Ein Kommentar von Rune Weichert

Immer wieder montags in Dresden: Die selbsternannten „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ – kurz PEGIDA – marschieren durch die Stadt, grölen ausländerfeindliche Parolen, halten islamophobe Plakate und Schilder hoch und pöbeln gegen die deutsche Politik. Doch ein Schlagwort wird immer wieder gegrölt, ein Schlagwort, welches eigentlich kein neues Phänomen darstellt: Lügenpresse.

Schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ist ‚Lügenpresse‘ im deutschen Sprachraum nachweisbar. Im Ersten und Zweiten Weltkrieg sowie auch in der ehemaligen DDR wurde dieser Begriff als politischer Kampfbegriff verwendet. Doch seit PEGIDA ist Lügenpresse ein Wort, welches sich schon tief in unseren Sprachgebrauch verankert hat und wovon man sich fragt, ob es ein propagandistischer Schlachtruf oder eine berechtigte Kritik ist. Immerhin denken laut Umfrage 44 Prozent der Deutschen, dass dieser Begriff legitim sei. Klar, Medien sind nicht perfekt. Fehler passieren, weil sie menschlich sind. Journalisten sind ganz normale Menschen und keinesfalls unfehlbare Halbgötter mit Block und Stift. Kritik an Medien ist dringend notwendig, denn nur so können wir, die Bürger und Bürgerinnen, die vierte Gewalt in unserem Rechtstaat kontrollieren. Wir sollten, ja müssen alles hinterfragen, was gesendet oder geschrieben wird.

Warum wird überhaupt Lügenpresse gegrölt? Erstens fehlt es vielen Menschen an Medienkompetenz, welche aber in Zeiten von Informationsfluten in Funk, Fernsehen und Internet immer schwerer zu erlangen und auch beizubehalten ist. Außerdem sind die PEGIDisten der Meinung, dass die etablierten Medien in Deutschland Propaganda verbreiten, Meldungen und Berichte manipulieren und damit auch uns, die Konsumenten. Häufig hört man von solchen Leuten, wir sollten doch „die Augen öffnen“ oder „endlich aufwachen“ und uns nicht die Meinung vordiktieren lassen. Doch das absurde ist, dass diese treudummen Anhänger genau die Meinung übernehmen und nachplappern, die Rechtsextreme wie Lutz Bachmann oder Tatjana Festerling ihnen eintrichtern. Statt sich alle Meinungen anzuhören und abzuwägen, was wahr und was falsch sein könn te, wird gleich die Haltung der Leithammel übernommen. Leider bleibt es nicht nur bei einer ausländerfeindlichen Haltung, viele Parolen gehen weit darüber hinaus. Zum Beispiel, wenn man Politikern, Staatsanwälten, Flüchtlingen oder Journalisten mit dem Tod droht. Das ist nicht Meinungsfreiheit, das ist kriminell, antidemokratisch und darüber hinaus mehr als abscheulich. Meinungsfreiheit bedeutet für PEGIDA und Co. wohl nur, dass ihre Meinung die einzig wahre ist und alle anderen falsch sind. Es steht jedem frei, eine eigene Meinung zu bilden, aber dazu gehört auch, dass man andere Meinungen zumindest respektiert. Man muss sie ja nicht gleich übernehmen.

Doch es sind nicht nur die PEGIDisten, die Lügenpresse skandieren. Es gibt auch die Verschwörungstheoretiker und ab hier wird es richtig absurd. Am harmlosesten sind noch die Verschwörungstheorien zu 9/11, in denen man von manipulierten Bildern und sich widersprechenden Berichten spricht. Aber an diesem Tag herrschte nicht nur in New York City Chaos und Schock starre sondern auch in sämtlichen Nachrichtenredaktionen der Welt. Klar, dass da so manche Ungereimtheiten auftauchen. Aber es geht noch viel absurder. So gibt es nicht wenige Anhänger der ‚Chemtrail-Theorie‘, wonach die Kondensstreifen aus Flugzeugen in Wahrheit Chemikalien seien, die das Bevölkerungswachstum verringern oder das Wetter manipulieren würden. Manche meinen sogar, die Menschen auf der Erde würden dadurch gefügig gemacht. Wer aber im Physikunterricht aufgepasst hat, der weiß, dass Kondensstreifen entstehen, weil die heiße Luft aus den Triebwerken in der kalten Luft in 10.000 Metern Höhe zu Wasser kondensiert und dann zu Eiskristallen gefriert. Und dann gibt es noch die Impfgegner, die meinen, in Impfstoffen sei Gift, welches ebenfalls das Bevölkerungswachstum verringern soll. Auch diese Verschwörungstheoretiker glauben den Medien nicht und behaupten, sie seien Teil der Manipulation, indem sie diese Thesen gar nicht erst öffentlich machen oder sie als absurd abtun würden.

Verschwörungen und ausländerfeindliche Meinungen solcher Art werden häufig auf Blogs publiziert, meistens von selbsternannten Enthüllungsjournalisten ohne redaktionelle oder journalistische Ausbildung, geschweige denn Kenntnisse. Dabei sind solche Publikationen abstrus, verdrehen die Wahrheit oder zitieren aus einem völlig falschen Kontext. Häufig werden die Autoren nicht genannt. Mit solchen Artikeln sollen vor allem Ängste geschürt werden. Dabei wird nicht vor Manipulation und Lügen halt gemacht. Und solche Menschen schreien Lügenpresse, was soll man nun davon halten? Mal ehrlich, sollte man einem Hobby-Blogger Glauben schenken, der wirre, abstruse, hetzerische und manipulierte Artikel publiziert, die zu Lynchmord an Politikern und Journalisten aufrufen oder sollte man Zeitungen oder Medienanstalten glauben, die seit Jahrzehnten existieren und ein weltweites Korrespondentennetzwerk haben? Ich für meinen Teil finde die letzteren glaubwürdig. Und was ist mit Euch?

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