Reden kann jeder, aber heißt viel reden auch immer etwas auszusagen? Wer an der CAU gerne genau an dieser Frage arbeiten möchte, findet im Kieler Debattierclub ein entspanntes Umfeld, um seine eigene Rhetorik zu verbessern. Jedoch lastet in der öffentlichen Wahrnehmung ein schwerwiegender Malus auf dem Bilde der Debattierclubs: sie gelten als langweilig, konservativ und elitär und werden als Sammelbecken für Snobbs, Nerds, Juristen und BWLer angesehen. Das Debattieren beim Kieler Debattierclub ist weit mehr als nur wortreiche Ödnis von phrasenreitenden Besserwissern und Vielschwätzern.

Die Kieler Niederlassung ist nach dem Tübinger Debattierclub (1991) der zweitälteste Deutschlands und wurde im Jahre 1995 gegründet. Im Hinblick auf die anderen Clubs war dies ein recht frühes Gründungsdatum, weil die meisten anderen erst um die Jahrtausendwende entstanden. Nach einer frühen Hochphase war es lange Zeit still in Kiel, bis im Jahre 2007 der Club erneut von Sven-Kristjan Bormann gegründet wurde und nunmehr eine eingetragene Hochschulgruppe ist. Durch die regelmäßigen Treffen in den Hochschulräumen wurde der Debattierclub in der Förderstadt im Jahr 2011 sogar Norddeutscher Meister. So kam es auch dazu, dass man die Norddeutsche Meisterschaft 2012 in Kiel ausrichtete. Der Club überschreitet aber auch die eigenen Grenzen und veranstaltet Diskussionsrunden mit echten Politvertretern, wie z.B. eine Podiumsdiskussion zur Landtagswahl in Schleswig-Holstein im April 2012. Damals waren Wolfgang Kubicki (FDP), Ralf Stegner (SPD), Robert Habeck (Die Grünen) und Axel Bernstein (CDU) zum Thema Bildungs- und Haushaltspolitik in Schleswig Holstein zu Gast. Auch bei einer hauseigenen Verbandsveranstaltung konnte der Club im Jahre 2010 mit dem bekannten Politiker Gregor Gysi einen genialen Gastredner gewinnen.

Es gibt grundsätzlich zwei Systeme: Zum Einen das OPD-System (Offene parlamentarische Debatte) und zum anderen das BPS-System (Britisch Parlamentery Style). Das OPD ist ein ursprünglich deutsches Format, das sich in der Tradition und Form deutscher, politischer Debatten versteht, während das BPS ein eher internationales Format ist, das aus dem angelsächsischen Raum kommt. Neben den regelmäßigen deutschsprachigen Debattiertreffen finden in Kiel auch regelmäßig englischsprachige Debatten statt, um sich auch auf Englisch zu trainieren. So konnte der Club sich auch erstmals in seiner Clubgeschichte für eine sehr erfolgsversprechende Teilnahme bei der Debattierweltmeisterschaft in Berlin qualifizieren, die auf Englisch ausgetragen wird.

Der Unterschied zwischen einer Diskussion und einer Debatte ist, dass in der Diskussion versucht wird einen Konsens zu finden und in der Debatte gegensätzliche Positionen vertreten werden, die keinen Konsens erreichen können. Ähnlich den Debatten im Bundestag, bei der die Parteien versuchen die anschließende Abstimmung in die gewünschte Richtung zu lenken. Beim Club-Debattieren gibt es am Ende jedoch keine Abstimmung oder Entscheidung, sondern es wird nur debattiert, um sich das Debattieren als solches anzueignen. So kommt es auch immer wieder vor, dass die Teilnehmer Meinungen in der Debatte vertreten, die diametral zu ihrer eigenen, persönlichen Ansicht als wirklicher Mensch stehen. Dies ist der Unterschied zwischen gespielter Rolle und dem wirklichen Menschen hinter dieser kurzzeitig angenommenen Figur. Der Verlauf einer Debatte ist immer gleich: Es gibt eine „Regierungsfraktion“ und eine „Oppositionsfraktion“. Die Vertreter der Regierung stellen eine These bzw. Forderung auf, die von der Opposition attackiert wird. Dabei kommen beide Gruppen immer zufällig per Losverfahren zu Stande. Kurz vor Beginn der eigentlichen Debatte wird das Thema bekannt gegeben, wonach sich die Teilnehmer per Absprache vorbereiten können. Die Debatte fußt auf einer kontroversen, debattierbaren Streitthese (der sogenannten Motion), die so formuliert ist, dass debattiert werden kann. Am Ende der Debatte findet oft noch eine Rückmeldung von den erfahrensten Debattierern statt. Diese Rückmeldung dient der Verbesserung der Rhetorik-Kenntnisse, damit über das reine Reden vor anderen Menschen hinaus, auch ein fachlicher Zugewinn entsteht.

Zur allgemeinen Relevanz führt Club-Leiter Rauad Abagela aus: „Debattieren ist wichtig für eine gesunde demokratische Streitkultur, weil man im Rahmen eines abgesteckten, simulierten Streites lernt, wie man respektvoll miteinander umgeht. Insgesamt betrachtet, kann es aber am Ende der Debatten nie eine wirkliche politische Lösung geben, weil es sich ja immer nur um ein Wettkampfformat handelt, bei dem man seine rhetorischen Fertigkeiten übt.“ Das gestellte Thema dient als reines Streitthema ohne eine echte Perspektive auf Lösung, weil ja auch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer selbst keine Experten sind. „Es ist in einer Demokratie immer wichtig die eigene Meinung überzeugend vertreten zu können. So kann man Manipulationen und Vorurteilen von politischen Demagogen wirkungsvoll widerlegen. Denn debattieren heißt immer auch genau zuzuhören, um auf die Gegenrede sachgerecht eingehen zu können“, legt Rauad Abagela den erweiterten Anspruch auseinander.

Generell ist jeder zu den im Semester regelmäßig stattfindenden Treffen am Dienstagabend um 18 Uhr eingeladen. Darüber hinaus finden immer wieder Schaudebatten statt, wie zuletzt zur US-Wahl 2012, als man sich im Rahmen des aktuellen Themas einen simulierten Schlagabtausch lieferte, den das studentische Publikum mit vielen Lachern quittierte. Debattieren ist also doch etwas für Jedermann und nicht nur für Besserwisser und Vielschwätzer.

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