Der Transplantationsskandal in vier großen deutschen Klinken erschütterte im vergangenen Jahr die ganze Nation – und blieb nicht folgenlos. Das Vertrauen der Bürger in die Organspende ist geschwächt. Die Zahl der Spenden sank 2012 auf den niedrigsten Stand seit zehn Jahren und verschärfte somit das Problem des bereits bestehenden massiven Organmangels.

In einer Pressemitteilung vom Januar gab die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO) bekannt, dass die Zahl der Organspenden 2012 um 12,8 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken sei. Konkret bedeutet dies einen bundesweiten Rückgang von 3917 auf 3511 postmortale Spenden. Die rückläufige Tendenz zeichnete sich insbesondere im zweiten Halbjahr nach Aufdeckung der Manipulationen ab. Doch was war eigentlich passiert?

Gefälschte Patientenakten und unnötige Transplantationen

Im Sommer 2012 wurde bekannt, dass im Universitätsklinikum Göttingen Krankenakten gezielt manipuliert wurden, um Patienten bevorzugt mit einer Organspende zu versorgen. Der Skandal weitete sich nach Untersuchungen auf Transplantationszentren in Regensburg, München und Leipzig aus. Allein in Göttingen stehen Mediziner in mindestens 60 Fällen in Verdacht, Patientendaten gefälscht und Richtlinien zur Organspende missachtet zu haben. Ein Göttinger Chirurg sitzt bereits in Untersuchungshaft. Im Zuge der Ermittlungen kamen weitere Missstände an die Öffentlichkeit. So sollen auch Alkoholkranke auf die Transplantationsliste gesetzt worden seien, obwohl sie den Anforderungen für eine Organspende nicht entsprachen. Weiterhin ist die Rede von unnötigen Transplantationen, die zum Tod von Patienten geführt haben sollen.

Die Politik versucht zu handeln. Seit dem 1. November 2012 gilt die sogenannte Entscheidungslösung. Dabei soll die Spendenbereitschaft mittels Information und Aufklärung der Bürger gefördert werden. Die gesetzlichen Krankenkassen stellen alle zwei Jahre durch Zusendung eines Organspendeausweises und Informationsmaterial die Möglichkeit her, dass jeder Versicherte ab 16 Jahren seine Entscheidung – für oder gegen die Organspende – auf diese Weise freiwillig dokumentieren kann. Eine weitere Änderung des Transplantationsgesetzes sieht vor, dass künftig unabhängige Transplantationsbeauftragte in den Entnahmekrankenhäusern Handlungsabläufe kontrollieren und für Aufklärung des medizinischen Personals sorgen. Zudem soll eine Prüfungskommission stichprobenartig unangekündigte Inspektionen in allen 45 deutschen Zentren vornehmen.

Das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, verfügt über eines der vier Transplantationszentren, an dem alle sechs Organtransplantationen (Niere, Pankreas, Leber, Dünndarm, Herz und Lunge) vorgenommen werden dürfen. Bereits im vergangenen Jahr wurde das Lebertransplantationsprogramm des UKSH durch die Prüfungskommission der Bundesärztekammer auditiert. Eine offizielle Stellungnahme steht noch aus. Während aber in Schleswig-Holstein die Zahl der postmortale Spenden im vergangenen Jahr von 37 auf 31 Spenden sank, stieg die Anzahl der transplantierten Organe am Universitätsklinikum von sechs auf 13 an.

„Nachlassende Spendenbereitschaft kostet Menschenleben“

Am stärksten von den Auswirkungen des Skandals sind jedoch diejenigen betroffen, die die Organe so dringend benötigen: Circa 12 000 Menschen in Deutschland warten auf eine lebensrettende Spende. Etwa 1000 von ihnen sterben pro Jahr, da nicht rechtzeitig ein passendes Organ gefunden wird. Im Jahr 2010 besaß nach Angaben der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) nur etwa ein Viertel der Deutschen einen Organspendeausweis. Dabei gäben circa 74 Prozent grundsätzlich ihr Einverständnis dazu. „Nachlassende Spendenbereitschaft kostet Menschenleben“, heißt es in der Pressemitteilung der DSO. Ein Organspendeausweis kann Leben retten. Ganz gleich, wer das Organ im Endeffekt erhält.

Weitere Informationen zu diesem Thema und den Organspendeausweis gibt es unter:

www.organspende-info.de

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