatlichen Ausbildungsförderung in Höhe von umgerechnet circa 730 Euro, die jeder Student erhält und nicht zurückzahlen muss. Auch die Sozialleistungen und die Kinderbetreuung gestalten sich in Dänemark unkomplizierter. Doch ist die ausreichende finanzielle Förderung wirklich ausschlaggebend dafür, dass Elternschaft während des Studiums attraktiver wird?

Laut der ALBRECHT-Umfrage ist der Kinderwunsch während des Studiums deutlich geringer als der Allgemeine. Damit zeigte sich, wie schon im Familienreport 2014, eine Diskrepanz zwischen dem idealen und dem realistischen Kinderwunsch. Denn nur zehn Prozent können sich vorstellen, während des Studiums Kinder zu bekommen. 68 Prozent hingegen wollten keine Kinder während des Studiums, und nannten dafür auch mehr Gründe als sie gegen die Elternschaft allgemein anführten. So gaben 61 Prozent den Lebensstil als Motiv an, der durch ein eigenes Kind nicht in derselben Form weitergeführt werden könnte. Die Angst vor der Veränderung des Alltags und der potentiellen Beschneidung eigener Freiheiten scheint besonders für junge Menschen ausschlagebend zu sein.

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Mit 76 Prozent erhielt der Faktor der aktuellen finanziellen Situation als Studierende den meisten Zuspruch. Weiterhin gaben 30 Prozent an, dass sie ein Kind während des Studiums bei besserer Finanzierung in Betracht ziehen würden, wovon sich neun Prozent sogar zuvor gegen Kinder im Studium ausgesprochen hatten. Die unklare Finanzierung einer Familie hemmt somit den Kinderwunsch während des Studiums.

Zwar haben werdende Eltern bereits auch in Deutschland Möglichkeiten, verschiedene staatliche und universitäre Unterstützungen zu beantragen, dennoch sprechen die genannten Ergebnisse dafür, dass die Finanzierung von Studierenden weiter verbessert werden sollte.

Bezüglich der Kinderbetreuung, BAföG-Zuschüsse, Urlaubssemester und bei allgemeinen Fragen stehen die Beauftragten des Familien-Service und des Studentenwerks der CAU zur Verfügung.

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weitere Ergebnisse der ALBRECHT-Familien-Umfrage
Die Eltern von 78,3 Prozent der Befragten leben noch zusammen
Durchschnittlich haben die Befragten 1,48 Geschwister
Für 70 Prozent ist Ehe die bevorzugte Partnerschaft

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Titelbildquelle: Anne Geddes

 

 

Autor*in

Studiert seit 2013 Psychologie in Kiel, und frönt dem ALBRECHT seit dem Wintersemester 2014/15, von 2015 bis 2017 als Bildredakteurin und von Januar 2017 bis Januar 2018 als stellvertretende Chefredakteurin.

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