Neues vom „Dirty Old Man“

Der in Deutschland geborene und in Los Angeles aufgewachsene Schriftsteller Charles Bukowski, mag manchem als Hank Moody für Besserverdiener bekannt sein, nicht umsonst gilt er der von David Duchovny verkörperten Serienfigur als wenig okkulte Blaupause. Obschon vor über 20 Jahren aus dem Leben geschieden, begeistern die Stories des „Dirty Old Man“ noch immer. So bringt der Fischer Verlag nun eine Sammlung von Kurzgeschichten Bukowskis heraus, ein Querschnitt durch alle Schaffensperioden, getränkt in Alkohol, Depression und Promiskuität. Der Titel bezieht sich auf Hemingways Wem die Stunde schlägt und lautet wie eine der enthaltenen Kurzgeschichten Keinem schlägt die Stunde.

Neben Texten aus bekannten Werken wie Notes of a Dirty Old Man, dem der Großteil der Geschichten entnommen ist, umfasst das Kompendium auch bisher unveröffentlichte Prosa Bukowskis.

Das Sujet ist vorgegeben, Bukowski bleibt sich selbst treu und schreibt stark autobiographische Texte über Sex, Gewalt, Außenseiter und eine schwere Kindheit. Sich selbst, dicht gefolgt vom Alkohol, der Nächste, erzählt er Geschichten durch eine anthrazite Brille, immer etwas depressiver als üblich, immer einen Schwung derber in der Wortwahl, nah am Abgrund und alles außer sicher und fest auf beiden Beinen.

BQ_S.Fischer VerlagBukowskis Herz für die verqueren Gestalten in unserer Gesellschaft wird schon in der ersten Story deutlich, die die Ereignisse um ein liberales, leicht verkommenes Haus inmitten eines gutbürgerlichen Viertels schildert: Wilde Partys und laute Gespräche stören Nacht für Nacht die pikierten Nachbarn. Die Polizei wird gerufen, weil sich Männer im Garten prügeln, schaut kurz nach dem Rechten, doch kann nicht eingreifen, verlässt das Haus ohne Begleitung in Handschellen. Ralph, so der Name des Hausbesitzers, verändert sich, geht früh morgens im Blaumann zur Arbeit, hat die Feierei hinter sich, ist mit dem vorangegangenen Tod seiner Eltern anscheinend fertig geworden. Doch noch immer trinkt er am Wochenende, die Nachbarn denken sich ihren Teil und Ralphs Leben eskaliert wieder. Seine Lebensgefährtin passt nicht in das Bild der Leute und sorgt zudem mit ununterbrochenem Klavierspielen und nachlässiger Haustierbeerdigung für Störung. Ralph wechselt Jobs, trägt nun Anzug, später wieder Blaumann. Am Ende nimmt sich Ralph das Leben, zitiert in seinem Abschiedsbrief noch Rabelais. Zum Schluss notiert Bukowski trocken: „Der Rasen verkam.“

Keine Wertung, kein Urteil, selbst die eindeutigen Meinungen der schockierten Anwohner werden eher suggeriert als explizit genannt. Bukowski lässt die emotionale Komponente der Ereignisse außen vor, beschreibt nüchtern und schafft so eine unheimliche Distanz zur Chronik eines menschlichen Absturzes. Der Exzess und die fast notwendige Katharsis in Form von Ralphs Suizid wirken umso bedrückender, je größer der Abstand ist, den die Erzählweise zum Erzählten schafft.

Oftmals wird behauptet, Bukowski sei einzigartig, manchen mag dies lieb sein, andere wiederum suchen in den Werken anderer Autoren nach Parallelen, ob Wondratschek oder Fauser, um die deutschen zu nennen. In dem Kompendium Keinem schlägt die Stunde finden sich Parallelen zu fast allen modernen amerikanischen Autoren: Zeitgenossen wie die Generation der Beat-Poeten (Kerouac, Ginsberg) oder auch Science-Fiction Autoren vom Renommee eines Philipp K. Dick. Die Erzählungen aus den Jahren 1948 bis 1985 umfassen das gesamte Spektrum des Schaffens Bukowskis und geben einen idealen Überblick und Einstieg in das Werk des Mannes, der sich aufgrund seines ersten Vornamens gern Hank nennen ließ. Eine Art Einstiegsdroge, wie ein gutes Glas Bourbon.


Bild: S.Fischer Verlag

Autor*in

Paul war seit Ende 2012 Teil der Redaktion. Neben der Gestaltung des Layouts schrieb Paul gerne Kommentare und ließ die Weltöffentlichkeit an seiner Meinung teilhaben. In seiner Freizeit studierte Paul Deutsch und Anglistik an der CAU.

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