Kürzlich feierte FPÖ-Kandidat Norbert Hofer den Sieg bei der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl in Österreich und bestätigte damit eine starke Rechtsorientierung des Landes. Die Reaktionen kamen sofort. Alteingesessene Parteien wie die SPÖ und ÖVP sind aufgescheucht, Siegmar Gabriel reagiert „besorgt“ und der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner betitelt dieses alarmierende Wahlergebnis (35 Prozent Stimmenanteil) als „Weckruf für Europa“. Aus den rechten Rängen der europäischen Politik sind hingegen Jubelrufe zu vernehmen – auch Frauke Petry spart nicht mit Glückwünschen zum Sieg.

Dass Hofer die erste Wahlrunde in Österreich gewonnen hat, kommt nicht überraschend. Eine politische Tendenz nach rechts ist in vielen Teilen Europas bemerkbar, und diese hat durch die hohe Zahl Asylsuchender stark zugenommen. Das Thema ist politischer Zündstoff, den sich AfD, Front National und PiS zu Eigen machten. Ob nun die „Gefahr der Islamisierung“, der Mangel an Arbeitsplätzen oder die „Bedrohung deutscher Werte“ Hauptargumente rechter Parteien waren, das Thema Flüchtlinge zog und zieht immer wieder.

Doch wie sieht es aktuell mit den Flüchtlingsströmen aus? Muss sich die AfD zukünftig andere Themen suchen, um den Wählern eine Plattform zu bieten?

Im März haben sich erstmals weniger Flüchtlinge als im Vorjahr in Schleswig-Holstein registrieren lassen. Während sich im Februar noch 2069 Asylsuchende registrieren ließen, waren es im März 662 Registrierte und im April sogar nur noch 568. Die zwölf betriebenen Erstaufnahmeeinrichtungen in Schleswig-Holstein sind praktisch leer, in manchen arbeiten fast so viele Betreuer, Pädagogen und Sicherheitsbeamte, wie Flüchtlinge untergebracht sind. Die EAE Neumünster ist bei einer Kapazität von 1300 Plätzen zurzeit nur zu rund fünfzig Prozent belegt, in der Kieler Wik sind gerade einmal 53 Geflüchtete untergebracht, obwohl 500 Menschen Platz finden könnten. Im Schnitt sind die Asylunterkünfte dem wöchentlichen Bericht des Ministeriums für Inneres und Bundesangelegenheiten nach zu achtzehn Prozent ausgelastet.

Der Grund für die gesunkenen Flüchtlingszahlen ist die seit Wochen gesperrte Balkanroute. Auch die winterbedingte Wetterlage führte in den letzten Monaten dazu, dass weniger Menschen eine Seeüberfahrt wagten. Das BAMF argumentiert im Hinblick auf sinkende Flüchtlingszahlen wiederum ganz anders: Allein die aktuellen Überlegungen, Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer einzustufen, schrecke die Menschen ab, sich überhaupt auf den Weg zu machen. Die sich verringernde Zahl von Geflüchteten spiegelt aber keinesfalls eine Verbesserung der Lage wider, sitzen doch Tausende unter schlimmsten Bedingungen im griechischen Idomeni fest. Es ist paradox, auf der einen Seite unterbeschäftigte Mitarbeiter einer Erstaufnahmeeinrichtung zu sehen, während gleichzeitig menschenunwürdige Bedingungen in Flüchtlingslagern am Rande Europas herrschen. Die schleswig-holsteinischen Grünen forderten deshalb die Landesregierung auf, ein Sonderkontingent von Flüchtlingen, die seit Langem in Idomeni ausharren, in den zurzeit kaum besetzten Unterkünften in Schleswig-Holstein unterzubringen.

Doch auch wenn sich die Lage in den Herkunftsländern nach wie vor nicht beruhigt und somit die Gründe für Auswanderung und Flucht weiterhin bestehen, ist die Handhabung der Flüchtlingssituation in Deutschland wesentlich ruhiger und geordneter geworden. Die allgemeinen Prozesse rund um Asylverfahren verbessern sich stetig. Asylanträge werden in sogenannten Ankunftszentren weitaus schneller bearbeitet als noch vor einigen Monaten. Dies liegt an einem optimierten Verfahren, welches eine Clusteranalyse beinhaltet und Asylanträge aus den „sicheren Herkunftsländern“ schneller von dem Verfahren ausschließt. Die Verteilung auf die Kommunen läuft ebenfalls reibungsloser, auch wenn die Finanzierung nach wie vor noch nicht abschließend geklärt ist. Generell entsteht der Eindruck, dass Deutschland um einiges routinierter agiert als vor einem Jahr.

Dies zeigt auch der Flüchtlingspakt, der am sechsten Mai einjähriges Bestehen feierte und als großer Fortschritt in der Flüchtlingspolitik angesehen wird. Stefan Studt, Minister für Inneres und Bundesangelegenheiten, zog knapp ein Jahr nach Beschluss eine positive Bilanz zu dessen Umsetzung: Es wurde „in vielen Bereichen mittlerweile weitaus mehr getan, als wir uns damals vorgenommen haben“, so sein Resümee im Landtag.

Und trotzdem bleibt ein bitterer Beigeschmack. Kann es wirklich als Entlastung angesehen werden, dass die Erstaufnahmeeinrichtungen nicht mehr an Kapazitätsgrenzen stoßen, wenn dies doch nur an geschlossenen Grenzen und Drohungen liegt, die Herkunftsländer als sicher einzustufen? Die letztes Jahr noch stark zelebrierte Willkommenskultur hat an Glanz verloren und es bleibt abzuwarten, wie weit das Gedankengut der „besorgten Bürger“ Einzug in die Politik hält. Eins ist sicher: Die Atempause durch rückgehende Flüchtlingsströme in Mitteleuropa ist nicht positiv zu bewerten. Es ist umso wichtiger, leere Unterkünfte möglichst schnell sinnvoll zu nutzen, denn die Plätze sind da und bezahlt, genauso wie das Personal in ihnen.

Autor*in

Johanna schreibt seit Anfang 2015 vornehmlich für das Ressort Gesellschaft. Seit Februar 2017 ist sie Chefredakteurin des ALBRECHT. Sie studiert seit dem Wintersemester 2014 Deutsch und Soziologie an der CAU.

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