von Eva-Lena Stange und Ann-Kathrin Path

Verzweigte Wege führen einen Hügel hinauf, gesäumt von Blütenmeeren und Bäumen mit knotigen Wurzeln und verschlungenen Stämmen. Vom Hügel sehen wir das Blaugrau der Förde. Was wie ein Bild aus einem Märchen klingt, ist tatsächlich die Beschreibung des Alten Botanischen Gartens in Kiel.

Es gibt verschiedene Eingänge, um in den Alten Botanischen Garten zu kommen. Wir entscheiden uns für den Eingang an der Kunsthalle, als wir an einem verregneten Sonntagvormittag den Garten besuchen wollen. Anfangs wirkt der Garten düster und etwas bedrohlich: Einige hohe Nadelbäume versperren uns die Sicht auf sein Innenleben. Wir folgen einem schmalen Weg den Berg hinauf, der feuchte Sand knirscht unter den Sohlen. An der Spitze des Hügels ein rosa-blühender Kirschbaum – eine Sachalin-Kirsche, wie uns das am Baum hängende Kärtchen verrät. Darunter liegt ein verliebtes Pärchen, das sich vom Regen nicht stören lässt. Da das dichte Buschwerk noch nicht blüht, können wir unseren Blick frei vom Hügel aus über die Förde schweifen lassen. Extra dafür stehen Bänke bereit, auf denen man sich niederlassen und die Aussicht bewundern kann.
In unmittelbarer Nähe befindet sich, ebenfalls auf dem Hügel, der spätromantische Aussichtspavillon mit seiner ikonischen gusseisernen Kuppel, von wo aus der weite Ausblick noch phänomenaler ist. Die romantische, märchenhafte Stimmung, die durch den Pavillon, die Aussicht und nicht zuletzt den blühenden Kirschbaum entsteht, haben anscheinend noch mehr Verliebte entdeckt: Rika und Alex waren seit dem 15. August 2018 nicht das einzige Pärchen, das seine Liebe hier mit einem Bügelschloss verewigen wollte.

Bild: Matthis Freyer

Auf unserem Weg den Hügel hinab breitet sich vor uns ein weißes Blütenmeer aus: Märzbecher und Schneeglöckchen blühen bereits. Plötzlich hören wir ein lautes Klopfen, ein Bohren geradezu, es lässt uns vor einem knorrigen Baumstamm nach oben blicken. Den Specht selbst können wir nicht ausmachen, aber sein Hämmern begleitet uns noch eine ganze Weile. Zu unserer Linken liegt nun das Literaturhaus, gerade ist es geschlossen. Trotzdem finden wir auf unserem Weg ein vereinzeltes laminiertes Blatt Papier in den Bäumen, auf dem Auszüge eines Textes des europäischen Literaturfestivals aus dem Frühjahr letzten Jahres stehen – auf slowenisch.

Angekommen am Fuß des Hügels gehen wir nun weiter parallel zum Schwanenweg Richtung Förde. Hier dominieren fifty shades of green und nicht bunte Blüten. Die lebendigste Farbe strahlt das Moos aus. An einer Stelle ist es niedergetreten: Es wurde sich vom Weg ab gewagt, um zu testen, ob der gespaltene Baumstamm am Wegesrand begehbar ist. Der ist aber mit Eisenstangen verschlossen: Ob sie dem Baum als Stütze dienen oder ungebetene Besucher vor dem Steckenbleiben schützen sollen, können wir nicht sagen. Auch sonst lohnt sich ein Blick auf die einfallsreichen Ideen, die hier alte Riesen vor dem Umfallen stützen. Der Urweltmammutbaum aus Nordamerika in der Mitte des Gartens kann allerdings noch alleine stehen. Er bildet den Eingang zu einer anderen Welt: Vor uns liegt ein kleiner Teich mit einer Holzbrücke. Wir atmen kurz ein und schweifen mit unseren Gedanken zu Monet –die japanische Brücke ist hier ganz passend in Zedernbäume und Bambussträucher eingebettet. Wir sind die Einzigen hier, die Stille nur gebrochen von Regentropfen auf der Wasseroberfläche des Teichs.

Autor*in

Hier schreiben mehrere Autor:innen der ALBRECHT-Redaktion oder Personen, die ihren Text anonym veröffentlichen wollen.

Share.
Leave A Reply